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Das „Freie Netz Süd“ und seine Rechtsrock-Festivals

Der „Frankentag“ 2010 im oberfränkischen Obertrubach-Geschwand

Am Samstag, 31. Juli 2010, treffen sich über 200 Neonazis zum „3. Nationalen Frankentag“ des „Freien Netz Süd“ erneut im oberfränkischen Obertrubach-Geschwand (Landkreis Forchheim).

'Frankentag' 2010 in Obertrubach-Geschwand.  Foto: Robert Andreasch
‚Frankentag‘ 2010 in Obertrubach-Geschwand. Foto: Robert Andreasch
Unter anderem haben die Neonazis für Kinder eine Wurfbude, ein Trampolin und ein Badminton-Netz aufgebaut. Doch das Event ist kein harmloses Kinderfest: Die Wurfbude ist mit einer Reichskriegsflagge dekoriert und der „Frankentag“ ist in erster Linie ein Rechtsrockspektakel mit den Neonazibands „12 Golden Years“, „Last Man Standing“ (beide Thüringen), „Devils Project“ (Böblingen) und „Feldherren“ (München).

Die Reden: Zu Beginn wird ein Grußwort des „Freies Netz Süd“ (FNS)- Führungskaders Matthias Fischer verlesen, der damals u. a. wegen Volksverhetzung in der JVA Bayreuth eine 26-monatige Haftstrafe absitzt. Darin schreibt Fischer, der „Frankentag“ böte „Alt und Jung die Möglichkeit, ungestört von jeglicher Beeinflussung durch das BRD-System und seinen kranken Auswüchsen den Tag in einer nationalen Solidargemeinschaft zu verbringen…“.

Der Nürnberger FNS-Aktivist Jürgen Schwab spricht „als nationaler Sozialist“ (Schwab über Schwab) über eine „nationale Volksgemeinschaft“ und für die „Wiedereinführung der deutschen D-Mark“. Besonders geschmacklos wird seine Rede nicht zuletzt bei seiner zynischen Hetze gegen die „Sozialatome“, die sich zur Loveparade in Duisburg versammelt hätten. Schwab lässt seinem Rassismus freien Lauf:

„Wir wollen unsere Menschen hart, stark, unser Volk in seiner kulturellen Prägung als Abstammungsgemeinschaft erhalten (…) da sind wir halt Rassisten.“

Die Neonazis halten mit ihrer NS Verherrlichung nicht hinterm Berg, tragen nationalsozialistische Symbole auf T-Shirts oder als offen getragene Tattoos, z. B. große „Schwarze Sonnen“ der SS. Auf zwei am Veranstaltungsort aufgespannten Transparenten heißt es: „Nationalen Sozialismus durchsetzen und verteidigen“.

Die Musik: Zwischen den Redebeiträgen läuft beim „Frankentag“ unter anderem die CD „Manifest“ der Neonazi-Band „Division Germania“ (Mönchengladbach). Abgespielt wird das antisemitische Lied „Seht wer euch (ver)führt!“:

„Die Kaste heimlicher Regenten, die Kanzler stellt und Präsidenten (…) In ihrem Hass auf alle Völker, sinnend seit ihrem Aufstieg gilt ihr Kampf dem freien Menschen – Sie führen erbittert Krieg! Die Schlange, die die Völker plagt, die an der Weltenesche nagt. Doppelzüngig gellt ihr Wort – Vergiftet Heim & Hort! Ganze Staaten Marionetten – Der Globus liegt in ihren Ketten. Der Weltenbrand wird längst geschürt – Seht wer euch verführt! Grenzen fallen, Länder sterben, Völker bluten und verderben. Ihre Order läuft nach Plan.“

Und dann läuft – von der gleichen CD – noch „Die Furcht so fern“. Das „Lied“ besteht allein aus der historischen Tonaufnahme einer pathetischen Ansprache:

„Wir sind eine Gemeinde der Tat geworden und so soll es bleiben. Ihr sollt dem Leben gegenübertreten als Eroberer, nicht als Verteidiger. Der Furcht so fern, dem Tod so nah, das steht auf euren Fahnen geschrieben. In harter Luft leben wir Tag um Tag, da ist es kein Zufall, wenn wir enger als sonst aneinander gekettet werden. Wo Blut fließt, da finden Neid und Zwietracht verschlossene Türen, so ist es bei uns. Not und Blut ketten uns aneinander, wir können nicht mehr los voneinander, weil der eine auf den anderen angewiesen ist.“

Es ist eine Original-Aufnahme Joseph Goebbels.

Reaktionen, Proteste und Behördenhandeln: Das Wiesengrundstück, auf dem immer wieder neonazistische Konzerte und Feiern stattfinden, gehört seit 2006 der Ehefrau des „Frankentag-Versammlungsleiters“ Lutz P. „Der Lutz“, wie P. im Dorf genannt wird, ist dennoch gut ins Gemeindeleben integriert und wirkt sowohl bei der Kirchweih als auch in der lokalen Feuerwehr mit.

Dem unkritischen Umgang mit dem langjährigen Neonazi-Aktivisten in Niedermirsberg entspricht die Ignoranz in der Gemeinde Obertrubach gegenüber den großen Neonazi-Veranstaltungen auf der zwischen Geschwand und Bärnfels gelegenen Wiese. Der Obertrubacher Bürgermeister Willi Müller versucht im Vorfeld, die neonazistische Versammlung in seiner Gemeinde öffentlich abzustreiten. Die „Nürnberger Zeitung“ vom 2. August 2010 zitiert Anwohner_innen aus Obertrubach mit Verharmlosungen: „Das sind friedliche Menschen (…) die belästigen niemanden.“

Überwiegend auswärtige Neonazigegner_innen aus der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschist_innen, den „Nordbayerischen Bündnissen gegen Rechts“ und vom Nürnberger „Bündnis Nazistopp“ protestieren mit einer Kundgebung in Obertrubach gegen den neonazistischen „Frankentag“ und die Ignoranz der Gemeinde. Die Polizei erteilt einer Handvoll Menschen, die vor Ort gegen das Rechtsrock-Festival protestieren wollten, schon in großer Entfernung Platzverweise.

Ganze drei Bereitschaftspolizist_innen, ein Staatsanwalt und einige wenige Zivilbeamte der Polizei sind in der direkten Nähe der neonazistischen Großveranstaltung zu sehen. Sie sitzen den Großteil der Zeit über an der oberen Zufahrt zum Gelände in ihren Fahrzeugen, im Rücken der Veranstaltungsbühne und viel zu weit vom Geschehen entfernt. Gegen die wenigen anwesenden auswärtigen Journalist_innen gehen die Neonazis derweil aggressiv vor. Schutz durch die Polizei bekommen die Medienvertreter_innen nicht.

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