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Münchens brauner Gürtel

aibDieser Artikel ist in der Ausgabe #60, 3/2003 des Antifaschistischen Infoblatts erschienen.

Münchens brauner Gürtel

Seit jeher „nationalbewusst“ – das Münchner Umland zwischen Freikorps, Dachau und der CSU

Der Weg führt durch einen Seiteneingang auf den Appellplatz. Eigentlich müsste man genau von der anderen Seite aus hereinkommen, durch das Haupttor mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“. Doch die Anlieger und die örtliche CSU-Stadtratsfraktion haben das bislang verhindert.
Vor dem Ausgang der Ausstellung verstellt eine riesige Landkarte mit den Außenlagern des Konzentrationslager Dachau den Weg: Kleine Punkte, die sich durch Südbayern ziehen – von Fischen im Allgäu bis Salzburg, von Bad Tölz bis Landshut.

Bei Dachau sehen wir uns wieder„, hatte der kommunistische Reichstagsabgeordneter Hans Beimler den Nazis vor der Machtergreifung zugerufen – in Erinnerung an den April 1919. Damals hatte die Rote Armee der Münchner Räterepublik in Dachau die Weißen Konterrevolutionäre zurückgeworfen, die auf München zu marschierten. Die „Weißen“ gewannen doch und richteten in München ein Blutbad unter den linken Revolutionären an. Viele der Mörder kamen aus dem Münchner Umland – so erlangte das Freikorps Oberland traurige Berühmtheit bei der Zerschlagung der Räterepublik. Der Traditionsverband des Freikorps Oberland trifft sich bis heute südöstlich von München, um vergangener Heldentaten zu gedenken.

München geriet nach 1919 zur Ordnungszelle, der vom sozialistischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner ausgerufene „Freistaat“ zur Haftanstalt für Linke, während sich die Rechtsradikalen auf den Putschversuch vorbereiteten. In München und Umgebung organisierten sie sich, machten Schießübungen in Schützenvereinen und schulten sich ideologisch mit antisemitischen Hetzblättern. Und als ein aus dem Nebel der Münchner Bierkeller aufgestiegener Führer 1923 zum Sturm auf die Feldherrnhalle rief, strömten sie begeistert aus dem Umland in die „Hauptstadt der Bewegung“. Ihr Führer wurde in „Ehrenhaft“ genommen und brachte in Landsberg acht Monate lang seine Ideen aufs Papier und später unter dem Titel „Mein Kampf“ unters Volk.

Bei Dachau sehen wir uns wieder.

Nach der Machtübernahme inhaftierten die Nazis Hans Beimler im ersten Konzentrationslager, das Münchens Polizeichef Himmler im März 1933 hatte einrichten lassen – Dachau. Beimler konnte fliehen, Hunderttausende nicht: Dachau wurde zum Synonym für die Verfolgungspolitik der Nazis. Es war die Schule der SS-Wachmannschaften und KZ-Kommandanten und diente als Vorbild für alle weiteren Konzentrationslager. Dachau war die Ausbildungsstätte der Mörder. Und kurz vor der Befreiung geriet es zum Endpunkt des Holocaust. Als die Vernichtungslager im Osten längst befreit waren, starben Tausende von Juden weiterhin in den Dachauer Außenlagern, in den Arbeitskommandos der Firmen, die auch nach 1945 die Elite der Bauindustrie bilden sollten: bei Moll, bei Holzmann und bei Dyckerhoff & Widmann in den KZ-Außenlagern Mühldorf und Landsberg. Der Nationalsozialismus war zu seinem Ausgangspunkt zurückgekehrt: Münchens braunem Gürtel.

Die US-Amerikaner wussten um die Symbolik, als sie in der Landsberger Haftanstalt mehr als 200 Naziverbrecher hinrichteten. Doch nicht einmal ein Jahrzehnt später war das Kriegsverbrechergefängnis aufgelöst, die Kasernen mit Namen von Wehrmachtsgenerälen geschmückt und erneut von deutschen Soldaten bezogen, die meisten Täter wieder im Amt und die Spuren ihrer Taten fast getilgt.

Die Schützenvereine und Gebirgsschützen, die das Rückgrat der aufstrebenden Nazis waren, durften wieder an die Waffen und die Kriegsveteranen gedachten wieder ihrer Helden. Kaum war das Besatzungsstatut 1955 gefallen, marschierten die Veteranen der Gebirgsjäger vor der Feldherrnhalle auf – wenige Jahre zuvor hatten sie eine Blutspur durch Europa gezogen: Mehr als 50 Massaker an der Zivilbevölkerung sind belegt. Auf ihre Kriegstaten sind sie bis heute stolz: Auch im Jahr 2003 kamen wieder Tausende Gebirgsjäger zum Pfingsttreffen bei Mittenwald – und während vorne unter den zwei riesigen Stelen des Gebirgsjäger-Denkmals die CSU-Landtagsabgeordnete, der Landrat, der Bürgermeister und die Pfarrer sprachen, schwoll so manchem Veteranen die Brust unterm Hakenkreuz-Orden.
Der Weg nach Mittenwald von Norden her beginnt in Murnau. Gerade hat der Gemeinderat es abgelehnt, ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus aufzustellen. Seit damals habe es so viele Verbrechen gegeben und die würden bei so einem Denkmal nicht berücksichtigt, so die Begründung.

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