Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

„Bombenholocaust“: Relativierung der Shoah auf dem Marienplatz

Kurz bevor Teile der Münchner Neonaziszene gemeinsam mit dem Bus zum Großaufmarsch nach Dresden fuhren, versammelten sie sich am Abend des 13. Februar 2009 noch auf dem Münchner Marienplatz zu einer von Roland Wuttke (Mering) angemeldeten „Mahnwache“. Das a.i.d.a.-Archiv dokumentiert den Abend:

 

Unter den 65 TeilnehmerInnen waren bekannte NPD-AktivistInnen um Renate Werlberger und Pia Veitl, der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA)-Kandidat Patrick Bernstein sowie die KameradschaftsaktivistInnen Manuel und Sabrina Heine (Freie Nationalisten München) und Philipp Hasselbach. Martin A. (Geiselhöring) betätigte sich – von der Polizei ungehindert – erneut als Anti-Antifa-Fotograf. Von draußen, jenseits der Absperrgitter, bekamen die versammelten Neonazis  unterstützende Zurufe durch die gemeinsam erschienenen Ingeborg Schmidt („Pro-München“-Kandidatin) und Sigrid Damrau (BIA-Kandidatin). Nur der im Vorfeld von den neonazistischen VeranstalterInnen mit dem Zusatz „NPD“ öffentlich angekündigte Redner Alexander Reichl aus München-Allach tauchte nicht auf. Reichl hatte zuletzt Schlagzeilen mit dem von ihm und dem NPD-Landtagskandidaten Toni Kuster (München) geführten Online-Versand „Nordland München“ gemacht. Der jetzt offline gegangene Versand „Nordland München“ hatte bis wenige Tage vor der Kundgebung versucht, Bekleidung der bei Neonazis beliebten Marke „Thor Steinar“ zu Rabattpreisen zu vertreiben.

The great Dresden Swindle

Vor 64 Jahren, in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945, hatte die Royal Air Force die bis dahin weitgehend verschont gebliebene Stadt Dresden mit großen Bomberverbänden angegriffen. Da für Luftschutz so gut wie nicht gesorgt war, kamen hierbei 15 000 bis 25 000 Menschen um. NSDAP-Gauleiter Martin Mutschmann gab nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Vernehmung zu Protokoll: „Menschen sind natürlich auch viele umgekommen. Aber ich meine nur, die Kunstschätze kann man nicht mehr ersetzen.“ Propagandaminister Joseph Goebbels erkannte, dass mit den Folgen des Bombardements Feindbilder geschaffen und verfestigt werden können, stellte als erster die „Barockstadt Dresden“ in den Vordergrund und agitierte gegen den „alliierten Luftterror“. Seither gibt es den „great Dresden Swindle“, die kollektive Selbstzuschreibung der DresdnerInnen als unschuldige Opfer, bei der nicht individuelle Trauer das Gedenken an die Bombardierung füllt, sondern eine Einebnung oder auch Verdrehung der Positionen von TäterInnen und Opfer vorgenommen wird. Die Bombardierung Dresdens wurde dadurch schnell zu einem Mythos, gestrickt mit den Lügen angeblicher „Menschenjagden“ durch alliierte Tiefflieger auf den Elbwiesen einerseits und der um Dimensionen überhöhten Opferzahlen andererseits.

Alliierte Täter und Deutsche Opfer

Neonazis verfolgen mit dem Aufgreifen des Dresden-Mythos verschiedene Strategien: An den Mythos vom „kollektiven unschuldigen Opfer“, wie er auch im bürgerlichen Gedenken oft zum Vorschein kommt, soll angedockt werden. Der Mythos Dresden soll so eine größere Zahl an TeilnehmerInnen bei rechter Kundgebungen mobilisieren, in Dresden – nach dem Ende der Großmärsche von Wunsiedel und Halbe – ist dazu in den letzten Jahren ein europäisches Großevent installiert worden. In geschichtsrevisionistischer Absicht werden die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert oder gleich ganz negiert. Auf dem Münchner Marienplatz stellten sich die TeilnehmerInnen hinter ein Transparent der „Freien Nationalisten München“: „Vergesst nicht die Toten des Bombenterrors – kein Vergeben den alliierten Tätern“.

Seiten: 1 2 3 4

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen