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Alles andere als ein Selbstzweck – der Scheungraber-Prozess

Welche Rolle spielte Scheungraber beim Massaker in Falzano?

Nach Ablieferung eines Gefangenen und einigem Hin-und-Her sei er zu neuen Einsätzen abgeholt worden und habe erst Tage später gehört, dass da ein Haus mit Leuten drin gesprengt worden sein soll. Auch die strenge Hartnäckigkeit von Richter Götzl vermochte den Mann nicht aus seiner Begriffsstutzigkeit oder Halsstarrigkeit zu treiben, das Naheliegende und Wahrscheinliche zu berichten.

Auch der Hinweis, dass Scheungraber laut polizeilichem Abhörprotokoll (2007) nicht nur mit ihm, dem Zeugen, telefoniert, sondern ihn gar im Beisein seines damaligen Rechtsanwalts Gerhart Klamert (stramm rechter Aktivist des Gebirgsjäger-Kameradenkreises, der die Verbrechen der Gebirgsjäger anlassbezogen als „Hirngespinste“ oder „Unseligkeiten“ bezeichnet) und eines weiteren Zeugen in einer Kneipe bei Rosenheim getroffen habe, konnte den heute 80-Jährigen nicht zum Reden bringen.

Dann sollen Scheungrabers Leute nicht nur vier ZivilistInnen, darunter eine 74-jährige Frau, im Zuge der Durchkämmung des Geländes erschossen und die Gebäude von Falzano, einem Ort, den es heute nicht mehr gibt, nebst Kirche eines nach dem anderen gesprengt, sondern auch die Gruppe von „ortsfremden“ Männern, unter denen sich der Jugendliche M. befand, in eines der Häuser verbracht haben, um es dann mit ihnen zu sprengen.

„Ich schlotterte vor panischer Angst und ging einfach mit“, berichtete Gino M. als Zeuge in München am 7. Oktober. An einer Mauer aufgereiht mussten sie zunächst einige Sprengungen miterleben und ahnten, als sie in das Haus getrieben wurden, in dessen 1. Stock ZivilistInnen vorher Sprengstoffkisten hinauftrugen, dass sie jetzt sterben würden. Einer sprach es aus, während von außen die Tür mit Draht verschlossen wurde: „Jetzt werden wir alle umgebracht.“

Die Todgeweihten hörten, wie jemand die Treppe zum ersten Stock hinauf ging, wohl um die Sprengung zu zünden, kurze Zeit später hörten sie die Schritte wieder nach unten gehen und erwarteten den Tod. Nichts geschah. Offenbar war der erste Versuch fehlgeschlagen und erneut hörten sie die Tritte ihres Henkers auf der Holzstiege nach oben und wieder hinunter. Dann die Explosion. In das Wimmern unter den Trümmern schossen die Deutschen noch ein, zwei Salven aus einer MP und entfernten sich dann. Gino M. erstickte schier und hörte noch eine Weile das Sterben des Mannes, der auf seinem Körper lag, ehe der starb.

Knackpunkt im Fortgang des Prozesses könnte eine Erinnerung M.s sein, welche die Thesen der Verteidiger zu bestätigen scheint. M. ist sich hundertprozentig sicher, dass die an dem ganzen Geschehen beteiligten deutschen Soldaten Gebirgsjäger waren, die er an der charakteristischen Feldmütze mit Stoffschirm zweifelsfrei erkannte. Nur der Offizier, der in einem Motorradbeiwagen vorfuhr und laut brüllend wohl die Befehle zum grausamen Vergeltungsakt gab, trug M.s Erinnerung zufolge eine Offiziersmütze mit schmalem Schirm aus Hartmaterial. In einer Vernehmung in La Spezia hatte er dessen Uniform und Mütze auch noch als schwarz bezeichnet, was er bei seiner Vernehmung in München als ausgeschlossen widerrief.

Die Verteidiger von Josef Scheungraber nun sind eine illustre Truppe: ein Gruselkabinett von rechts drehenden Anwälten, deren Nähe zu rechtsextremen oder als rechtsextrem geltenden Organisationen unbestritten ist. Es war in jeder Zeitung zu lesen, dass etwa der Münchener Klaus Goebel der „Nazi-Organisation“ – so die Autoren Oliver Schröm und Andrea Röpke – „Stille Hilfe“ nahestehen und 1989 in deren Kuratorium gewählt worden sein soll.

 

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