Zwei Zeugen hatten Köhler gemeinsam mit vier bis fünf anderen Personen in seinem Auto bereits eine Woche vor dem Anschlag in München gesehen. Eine Generalprobe? Doch ermittelt wurden die Begleiter offiziell nie. Im Oktober 1980 prahlte dafür Walter Behle, der mit seinem Chef Karl-Heinz Hoffmann gerade in Damaskus zu tun hatte, an der Bar des Hotels Byblos: „Das waren wir selbst.“ Der Barkeeper wandte sich umgehend an die deutschen Behörden. Doch die Bundesanwaltschaft bezeichnete das Geständnis kurz und knapp als „alkoholbedingte Aufschneidereien“, ein weiteres Geständnis als „nachweislich unwahr“: Am 2. August 1982 läuft der 21-jährige Neonazi Stefan Wagner in Frankfurt Amok. Auf der Flucht vor der Polizei, kurz bevor er sich mit einem Schuss in den Mund selbst tötet, bedroht Wagner einen Mann und sagt: „Ist dir die Wehrsportgruppe Hoffmann ein Begriff? Die Polizei ist hinter mir her. Lebend bekommen die mich nicht. Wenn die mich greifen, kriege ich mindestens zehn Jahre Zuchthaus. Ich war bei der Aktion gegen das Oktoberfest in München dabei.“ Laut Bundesanwaltschaft hatte Wagner ein Alibi.
„Es bleibt der Verdacht, dass mit dieser Bluttat eine allgemeine Krisenstimmung und der Ruf nach einem starken Mann herbeigebombt werden sollte, eine autoritäre politische Lösung mit dem bereitstehenden Kandidaten Strauß an der Spitze. Ähnliche Bestrebungen sind für Italien in den 70er und 80er Jahren nachgewiesen, wo es zahlreiche Bombenattentate gegeben hat – zuletzt noch sieben Wochen vor München in Bologna – und wo die Verstrickung von Politik, Armee, Polizei und Geheimdienst in diese Verbrechen nachgewiesen ist„, resümierte Rechtsanwalt Dietrich in seiner Rede zum 20. Jahrestag des Anschlags.
Sein Antrag auf Wiederaufnahme der Ermittlungen wurde vom Generalbundesanwalt in Karlsruhe abgelehnt.
Bis heute ist die Forderung der Opfer nach einem neuen Verfahren nicht durchgesetzt worden. So ist bis jetzt offiziell nicht geklärt: Gab es Mittäter, Auftraggeber, Hintermänner? „Die Ermittlungen hätten nie eingestellt werden dürfen„, kritisiert Dietrich und bleibt bei seinem Verdacht: „Einige Mittäter laufen wahrscheinlich noch heute frei herum.“
Literaturtipps:
Der Münchner Autor und Journalist Ulrich Chaussy hat in einer akribischen Recherche die offizielle Version der Tat und die Arbeit der Ermittler gründlich demontiert: „Oktoberfest-Attentat“ heißt seine im September 2000 erschienene Hörbuch-CD (62 Minuten, HörbucHHamburg. Telefon: 040/889 139 46).
Aufstehen gegen Naziterror, Rassismus und Antisemitismus: Dokumentation zum 20 Jahrestag des faschistischen Wiesn-Attentats vom 26. September 2000. Herausgegeben vom Bündnis gegen Rassismus mit vielen Redebeiträgen und Texten, 70 Seiten
erschienen im Antifaschistischen Infoblatt Ausgabe 60, 3/2003