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Martin Wiese aus der Haft entlassen

Die Mittäter sind längst wieder führend in der Münchner Neonaziszene aktiv

Martin Wiese ist von den wenigen Münchner Neonazis, die für ihre rechtsterroristischen Aktivitäten überhaupt je zu einer Haftstrafe verurteilt worden sind, der Letzte, der entlassen wird. Die meisten seiner ehemaligen MitstreiterInnen sind längst wieder einschlägig in der Neonaziszene aktiv, einige, wie Wieses „Stellvertreter“ Karl-Heinz Statzberger (Oberschleißheim), führen heute gar Münchner und überregionale Kameradschaftsorganisationen an. Mehrere ehemaligen „Kameradschaft Süd“-Mitglieder sind in den letzten Jahren z.T. mehrfach straffällig geworden, unter anderem auch wegen Gewaltdelikten. Auf Aufmärschen laufen sie meist im Block der „Kameradschaft“ München bzw. beim „Freien Netz Süd“, dem die „Kameradschaft München“ angehört, im Internet kokettieren sie mit ihrer Terror-Vergangenheit und hetzen ohne Zurückhaltung („Juden sind hier unerwünscht!“).

Zur Entlassung Wieses wurden laut Bayerischem Justizministerium Führungsauflagen verhängt, die unter anderem ein „Kontaktverbot“ zu den ehemaligen MittäterInnen beinhalten. Die Wirkung dieser Auflage darf bezweifelt werden. Sie wurde auch schon gegen Wieses auf Bewährung verurteilte oder bereits früher freigelassene „Schutzgruppen“_AktivistInnen verhängt. Die Neonazis ignorierten diese „Führungsauflagen“ konsequent: Bei Feiern, in Münchner Gaststätten, bei Neonazikonzerten und auf zahlreichen Neonaziaufmärschen im In- und Ausland treten die ehemaligen Mitglieder der Wiese-Gruppe seit vielen Jahren oft gemeinsam öffentlich in Erscheinung – offensichtlich ohne jegliche strafrechtliche oder polizeiliche Konsequenz.

Karl-Heinz Statzberger li. und Thomas Schatt 2. Reihe re. bei Aufmarsch in Deggendorf  Foto: Jan Nowak
Karl-Heinz Statzberger li. und Thomas Schatt 2. Reihe re. bei Aufmarsch in Deggendorf Foto: Jan Nowak

Wieses Kontakte

Bei den Münchner Neonazis und bei der NPD setzt man lokal auf eine spektrumsübergreifende Zusammenarbeit. Als Sammelbecken dient hier vor allem die „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) um Stadtrat Karl Richter und den NPD-Bezirksvorsitzenden Roland Wuttke. Das erinnert an die Zusammenarbeit Wuttkes und Wieses bei der Münchner NPD oder bei Versammlungsanmeldungen des damaligen rechten Sammelbeckens „Demokratie direkt“. Erinnert werden muss ebenfalls daran, dass Wiese über gute Kontakte in die Kreise Münchner Burschenschaften verfügte. Es war Wieses Feier (zusammen mit Danubia-Burschenschafter Rainer M.) in der „Burg Trausnitz“, die im Januar 2001 zum Ausgangspunkt des neonazistischen Mordversuchs an Artemios T. wurde.

Leugnen der rechtsterroristischen Aktivitäten:

Längst haben sich die Münchner Neonazis auf eine „Sprachregelung“ bezüglich der rechtsterroristischen Aktivitäten der „Kameradschaft Süd“ festgelegt. Vor wenigen Wochen ist dazu noch einmal der Text „Die Bombe des Günther B.“ (gemeint ist der frühere bayerische Innenminister Günther Beckstein!) in der Neonaziszene bundesweit gestreut worden. Vermengt mit der Faszination für Verschwörungstheorien werden die militanten Vorbereitungen von Wiese & Co. dort schlicht als „erfundenes“ Konstrukt des Staates dargestellt. „Unschuldige“ seien verurteilt und inhaftiert geworden, damit die CSU von der Stimmenkauf-Affäre in Trudering habe ablenken können, das ist mittlerweile auch die „Argumentation“ bayerischer NPD-Funktionäre. Keinerlei Distanzierung von rechter Gewalt also; eine solche wäre aber auch ungewöhnlich in einer Szene, deren Ideologie Gewalt immanent beinhaltet und deren Hetze letztendlich immer in Gewalt und Terror enden wird.

Martin Wiese hat sich für diese Solidarität bei den Münchner Neonazis mehrfach revanchiert. Im Herforder Redebeitrag ließ er verlesen: „Durch Euer Durchhalten, durch die Weiterführung des nationalpolitischen Kampfes habt ihr mir mein kleines Opfer für mein Vaterland erträglicher gemacht“. Im Landtagswahlkampf 2008 sprach Wiese sich für eine Unterstützung der NPD aus, denn er „gehe in vielen Punkten mit der NPD konform“: O-Ton Wiese: „Auf alle Fälle lohnt es sich (…) die NPD bei ihrem national-politischen Kampf zu unterstützen.“

Die Münchner Neonazis, Waffen und Gewalt:

Unter den Augen des bayerischen Verfassungsschutz sind bei der „Kameradschaft Süd“ zahlreiche Waffen angeschafft worden, die zum Teil bis heute nicht wieder aufgefunden werden konnten, also noch immer in der Neonaziszene kursieren dürften. Die Herkunft einiger beschlagnahmter Waffen, z.B. von 160 Gramm TNT oder Wieses Handgranate, konnte nie geklärt werden. Auch heute noch treffen sich rechte Gruppen Münchens zu Gotcha- und Soft-Air-Kämpfen. Und posieren, da genügt schon ein Blick in die bekannten Online-Communities, gerne mit Waffen. In Oberbayern sind seit der Verurteilung Wieses „Schutzgruppe“ noch weitere bewaffnete rechte Gruppen aufgeflogen, z. B. die „Wehrsportgruppe Süd“ (Neuburg an der Donau) und die „Wehrsportgruppe Wendelstein“ (Samerberg, Raum Rosenheim). Der neonazistische Freiburger Bombenbauer Thomas Baumann (dessen Attentatspläne nicht von den Behörden, sondern durch AntifaschistInnen aufgedeckt wurden) lief beim Aufmarsch zum 1. Mai 2009 in Ulm neben NPD-Funktionärin Renate Werlberger in den Reihen der Münchner Neonazis. Die dem verbotenen internationalen Neonazinetzwerk „Blood and Honour“ nahestehende Kameradschaft „Jagdstaffel Süd“ (München, Bad Tölz, Geretsried), in deren Reihen heute auch Wieses damaliger Lieferant eines Kalaschnikow-Sturmgewehrs aktiv ist, droht aktuell auf der eigenen homepage ihren Gegnerinnen und Gegnern mit einem Gruppenfoto: Vermummt, mit Axtstielen, Knüppeln und Teleskopschlagstöcken bewaffnet.

Lesetipp:

Die vom a.i.d.a.-Archiv im Jahr 2005 herausgegebene Broschüre „Sprengstoff in München. Martin Wiese, Kameradschaft Süd, NPD“ steht hier bei a.i.d.a. kostenlos zum download bereit.

 

 

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