Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Alles andere als ein Selbstzweck – der Scheungraber-Prozess


Ein Gruselkabinett rechts drehender Anwälte

Die – bis Ende der 1990er Jahre gemeinnützige – „Stille Hilfe“, noch heute geführt von Himmler-Tochter Gudrun Burwitz, kümmert sich seit 1951 um Betreuung, anwaltliche Vertretung und Rehabilitierung von NazitäterInnen und KriegsverbrecherInnen, darunter Klaus Barbie, Leopold Schwammberger, Erich Priebke sowie zuletzt Anton Malloth. Goebel soll sich laut Münchener Abendzeitung außerdem für die „Hilfsgemeinschaft Freiheit für Rudolf Hess“ engagiert und Holocaust-Leugner wie David Irving und Germar Rudolf beraten und verteidigt haben.

Der junge Jenaer Anwalt Christian Stünkel behauptet, nur deshalb ungewöhnlich viele Rechtsextreme und Neonazis gerichtlich zu vertreten, weil in Sachsen-Anhalt und Thüringen einfach so viele „Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund begangen werden“. Der schrillste der drei Vögel auf der Verteidigerbank bei Josef Scheungraber aber dürfte der Oberst der Reserve, Beiratsmitglied beim 1. FC Nürnberg und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Rainer Thesen, sein.

Der passionierte Leserbriefschreiber u.a. an die Junge Freiheit hat umfängliche Beweisanträge gestellt, die im Tenor besagen, dass, wer nicht selbst im Krieg war oder militärische Ausbildung genossen hat, nichts zum Geschehen 1944 in Falzano di Cortona beitragen könne. In einem Aufsatz für die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik mit dem Titel „Erschießungen von Geiseln, Sühnegefangenen und sonstigen Zivilpersonen im II. Weltkrieg“ rechtfertigt er derartige Gräuel – wenn nicht unnötig grausam ins Werk gesetzt – mit damals geltendem Recht.

Er könne, so Thesen, allein aufgrund militärischen Regelements beweisen, dass der Angeklagte nicht nur nicht vor Ort war, sondern auch gar nicht befugt war, einen Befehl dieser Art – nämlich im Rahmen der „Partisanenbekämpfung“ – zu geben. Dass Generalfeldmarschall Albert Kesselring am 17. Juni 1944, also zehn Tage vor dem Massaker in Falzano, anordnete bei Partisanenangriffen alle männlichen Bewohner der betreffenden Orte zu töten und versprach, dabei Exzesse hinzunehmen, hat in Thesens sauberer Soldatenwelt jenseits der sattsam dokumentierten Verbrechen der deutschen Wehrmacht keinen Platz.

Für Thesen, der seine Thesen in schnarrendem Kasernenton und mit schmieriger Arroganz vorträgt, kommt zur Klärung dieser Fragen nur ein Sachverständiger mit dem nötigen Stallgeruch in Frage, nämlich der Junge-Freiheit-Interviewpartner und „Militärhistoriker“ Oberst a.D. Klaus Hammel. Dieser solle u.a. nachweisen, dass eine derartige Aktion „den damals geltenden Vorschriften der deutschen Wehrmacht“ widersprach. Thesen erklärt Laien und selbst HistorikerInnen für nicht in der Lage, den Hergang, militärische Fachbegriffe und die Organisation und Befehlslage in jenem historischen Moment des Massakers zu durchblicken: „Das geht nur mit ihm, dem Sachverständigen!“. Entsprechend dürften die Verteidiger innerlich gekocht haben, als als Sachverständiger für deutsche Uniformen der 38-jährige (!) Budapester (!) Historiker Dr. Christian Ungari souverän vor Gericht aussagte.

Am liebsten wäre es den drei Anwälten, wenn sich irgendwie nachweisen ließe, dass italienische SS-Verbände („Brigata negra“) selbst den Mord in Falzano angerichtet hätten, weshalb sie sich gierig auf die zurückgezogene Aussage des Überlebenden stürzten, die Uniform des Befehlsgebers sei schwarz gewesen. Nach der Anhörung von drei Ärztegutachtern schwand indes die Hoffnung der Verteidiger, eine Verhandlungsunfähigkeit des 90-jährigen „Greises vor Gericht“ nachzuweisen.

Sie rührten nichtsdestoweniger die Opfer-Trommel: Der Ehrenkommandant der heimischen Feuerwehr und Träger der Ottobrunner Bürgermedaille, für den sein CSUBürgermeister Thomas Loderer noch im Juni eine (riskante) Ehrenerklärung abgegeben hat, sei in beispielloser Weise in den Medien und selbst durch die Staatsanwaltschaft vorverurteilt worden. Hier solle zu einem „politisch-historischen Selbstzweck“ in unverantwortlicher Weise ein so alter Mensch vor Gericht gestellt werden.

Dem widersprach die Hamburger Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, die neben dem Überlebenden auch 19 weitere Angehörige und Nachkommen der Opfer als NebenklägerInnen vertritt, energisch: Die NebenklägerInnen wollten, dass für die Tötung ihrer Verwandten Verantwortung übernommen werde, das sei alles andere als ein Selbstzweck.

 

Seiten: 1 2 3 4

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen