Am Samstag, 4. Juni 2011, hat sich in Unterhaching der bayerische Landesverband des rechtspopulistischen Sammelbeckens „Die Freiheit“ (DF) offiziell konstituiert. Die Verantwortlichen der oberbayerischen Stadt hatten den antimuslimischen Aktivist_innen der DF die gemeindeeigene „Hachinga-Halle“ vermietet, die Öffentlichkeit jedoch nicht über das rechte Treffen in Kenntnis gesetzt. a.i.d.a. informiert über die Parteineugründung und ihre Veranstaltung.
Die falsche Freiheit
Am 29. Oktober 2010 gründete der ehemalige Berliner CDU-Abgeordnete René Stadtkewitz, Vorsitzender des Berliner Landesverbands der antimuslimischen „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) zusammen mit Marc Doll sowie dem ehemaligen Bundesvorstandsmitglied der „Piratenpartei“, Stefan „Aaron“ König, die Partei „Die Freiheit“. Der CDU-Hinterbänkler Stadtkewitz war bis dahin nur durch eine Kampagne gegen einen Berliner Moscheebau einigermaßen bekannt geworden. Aufmerksamkeit erzielte die Parteineugründung DF durch eine von 500 Menschen besuchte Saalveranstaltung mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders in Berlin. Dessen rassistischer „Partij voor der Vrijheid“ (PVV) und der „Schweizerischen Volkspartei“ steht die DF näher als beispielsweise der österreichischen FPÖ oder dem flämischen „Vlaams Belang“, die von der sonstigen deutschen extremen Rechten gern zum Vorbild genommen werden.
Mobilisierende Leidenschaften
Inhaltliche Positionen der DF sind nur vage deutlich geworden und oft widersprüchlich geblieben. Der Politikwissenschaftler Fabian Kunow beschrieb die bisher bekannte Agenda der DF als „Mischmasch aus christlich-völkischen Positionen, Law and Order-Vorschlägen, wirtschaftsliberalen Ansätzen, gespickt mit populistischen Allgemeinplätzen“.
Ende April veröffentlichte die DF ihr „Münchner Thesenpapier zur Zuwanderungs- und Integrationspolitik“, für das der Münchner Beamte Christian Jung verantworlich zeichnet (der im Kreisverwaltungsreferat bis vor Kurzem ausgerechnet für „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ und die Erteilung von „Aufenthaltsgenehemigungen“ zuständig war) und das die bayerischen DF-Aktivist_innen Simon Zöllner, Robert Seidl, Carola Menneken, Wolfang Hößl und Tim Homuth ausgearbeitet hatten. In diesem Papier wird der Wunsch nach rassistischer Ausgrenzung und „Ausschaffung“ bzw. „Ausweisung überaus deutlich: „Es gibt keine moralische Verpflichtung, wonach Deutschland eine besonders große Anzahl an niedrig qualifizierten Zuwanderern und Wirtschaftsflüchtlingen aufnehmen muss“. Der Europäische Gerichtshof, manchmal letztes Mittel gegen die rassistische Abschottungspolitik Deutschlands, soll abgeschafft werden. Spießer, die den Objekten ihres Hasses gern „Geh arbeiten“ entgegenrufen, dürften sich in den „Thesen“ der DF wiederfinden: „Integrationskurse durch Migranten-Vereinigungen, die kulturell, religiös oder national ausgerichtet sind, sollen vom deutschen Staat nicht mehr gefördert werden. Integration erfolgt primär durch Arbeit (…)“.
„Es geht weniger um die Kohärenz extrem rechter Ideologien, als um das, was der Faschismusforscher Robert O. Paxton im Bezug auf den historischen Faschismus als ‚mobilisierende Leidenschaften‘ bezeichnete. Als mobilisierend gilt manchen Rechten momentan der antimuslimische Rassismus offenbar mehr als der Antisemitismus. Der Islam wird dabei als weltumspannende, universelle Bedrohung inszeniert und mit einigen Topoi aufgeladen, die zuvor in Zusammenhang mit dem europäischen Antisemitismus bekannt wurden. Er gilt als strategisch infiltrierend, als völkische EInheit zerstörend, als machtvoll und universalistisch. Dass die Feindbildproduktion gegen den Islam durchaus geeignet ist, rassistische Stimmungen weit über die Rechte hinaus zu produzieren, haben nicht zuletzt die Plebiszite in der Schweiz gezeigt.“
„Direkte Demokratie“
Überraschend mag bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen, dass sich die Aktivist_innen der DF von „Extremisten“ verbal abgrenzen und sich die Funktionäre keineswegs als Demokratiegegner, sondern als „volksnahe“ Kritiker inszenieren und, da die Bundesrepublik Deutschland ihnen noch nicht demokratisch genug erscheint, mehr Elemente direkter Demokratie (z. B. Plebiszite) einfordern.
Ein Blick in die Geschichte faschistischer Gruppierungen, darauf wies der Politikwissenschaftler Thomas Wagner in einem 2009 erschienen, vielbeachteten Artikel hin, zeigt jedoch: „Die verhaßte Weimarer Republik bewerteten schon manche Autoren der sogenannten Konservativen Revolution nicht etwa als zu demokratisch, sondern als nicht demokratisch genug“, sie stellten sich zum Teil „weniger als Feinde der Demokratie denn als Verfechter ihrer ‚wahren‘ Prinzipien dar“. Der faschistische Staatsrechtler Carl Schmitt schrieb von einer „nicht nur im technischen, sondern auch im vitalen Sinne unmittelbaren Demokratie“ und definierte „Demokratie“ so, wie es sich heute bei „Die Freiheit“, NPD & Co. anhört: „Demokratie (als Staatsform wie als Regierungs- oder Gesetzgebungsform) ist Identität von Herrscher und Beherrschten, Regierenden und Regierten, Befehlenden und Gehorchenden“.
Thomas Wagner erklärte somit, warum rechtspopulistische und neonazistische Parteien gern „mehr Demokratie“ einfordern: „Das Parlament, Parteien, Gewerkschaften oder andere Organisationen sind in dieser Perspektive Störfaktoren, die der angestrebten Einheit von Volk und Regierung nur im Wege stehen (…) Die basisdemokratische Rhetorik der Rechten entpuppt sich bei näherem Hinsehen nicht als egalitäres Projekt, sondern als pure Demagogie“.