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Alles andere als ein Selbstzweck – der Scheungraber-Prozess

Auf ihrem Rückzug zogen deutsche Mordverbände eine Blutspur hinter sich her

Das Gebirgspionierbatallion 818, in dem der 25-jährige Josef Scheungraber die 1. Kompanie führte, war mit der Sicherung der Rückzugslinien, der Instandsetzung bzw. Sprengung von Brücken und Wegen betraut, um den ungehinderten Abfluss deutscher Truppen aus Italien zu ermöglichen. Zu diesem Zweck begaben sich Angehörige des Bataillons am 26. Juni 1944 nach Falzano, wo Tage zuvor PartisanInnen eine Brücke gesprengt hatten. Diese sollte unter enormem Zeitdruck wieder hergestellt werden. Drei Soldaten, die in Falzano Material besorgen sollten, gerieten dabei in einen Hinterhalt und wurden beschossen. Zwei der Soldaten starben, einer konnte verletzt zur Kompanie zurücklaufen und die Truppe alarmieren.

Was nun geschah und welche Rolle Scheungraber dabei spielte, ist Gegenstand der Verhandlung vor dem Landgericht in München. „Aufgebracht“ vom Tod ihrer Kameraden sollen die Gebirgspioniere zunächst deren Leichen geborgen haben, um sie zu beerdigen. Obwohl Scheungraber behauptet, gar nicht vor Ort gewesen zu sein, belegen Fotografien aus seinem eigenen Kriegsalbum, dass er bei der Beerdigung anwesend war.

Scheungraber war also vor Ort und er war als Kompanieführer ein wichtiger, wenn nicht der befehlshabende Offizier. Und auch wenn er heute behauptet, von nichts zu wissen, so liegt doch nahe, dass er angeordnet hat, was der frühere Gebirgspionier Johann F., der als Zeuge aussagte, einen „Racheakt“ nannte. Auch Scheungraber selbst hatte vor drei Jahren einem Beamten des LKA Bayern mehr erzählt als ihm heute lieb sein kann, nämlich dass er die BewohnerInnen des Dorfes aus den Häusern holen und auf dem Dorfplatz zusammentreiben ließ. Der Bürgermeister von Falzano soll ihm dabei behilflich gewesen sein, 17 ortsfremde Männer auszusondern, welche Scheungraber dann der Feldgendarmerie übergeben und nichts mehr von ihnen gehört haben will.

Auch der Zeuge Johann F., der damals als 19-jähriger Gefreiter zu Scheungrabers Kompanie gehörte, lässt seinen „Racheakt“ vor Gericht zu einer Art „polizeilichen Ermittlung“ schrumpfen: Man habe den Befehl erhalten, ein bestimmtes Gelände zu durchkämmen, alle männlichen Personen mitzunehmen und zu einem Sammelpunkt zu führen. Dort sollten sie verhört und nach dem Verbleib der PartisanInnen befragt werden, so reimte es sich der Jüngling angeblich zusammen.

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