Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

In den Fußstapfen der „Böhsen Onkelz“

Die Südtiroler Band „Frei.Wild“ ist im vergangenen Jahr in Bayern u. a. in München (Backstage), Fürth (Stadthalle), Rieden-Kreuth (Gut Matheshof) und Aschaffenburg (Colos Saal) aufgetreten. Für 2011 sind bereits Konzerte am 16. Juli in Rieden-Kreuth und am 1. Oktober in Geiselwind angekündigt. In einem Artikel in der aktuellen Ausgabe des „Antifaschistischen Infoblatts“ (Nr. 89) weisen die Autor_innen auf die deutlichen nationalistischen und völkischen Töne bei „Frei.Wild“ hin. Wir präsentieren hier eine Langfassung des im Heft abgedruckten Artikels.

„Frei.Wild“: Zwischen Kitsch und Subkultur

Die Südtiroler Band „Frei.Wild“ tritt in die Fußstapfen der „Böhsen Onkelz“ und feiert damit immer größere Erfolge. Die Naziskin-Vergangenheit des Sängers scheint – wie beim großen Vorbild – kein Hindernis zu sein. Ebensowenig sind es die nationalistischen und völkischen Töne der Band, die sich mit den Beteuerungen abwechseln, „unpolitisch“ zu sein. Band und Fans scheinen diese Widersprüchlichkeiten problemlos auszuhalten. Das aktuelle Album hat es zwischenzeitlich auf Platz zwei der deutschen Charts gebracht.

Wettlauf um das „Onkelz“-Erbe

Fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass sich die rechtsaffine Prollrockband „Böhse Onkelz“ aufgelöst hat. Die Aktivitäten um die Gruppe sind seitdem nicht zu einem Ende gekommen: „Onkelz“-Coverbands in rauen Mengen, „Onkelz“-Fanclubs quer durch die Republik, „Onkelz“-Nächte in jeder zweiten Dorfdisko. Unter den zahlreichen Bands, die gerne die Nachfolge der „Onkelz“ antreten würden, stechen seit einiger Zeit die 2001 gegründeten „Frei.Wild“ heraus. Die Südtiroler (also: norditalienische) Band spielt laut Selbstauskunft „Deutschrock“ und reinszeniert die von den „Onkelz“ bekannte Marketingstrategie. Die Attitüde versichert den Fans: Jungs, wir sind so wie ihr, wir sind okay, die da oben spinnen, mensch, wir haben schon einiges durchgemacht.

Vorläufig scheinen „Frei.Wild“ beim inoffiziellem Wettlauf um das „Onkelz“-Erbe die Nase vorn zu haben. Die saarländische Oi-Punkband „Krawallbrüder“ konkurrierte eine Zeit lang recht erfolgreich mit, ist mittlerweile jedoch ins Hintertreffen geraten. Vielleicht störte die hohe Affinität zur Punkszene, vielleicht war ihr Marketing nicht aggressiv genug. Die Bremer Hooligan-Combo „Kategorie C“ hatte ebenfalls Ambitionen, auf den „Onkelz“-Zug aufzuspringen. Doch auch deren Aufstieg stagniert. Sänger Hannes Ostendorf sang noch 2006 bei einem NPD-Solidaritätskonzert für den inhaftierten Sänger der Nazikultband „Landser“. „Kategorie C“ haben rassistische Texte im Repertoire und die Fanbasis ist durchsetzt von Neonazis und rechten Hools. „Kategorie C“ strebten für den kommerziellen Aufstieg einen Imagewechsel an („Fußball ist Fußball, Politik ist Politik“), doch der ist noch zu unglaubwürdig und darum tendenziell gescheitert. Die Band ist zu offenkundig rechts für den ganz großen Erfolg.

Von den alten „Onkelz“ selbst wurden die Fans enttäuscht. 2008 erschien ein mit Spannung erwartetes Soloalbum von „Onkelz“-Bassist Stephan Weidner. Die Songs von „Der W“ kamen jedoch nicht an. Sie brachen mit dem Stil der Onkelz, waren zu komplex, zu experimentell, um in der sich nach simpel gestricktem Liedgut sehnendem „Onkelz“-Gemeinde zünden zu können. Dass das angekündigte zweite Album von Weidner daran etwas zu ändern vermag, darf getrost bezweifelt werden.

Phrasenrock: „Wir sind wir“

Nun also „Frei.Wild“. Die Band inszeniert sich als Stimme des gesunden, proletarischen Menschenverstands. Mit Politik habe man nichts zu tun, es geht um unreflektierte und ironiefreie Selbstbestätigung, um das wahre Leben des einfachen Mannes: Wir sind wir. Die Musik ist Rock von Männern für Männer. In frühen Veröffentlichungen wurden Frauen so gut wie gar nicht angesprochen. Inzwischen werden sie wenigstens als Teil des Publikums einkalkuliert. „Frei.Wild“ sind die Boyband in der „Onkelz“-Rockszene – smarte Klamotten, gepflegte Frisuren. Zum Frauentag 2010 spielten sie in Berlin gar ein zotiges „Ladies Night“-Konzert, bei der es eine Männerstripshow gab und die Band vor einer „Tunten-Lounge“ herumalberte.

„Frei.Wild“ machen ein Identitätsangebot, das die Lücke füllt, die von den „Böhsen Onkelz“ hinterlassen wurde. Der Irrwitz und der Unsinn ihrer – nachfolgend genauer beleuchteten – Statements sprechen Bände, „Frei.Wild“ und ihre Gemeinde ficht das nicht an. Band und Fans schweißt ein Wir-Gefühl zusammen, dass zentrales Element der Texte ist und auch sein muss: Damit die Abschottung von einer feindlich gesinnten Welt und der eigene Opfermythos funktionieren.

Das neue Album „Gegengift“ strotzt vor simplen Wir-gegen-Euch-Konstruktionen – Worte wie „wir“ und „unser“ kommen in den Texten der 14 Songs weit über 100 mal vor. Zur Gegenseite zählen selbstredend Leute, die Kritik an der Band üben. Von deren dummer Hetze würde man letzlich jedoch profitieren: „Liebe macht blind, Zorn der macht dumm; doch dieser Angriff haut uns nicht um; härtet uns ab, und ihr werdet es sehen; allein nach vorn, immer Richtung Freiheit! (..) Die selbe Hetze schon seit etlichen Jahren; ihr müsst den Menschen vor Frei.Wild bewahren; doch es hat nix gebracht, uns nur bekannter gemacht!“

Seiten: 1 2 3 4 5

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen