Brandt, Dalek, Brehme
Der V-Mann Tino Brandt ist in diesen Jahren der führende Aktivist der Thüringer Kameradschaftsszene, er baut die „Anti-Antifa Ostthüringen“ und den militanten „Thüringer Heimatschutz“ (THS) auf. Auch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe sind hier organisiert. Im 2012 veröffentlichten „Schäfer-Gutachten“ für die Thüringer Landesregierung wird Brandt, der sich mindestens bis zum Jahr 2000 mehrmals mit NSU-Mitgliedern trifft, unter Zitierung eines Zeugen folgendermaßen charakterisiert:
„Tino Brandt sei eine Art Leitwolf in der rechten Szene Thüringens. Mittwochs sei er [der Zeuge] immer mit den Sonneberger Kameraden nach Saalfeld zum Mittwochsstammtisch in die Gaststätte ‚Zum Weinberg‘ gefahren. Dort hätten sie sich mit den anderen Kameradschaften, insbesondere mit Tino Brandt und den Saalfeldern getroffen. Dieser Mittwochsstammtisch sei ein lockeres Treffen. Tino Brandt habe Propagandamaterial wie ‚Nation Europa‘, ‚Neues Thüringen‘ und ‚Neues Franken‘ ausgeteilt. Ansonsten werde ziemlich viel Alkohol getrunken. Tino Brandt gehe von Tisch zu Tisch und frage bei den einzelnen Kameradschaften, was los sei. Er gebe auch Anweisungen für geplante Unternehmen und was an den Wochenenden ‚abgehen solle‘. Dies seien zum Teil rechte Konzerte, Demos, Feste und Störfaktoren beziehungsweise Störaktionen. Die örtlichen Kameradschaften meldeten Tino Brandt, wo es zum Beispiel Probleme mit Asylanten gebe und übermittelten ihm Informationen. Tino Brandt organisiere dann die Störaktionen. So sollte z. B. ein Multi-Kulti-Fest gestört werden. Die Vorbereitungen und Absprachen seien über Handy gelaufen. Vor der Aktion seien die Autos ‚bereinigt‘ worden. Das heißt, die Anführer der einzelnen Kameradschaften hätten kontrolliert, dass aus den Autos Baseballschläger, Stichwaffen, Messer, Schreckschusspistolen und Propagandamaterial entfernt werden. Freitags hätten immer Schulungen ‚in der schönen Aussicht‘ bei Saalfeld stattgefunden. Unter der Leitung Brehmes und Tino Brandts hätten ‚Rechtsschulungen‘ und ‚Jungsturmbelehrungen‘ stattgefunden. Dabei sei es um den Umgang mit der Polizei sowie dem Verhalten bei Festnahmen, Vernehmungen und Demos gegangen“
Von 1996 bis 2002 (bzw. 2003 oder 2006, die Quellenlage ist hier uneinheitlich) führen das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst, das Thüringer und bayerische Landesamt für Verfassungsschutz die gemeinsame „Operation Rennsteig“ durch. Zielobjekte sind die Gruppen „Anti-Antifa Ostthüringen“, der „Thüringer Heimatschutz“ und „Fränkischer Heimatschutz“, in denen „Quellen“ platziert werden sollen. Der damalige bayerische LfVS-Präsident Gerhard Forster behauptet am 9. Oktober 2012 im Landtags-Untersuchungsausschuß „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“, dass die Beteiligung Bayerns an diesen Treffen angeblich nur der Eindämmung der Aktivitäten Brandts in Bayern dienen sollte.
Brandts Stellverteter bei der „Anti-Antifa Ostthüringen“ und beim „Thüringer Heimatschutz“ ( THS) ist zu diesem Zeitpunkt Mario Brehme (Rudolstadt). Brehme besucht am 23. März 1996 in Coburg ein „Südafrika“-Treffen. In Coburg ist der Sitz des heute noch aktiven, „Hilfskommittees Südliches Afrika“ (HSA), das einst die südafrikanische Apartheidpolitik unterstützte bzw. ihr nun hinterhertrauert. Mario Brehme reist in dem Jahr nicht nur nach Coburg, sondern auch nach Bayreuth, in das Vereinshaus einer Burschenschaft. Im Juli beginnt sein Wehrdienst bei der Bundeswehr im oberbayerischen Traunstein.
Jahre später zieht der THS-Topkader Brehme während seines Jurastudiums bei der völkischen Burschenschaft „Thessalia Prag zu Bayreuth“ ein. Der Mitgliedsbund der extrem rechten „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ (BG) hatte schon mehrere extrem Rechte in seiner „Aktivitas“, u. a. Jürgen Schwab (heute aktiv für das „Freie Netz Süd“) und den zeitweiligen NPD-Aktivisten Andreas Wölfel. Wölfel betreibt heute mit Steffen Hammer, ehemals Sänger der Neonaziband „Noie Werte“ (mit einem Song von „Noie Werte“ ist eines der NSU-Bekennervideos unterlegt), eine Rechtsanwaltskanzlei in Weißenstadt bei Wunsiedel. In den bayerischen Verfassungsschutzberichten der letzten Jahre sucht man die „Thessalen“ dennoch vergebens.