Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

In den Fußstapfen der „Böhsen Onkelz“

Politik – oder doch nicht?

Mit der politischen Abstinenz ist es bei „Frei.Wild“ so eine Sache. Einerseits wird insistiert, dass man sich für politische Fragen nun überhaupt nicht interessiere und mithin Politik in der Band nichts verloren habe.

„Eine Sprache, die lebt und viel zu tiefgründig und nah aus dem Leben ist, als dass sie jemals politisch sein könnte“, schreiben „Frei.Wild“ auf ihrer Myspace-Seite in etwas eigenwilliger Logik. „Rechts“ könne die Band schon aufgrund ihrer regionalen Wurzeln nicht sein, wird an gleicher Stelle behauptet: „Frei.Wild verstehen sich als ‚frei‘ und damit keineswegs als rechts gesinnt. Schon alleine aufgrund ihrer Herkunft: Frei.Wild entstammen keinem glamourösen Hintergrund, sondern einer Region, in der Bodenständigkeit Tradition hat.“ Aha. Ganz so, als ob eine Sprache, die „nah aus dem Leben“ ist, nicht auch Trägerin politischer Propaganda sein könne. Ganz so, als ob völkische und nationalistische Bewegungen nicht immer schon ihre Basis auch unter „bodenständigen“ Menschen gehabt hätten.

„Frei.Wild“ reduziert „Politik“ offenbar einzig auf den Machtapparat. Wer sich selbst als „nah aus dem Leben“, „ehrlich“ und „bodenständig“ begreift, fällt per se aus diesem Raster heraus. Darüber spricht „Frei.Wild“ nicht nur sich, sondern auch seine Fans, die in allen Regionen Deutschlands begeistert auf „Deutschrock“-Partys rennen, von jedem „Verdacht“ – und somit von jeder Verantwortung für das eigene Handeln – frei.

Wie so oft: wer „unpolitisch“ sagt, will betrügen. Denn andererseits verbreiten „Frei.Wild“ ohne mit der Wimper zu zucken politische Botschaften. Die Band ist mithin eindeutig politischer, als es die „Onkelz“ in den letzten 20 Jahren ihres Bestehens waren.

Auf dem aktuellen Album „Gegengift“ findet sich der Song „Wahre Werte“. Darin heißt es: „Lichter und Schatten; undefinierbar, woher sie kommen; Formen und Spalten; die dein Ich-Gefühl zurückerstatten; Geräusche und Winde; die dich umgeben und unheimlich wirken; Höhen und Tiefen laden ein zum genießen; da, wo wir leben, da wo wir stehen; ist unser Erbe, liegt unser Segen; Heimat heißt Volk, Tradition und Sprache, für uns Minderheiten eine Herzenssache; das, was ich meine und jetzt werft ruhig Steine; wir sind von keinem Menschen die Feinde; doch wir sind verpflichtet, dies zu bewahren. (..); wo soll das hinführen, wie weit mit uns gehen; selbst ein Baum ohne Wurzeln kann nicht bestehen (..); Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat (..); ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk; Dialekte und Umgangssprache; hielten so lange, so viele Jahre; Bräuche, Geschichten, Kunst und Sagen; sehe schon die Nachwelt klagen und fragen; warum habt ihr das verkommen lassen?“

In diesen Zeilen steckt alles, was völkischen Nationalismus ausmacht: Die Bezüge auf ein „Erbe“, welches „bewahrt“ gehöre und nicht „verkommen“ dürfe; mythische Bilder von Licht und Schatten, von denen niemand wisse, „woher sie kommen“, die aber dennoch Identität stiften würden; die Annahmen von Verwurzelung und organischer Zugehörigkeit, kulminierend in der Formel „Heimat heißt Volk, Tradition und Sprache“.

Die Ansicht, dass der Mensch gefühlige „Heimat“ und eine Volkszugehörigkeit brauche und nur finden könne, wenn er „Wurzeln“, „Erbe“, „Tradition“ und Sprache mit einer Region teile, basiert auf einem zutiefst reaktionären Begriff von „Volk“. Es ist nicht nur inkompatibel mit modernen demokratischen Gesellschaften, sondern in der Essenz nichts anderes als Blut-und-Boden-Ideologie. Der zitierte „Frei.Wild“-Text wird auch durch das Lippenbekenntnis gegen „Faschisten“ und „Nationalsozialisten“ nicht besser, welches die Band in die letzte Strophe routiniert eingearbeitet hat. Der „Frei.Wild“-Hauptvorwurf gegen Nationalsozialismus und Faschismus an dieser Stelle ist, dass „unsere Heimat darunter gelitten“ habe.

Die politischen Aussagen der Band erschöpfen sich nicht nur im mystisch Völkischen. In ihrem programmatischen Song „Land der Vollidioten“ greifen sie aktuelle politische Debatten auf. „Land der Vollidioten“ ist mehr als eine Tirade gegen die italienische Politik. Leute wie Berlusconi würden „Völker ganzer Nationen“ beleidigen. „Kreuze werden aus Schulen entfernt, aus Respekt vor den andersgläubigen Kindern“, jammert Philipp Burger im gleichen Song. Solche Statements sind alles Mögliche – aber ganz sicher nicht „unpolitisch“. Wer soll an die angebliche Politikferne wirklich glauben? Hält die Band ihre eigenen Fans für Vollidioten?

Wohl kaum – „Frei.Wild“ bedient vielmehr das Bedürfnis jener Milieus, in denen sie Erfolg haben. Es handelt sich um Jugendliche und Erwachsene mit – so kann man mutmaßen – eher „bodenständigem“ Background, mit im Schnitt geringer formaler Bildung, eher auf dem Land als in der Stadt zu Hause. Anstelle einer Rebellion gegen die Verhältnisse tritt die folgenlose Stammtisch-Schimpferei gegen „die da oben“ garniert mit politisch rechts aufgeladener Duselei von „Heimat“ und „Volk“.

„Dummes Volk“, fasst der Sänger in einem Interview seine Einstellung gegenüber der italienischen Bevölkerung zusammen (und beleidigt damit en passant das „Volk“ einer ganzen Nation). Er selbst sei kein Italiener: „Ich fühle mich nicht so. Ich fühle mich als Südtiroler, als Gesamttiroler, weder als Deutscher noch Österreicher.“ Zu Rechtsrockzeiten in der Band „Kaiserjäger“ indes legte er noch Wert darauf, Österreicher zu sein, und als er im WM-Sommer 2010 trällerte „dieses Mal holen wir uns den Pokal“ meinte er Deutschland.

Seiten: 1 2 3 4 5

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen