Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

In den Fußstapfen der „Böhsen Onkelz“

Toleranz auch für Nazis

Wenn es um andere Themen als um die „heilige“ Heimatscholle geht, geben sich „Frei.Wild“ durchaus Mühe, „tolerant“ zu sein. Gegensätze ziehen sich an, Vielfalt ist eine gute Sache. Im Song „Schwarz und Weiß“ zählt die Band nicht nur lose auf, was sie alles ganz in Ordnung findet, sondern verrät nebenbei auch ihr sexistisches Frauenbild: „Weich oder hart; dick oder dünn; reich oder arm; hetero oder warm; Pampa oder City. Wir sind hier und Du bist dort; weit weg von mir. Eckig oder rund; farblos und bunt; die eine will’s von Hinten; die andere nimmt ihn in den Mund; Nord- und Südpol, USA und der Rest der Welt.“

Stichwort Toleranz: Philipp Burger erklärt in einem Interview, dass Naziskinheads wie alle anderen Gäste bei „Frei.Wild“-Konzerten willkommen seien – „solange sich die Leute benehmen“. Denn: „Nur weil einer was anderes denkt“, dürfe man niemanden ausgrenzen. „Ich kann ehrlich zu ihm sagen ‚Willkommen! Aber benimm dich!'“ Allerdings mutmaßt Burger auch, dass „richtig überzeugte Nazis“ mit den „Frei.Wild“-Texten „eh nicht klarkommen würden“. Ein Blick in das Nazi-Internetportal „Thiazi“ zeigt das Gegenteil. In der dortigen Bandliste sind „Frei.Wild“ neben Nazirock der Marke „Störkraft“ wie selbstverständlich mit Diskografie und vollständigen Liedtexten gelistet.

Neurechte „Frei.Wild“-Fans

Die Salonfaschisten der neurechten Zeitschrift „Sezession“ sind ebenfalls „Frei.Wild“-Fans. Was die Band immer leugnet – ihren politischen, nationalistischen Gehalt – wird in der politischen Rechten ohne Umschweife anerkannt. In der Aprilausgabe 2010 erschien ein Text, der zwar bedauert, dass das „politisch korrekte Management“ die Band in Richtung politischer Abstinenz „knechten“ würde. Dennoch feiert Sezession-Autor Felix Menzel „Frei.Wild“ als Paradebeispiel für seine These, dass Pop derzeit eher als die Hochkultur ein vielversprechendes Feld für extrem rechte metapolitische Interventionen sei. Menzel: „Ob sie es zugeben oder nicht und ob sie es bewußt machen oder nicht: Frei.Wild vermischt Alltäglichkeiten und heimatbewußte Politik. Damit markiert die Band einen deutlich rechteren Zeitgeist als den gegenwärtig herrschenden. (..) Die patriotischen Akzente werden von breiten Schichten wahrgenommen.“

Rebellion der Spießer

„Ihr seid dumm, dumm und naiv, wenn Ihr denkt, Heimatliebe ist gleich Politik. Schaut euch doch um, das Paradies auf Erden liegt hier mitten in den Bergen. Jeder Volksmusikant tritt live im Fernsehen auf, singt über das gleiche Thema, doch da fällt’s keinem auf„, hält die Band in „Land der Vollidioten“ jeder Kritik an ihrem offenen, völkischen Nationalismus entgegen. Mag sein, dass in der deutschen Volksmusik deutschtümelnde Phrasen beileibe keine Seltenheit sind. So scharf wie von „Frei.Wild“ wird es dort jedoch selten formuliert.

Allemal ist die Volksmusik-Referenz auch unter einem anderen Aspekt interessant. „Frei.Wild“ werfen mit Begriffen wie „Subkultur“ und „Rebellion“ umher und verkaufen ihre piefige Bergwelt-Romantik und ihre von Arbeitsethos und Traditionen geprägte Wertewelt als aufständische Coolness. Der Kitsch von „Frei.Wild“ minus die E-Gitarren und minus den sinnentleerten Rebellengestus würde durchaus ins Musikantenstadl passen. Wenn Rock jemals gegen irgendetwas rebellierte, dann wohl gegen die himmelschreiende Spießbürgerlichkeit und die Enge, wie sie von der Volksmusik und von „Frei.Wild“ repräsentiert werden.

Doch die Band dreht das Prinzip um. „Frei.Wild“ sind spießbürgerlich bis in die Haarspitzen und berauschen die Fans mit blumigen Rebellionsphantasien. Sie vermitteln eine Identität des „anders sein“ und schaffen es damit tatsächlich auf Festivals, die unter dem Motto „Die Rebellion geht weiter!“ angekündigt sind. „Rebellisch“ sind allenfalls die Attitüden, wenn die Band jeder Kritik den „Mittelfinger“ entgegen streckt und vorgibt, „aus dem Rahmen der Gesellschaft“ zu fallen. Das ist ihr schlichtes Erfolgsrezept, bis ins Detail kopiert von den „Böhsen Onkelz“.

(c) Antifaschistisches Infoblatt, Berlin. Veröffentlichung bei www.aida-archiv.de mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Seiten: 1 2 3 4 5

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen