Bomben für Südtirol
In der Vergangenheit waren vor allem österreichische Burschenschaften auch aktiv in den Südtirol-Terrorismus verwickelt. Allen voran die Olympia Wien. Sie wurde wegen ihrer „Grenzlandarbeit“ 1961 sogar behördlich aufgelöst(32), ihre Wiedergründung allerdings zugelassen. Denn trotz der oftmals gewaltsamen Aktionen, die mehrere Menschenleben forderten(33), konnten die Akteure des Südtirol-Terrors sich lange Zeit einer gesellschaftlichen Rückendeckung in Österreich sicher sein.
So auch der Burschenschafter Herwig Nachtmann (Brixia Innsbruck), der 1970 in Florenz wegen Beteiligung am Südtirolterrorismus in Abwesenheit verurteilt, aber nicht den italienischen Behörden überstellt wurde. 1995 wurde Nachtmann wegen NS-Wiederbetätigung rechtskräftig verurteilt. Er war als Chefredakteur der rechten Zeitschrift „Aula“ publizistisch verantwortlich für einen holocaustleugnenden Artikel. Zehn Jahre später wurde er Schriftleiter der DB-Zeitung „Burschenschaftliche Blätter“. Im Jahr 2008 löste ihn Norbert Weidner in diesem Amt ab. Mit Weidner verbindet Nachtmann die Tatsache, dass er Spitzenfunktionär einer mittlerweile verbotenen nazistischen Partei war; in seinem Falle handelte es sich um die 1988 wegen NS-Wiederbetätigung behördlich aufgelöste Nationaldemokratische Partei (NDP).
Die Darstellung rechtsextremer Betätigungen der Burschenschaftlichen Gemeinschaft bleibt an dieser Stelle holzschnittartig und stellt nur einen kleinen Einblick dar. Festzustellen ist allerdings, dass die BG ihr völkisches Weltbild eint. Oliver Trapper von der „Thessalia Prag zu Bayreuth“ hebt hervor, dass es in der BG deshalb auch keine Verfahrensstreitigkeiten gibt: „Auf Grund der gemeinsamen Ideen innerhalb der BG muß eben nicht alles ausdiskutiert werden, weil vieles noch selbstverständlich ist. Dadurch entsteht eine Geschlossenheit, die auch nach außen wirkt.“(34)
Viele dieser Ideen konnten auch fest in der Deutschen Burschenschaft als Dachverband verankert werden, den die BG als rechte Pressure Group quasi vor sich hertreibt. Bezüge zu Rechtsauslegern in CDU/CSU bestehen, das Zentrum der Wirkungsmacht der BG liegt allerdings jenseits der Grenze in Österreich: in der FPÖ.
Außenwirkung, wenn auch nicht unbedingt immer die erwünschte, erzielt die BG auch durch die Zusammenarbeit mit gewalttätigen Rechten und offenen Nazis. Rassistische sowie antisemitische Ideologie und – wie beispielhaft angeführt – die Holocaust-Leugnung als deren Praxis, ergeben sich logisch aus dem völkischen und nationalistischem Weltbild der BG. Eine andere beispielhaft angeführte Praxis war der Südtirol-Terrorismus, mit dem Burschenschafter unterstrichen, dass sie unter aussichtsreichen Rahmenbedingungen dazu bereit sind, gewaltsam für „die freie Entfaltung des deutschen Volkstums“(35) einzutreten(36). Frühere militante Akteure sind heute noch häufig als Referenten bei Burschenschaften gefragt.
In diesem Artikel konnte kaum auf die patriarchalen und heterosexistischen Geschlechterbilder (z. B. heroische Männerbilder) in der BG eingegangen werden. Diese sind in allen Burschenschaften gleichermaßen „common sense“. Ebenso wird von Korporierten das Verständnis der Studentenverbindung als „Lebensbund“ nicht hinterfragt. Dieser totale Zugriff auf die (studentischen) Mitglieder – außerhalb der Hochschule spielt sich der Alltag der Angehörigen der Aktivitas fast ausschließlich unter der sozialen Kontrolle der Korporation ab – begünstigt autoritäre Charakterschulung sowie deren ideologische Prägung.
Die Burschenschaftliche Gemeinschaft mag auf aufgeklärte Menschen wie ein Kuriosum wirken, bei dem das Prädikat „ewiggestrig“ noch schmeichelhaft ist. In korporierten Kreisen jedoch – und deren Wirkungssphäre geht immer noch weit über die Deutsche Burschenschaft hinaus – ist sie keineswegs isoliert. Wie erwähnt erklärte die SPD 2006 die Mitgliedschaft bei sich mit der Mitgliedschaft in einer BG-Burschenschaft, also mit der Zugehörigkeit zum ultrarechten Rand des Korporationswesens unvereinbar. Der „Convent Deutscher Akademikerverbände“ (CDA), eine Arbeitsgemeinschaft von 13 korporierten Dachverbänden mit ca. 500 Altherrenschaften und etwa 40.000 Mitgliedern(37), quittierte dies mit scharfen Worten. Diese waren allerdings nicht gegen völkische Tendenzen in den eigenen Reihen, sondern ausschließlich gegen die SPD gerichtet.
(1) Martin Graf, Burschenschaft Olympia Wien im Spiegel 24/97, S. 54, zitiert nach Die Grünen 2008: 4
(2) Obwohl es Korporationen, die auch Frauen aufnehmen, sowie reine „Damenverbindungen“ gibt wird hier ausschließlich die männliche Sprachform angewandt. Das liegt einerseits an der selbst gewählten Sprachregelung der Korporationen. Andererseits würde alles andere die wirklichen Verhältnisse verschleiern. Alexandra Kurth beziffert den „Gesamtanteil von Verbindungsstudentinnen inklusive der seit den 1970er Jahren neu gegründeten 18 Damenverbindungen bei etwa einem bis fünf Prozent“ (Kurth 2004: 17) des Korporationswesens. Die Deutsche Burschenschaft nimmt keinerlei Frauen auf. Aufgrund der einschlägigen Männlichkeitsbilder, die dort vertreten werden, wäre die Anwendung geschlechtergerechter Schreibweise in diesem Kontext absurd.
(3) Korporationen reklamieren meist für sich, sie seien im NS verboten gewesen; auf Dachverbandsebene haben die meisten nicht nur frühzeitig nationalsozialistische Ideologie übernommen, sondern sich freiwillig selbst aufgelöst und dem NSDStB angegliedert. Auf lokaler Ebene existierten die Bünde meist als Kameradschaften weiter. Von dieser Basis aus waren sie auch nach der Kapitulation der Wehrmacht schnell wieder handlungsfähig: „Schon bei der Wiedereröffnung der Universitäten im Jahre 1946 trafen sich Studenten, die burschenschaftlichen Kameradschaften angehört hatten und dafür eintraten, die Burschenschaften wieder ins Leben zu rufen. In den nächsten Jahren entstand trotz mancher Behinderungen durch die Besatzungsmächte eine große Zahl von burschenschaftlichen Verbindungen, die von den inzwischen wieder tätigen Altherrenverbänden als Aktivitates übernommen wurden.“ (Verlag BurschenDruck 2005: 154f)
(4) Vgl. Verlag BurschenDruck 2005: 155f
(5) Gründungsprotokoll entnommen von: http://www.burschenschaftliche-gemeinschaft.de/ueber-uns/gruendungsprotokoll.html
(6) Verlag BurschenDruck 2005: 298
(7) Verlag BurschenDruck 2005: 246
(8) Verlag BurschenDruck 2005: 244
(9) http://www.burschenschaftliche-gemeinschaft.de/ueber-uns/standpunkte.html
(10) Ebd.
(11) Die Europäische Union bzw. die EU-Verfassung, die einen Schritt für einen einheitlichen Rechtsrahmen für deutschsprachige Gebiete in Europa herstellen könnte, lehnt die BG jedenfalls ab (vgl. BBl 3/2009: 112).
(12) Verlag BurschenDruck 2005: 266 f
(13) http://www.burschenschaftliche-gemeinschaft.de/ueber-uns/standpunkte.html
(14) Salzborn 2000: 147
(15) BBl. 3/2009 S.112
(16) http://www.burschenschaftliche-blaetter.de/netzversion/detailansicht/meldung/395/pro-kontra.html
(17) Vgl. http://www.burschenschaftliche-gemeinschaft.de/ueber-uns/geschichte.html
(18) BBl. 3/2009: S. 112
(19) Vgl. Die Grünen 2008: S. 2
(20) Wiener akademische Burschenschaft Olympia (Hg.): Wahr und treu, kühn und frei! 130 Jahre Burschenschaft Olympia. Wien 1989, S. 2 . Zitiert nach: Die Grünen 2008: S.5
(21) AIDA 2008:2
(22) Ebd.
(23) Ebd.
(24) Ders.:2
(25) Verlag BurschenDruck 2005: I
(26) https://nrwrex.wordpress.com/tag/norbert-weidner/
(27) Vgl. http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,519262,00.html
(28) Vgl. A.I.D.A. 2007: S. 3
(29) Katholische Studentenverbindung K.D.St.V. Frankonia-Czernowitz zu Erlangen im Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen.
(30) BBl 3/2009: 114
(31) Glitter 2009: 188
(32) Sie gründete sich 1970 unter anderem Namen wieder und benannte sich anschließend wieder um. Das Verbot von 1961 ist heute allerdings noch aufrecht (vgl. Die Grünen 2008: 16)
(33) In der ersten Phase waren vor allem Strommasten ein häufiges Ziel von Sprengstoffanschlägen. Damit sollte die industrielle Produktion lahmgelegt werden, in der vor allem italienische Muttersprachler_innen beschäftigt waren. In der zweiten Phase wurden italienische Sicherheitskräfte zum Teil gezielt ermordet.
(34) BBl 3/2009: 111
(35) Verlag BurschenDruck 2005: 299
(36) Eine Taktik, die – um nochmals auf das Münchner Abkommen zu rekurrieren – wie die Geschichte des so genannten Sudetenlands zeigt, durchaus erfolgreich sein kann.
(37) Vgl. Krebs / Kronauer 2010: 21
Verwendete Literatur:
A.I.D.A. (Hg.) 2007: a.i.d.a.-Newsletter Ausgabe 4: http://www.aida-archiv.de/index.php?option=com_remository&Itemid=198&func=startdown&id=12
A.I.D.A. (Hg.) 2008: Burschenschaftliche Solidarität im Innenministerium? Zitiert nach: http://wahlen.aida-archiv.de/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id=1054 (Stand: 16.06.2010)
Burschenschaftliche Blätter. Zeitschrift für den deutschen Burschenschafter. 124. Jahrgang, Heft 3, 3. Quartal 2009. Abgekürzt mit BBl 3/2009
Die Grünen (Hg.) 2008: Die Olympia und ihre Hausnazis. Zitiert nach: http://www.gruene.at/uploads/media/Gruene_Olympia_Doss_Okt08_01.pdf
Glitter, Gloria 2009: Blau-schwarze Unireform. Autoritäre Strukturen und das Comeback der Burschenschafter. In: HochschülerInnenschaft an der Universität Wien (Hg.) 2009: Völkische Verbindungen. Beiträge zum deutschnationalen Korporationsunwesen in Österreich, S. 186-191, Selbstverlag.
Krebs Felix / Kronauer Jörg 2010: Studentenverbindungen in Deutschland. Ein kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht. Unrast Verlag, Münster
Kurth, Alexandra 2004: Männer – Bünde – Rituale. Studentenverbindungen seit 1800. Campus, Frankfurt / New York
Salzborn Samuel 2000: Grenzenlose Heimat. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Vertriebenenverbände. Elefanten Press, Berlin.
Verlag BurschenDruck (Hg.) 2005: Handbuch der Deutschen Burschenschaft, Ausgabe 2005. Memminger MedienCentrum Druckerei und Verlags-AG, Memmingen
Diverse Internetquellen, die mit dem unmittelbaren Link in der Fußnote angegeben sind.