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Kai Dalek und Didier Magnien – Geschichten aus dem bayerischen Geheimdienstsumpf

DIDIER MAGNIEN UND DER RECHTE TERROR

Die extrem rechte 'Nationalzeitung'
Die extrem rechte ‚Nationalzeitung‘ berichtete über den international eingesetzten Verfassungsschutzmitarbeiter Didier Magnien. Reprofoto: a.i.d.a.

Im Sommer 2012 machten Journalist_innen Didier Magnien in einer kleinen Gemeinde auf der Schwäbischen Alb ausfindig. An seiner Haustür ließ sich der ehemalige Geheimdienstler verleugnen, ein Interview lehnte er ab. Dann schickte er jedoch kommentarlos eine email, die anstatt eigenen Aussagen einen Text von „Saint Loup“ enthielt. Unter diesem Alias schrieb der französische Literat Marc Augier, heute noch eine Lichtgestalt für den „Front National“ (FN), über seine Verherrlichung des Nationalsozialismus‘ und seine Kollaboration mit dem NS, über den Kampf gegen den Bolschewismus und über seinen Mut als Abenteurer. Ein Hinweis auf ideologische oder biografische Parallelen des bayerischen VS-Mitarbeiters?

Fünfzehn Jahre zuvor war der 1969 in Nantes geborene Didier Francis Paul Magnien Verantwortlicher der „Parti Nationaliste Français et Européen“ (PNFE) in der Pariser Region Ile de France. Die PNFE war 1987 aus einer Polizeigewerkschaft heraus gegründet worden und galt als der terroristischste Teil des französischen Neofaschismus. Ihre Mitglieder verübten Bombenattentate, u. a. auf ein Café in Paris sowie auf die Büros von Migrant_innenorganisationen in Cannes und Cagnes-sur-Mer. Nach den wenigen bisher bekannten Informationen hat sich Magnien dafür nie vor Gericht verantworten müssen. 1998 trat Magnien der neofaschistischen „Unité Radicale“ (UR) bei, nach eigenen Angaben soll er zudem auch der Sektion „Charlemagne“ der „Hammerskin Nation“ angehört haben.

„Fanatisch und kompromisslos“

Danach wurde Magnien in Bayern aktiv, wo er schon im Oktober 1997 als Vertreter der französischen „Cercles Résistance“ („Widerstandskreise“) auf dem „4. Europäischen Kongress der Jugend“ der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Furth im Wald aufgetreten war. Der Fachjournalist Alfred Schobert entdeckte die aufputschende Rede Magniens später in der Zeitschrift „résistance“ der französischen „Front Européen de Liberation“ (FEL) („Europäische Befreiungsfront“). Magnien beschwor demnach die Versammelten: „Wir müssen fanatisch und kompromisslos sein. Die nationalistische Revolution vorzubereiten, ist keine vergnügliche Zerstreuung, sondern eine Notwendigkeit. Viele Reden (…) doch sehr wenige Taten (…) Es gilt, das System zu zerstören, bevor es uns total zerstört hat (…) Handeln wir!“ Magnien nahm 1998 am „Tag des Nationalen Widerstandes“ der NPD in Passau teil und zog auf das Gelände des ehemaligen „Wehrsportgruppe Hoffmann“-Funktionärs Anton Pfahler in Sinning. Dort hatten sich nicht nur der „Deutsche Stimme“-Verlag der NPD, sondern u. a. auch der NPD/JN-Kader Holger Apfel und Anti-Antifa-Aktivist Norman Kempken niedergelassen. Im Jahr 2002 will es Magnien (der definitiv schon vor diesem Zeitpunkt für den bayerischen Verfassungsschutz arbeitete) gelungen sein, mit dem Neonazikader Norman Bordin und dessen Frau Bekanntschaft zu schließen. So erlangte er schließlich das Vertrauen des in München agierenden Neonazis Martin Wiese.

„Anti-Antifa“ und Waffenbeschaffung

Von Augsburg aus engagierte Magnien sich in dessen „Kameradschaft Süd“ und in der konspirativen „Schutzgruppe“, die militant für ein nationalsozialistisches System kämpfen wollte. „Nathan“, so der von Wiese für ihn vergebene Deckname, brachte den Neonazis in München das Observieren politischer Gegner_innen bei, empfahl einen Einbruch in den linken „Infoladen“ in der Breisacherstraße, wollte eine junge Neonazistin in Antifa-Gruppen einschleusen und soll auch eine Adressliste linker Aktivist_innen an die Neonazis übergeben haben. Während eines Neonazi-Zeltlagers im Frühjahr 2003 in Garmisch-Partenkirchen legte er den Versammelten ein Selbstmordattentat auf dem vollbelebten Münchner Marienplatz nahe („Bumm! 2000 Tote“). Im April 2003 fuhr Didier Magnien mit seinem Opel Astra die Neonazis Martin Wiese, Andreas J. und Alexander M. nach Güstrow. Beim neonazistischen Waffenhändler Peter B. erwarben die Neonazis sechs Pistolen mit Munition. Erst ein halbes Jahr später (!) kam es deswegen zu Durchsuchungen, doch die Waffen konnten bis heute nie aufgefunden werden.

In seinen späteren Aussagen bei der Polizei und vor Gericht entlastete Magnien dann die Neonazis auffallend: von Anschlagsplänen, z. B. auf die Grundsteinlegung für das neue jüdische Gemeindezentrum am 9. November 2003, wisse er nichts. Der Anwältin Wieses bot Magniens Mittun die Gelegenheit, ihren Mandanten zu verharmlosen, der Agent sei ihm „Inspiration“ und „zweites Gehirn“ gewesen. Magnien versuchte dagegen den Eindruck zu erwecken, der Verfassungsschutz hätte über ihn die Gefahren der militanten Neonaziszene jederzeit sicher kontrollieren können. In der ARD-Sendung „Report“ trat der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein 2004 Zweifeln entgegen: Ein „V-Mann“ habe nicht die „ethische Klarheit“, „die ich von einem Kardinal oder einem Bischof erwarte, sondern er ist jemand, der in der Szene mitschwimmt“.

Heute führt der bayerische Verfassungsschutz den Einsatz Magniens regelmäßig in der Öffentlichkeit als Beispiel einer „erfolgreichen“ Operation an. Trotz des offensichtlichen Einschleusens hat nie jemand hinterfragt, ob Magnien wirklich ein „V-Mann“ war, also ein Faschist, der teilweise Infos an die Behörden verriet. Vieles deutet darauf hin, dass der ehemalige Fallschirmjäger der französischen Armee, der sein Geld „offiziell“ vom bayerischen Landesamt für Denkmalpflege bekommen haben soll, stattdessen ein Geheimdienstprofi gewesen ist. Der bayerische Verfassungsschutz hätte in diesem Fall aktiv mitgeholfen, die süddeutsche Neonaziszene mit scharfen Pistolen zu bewaffnen.

Cover der 150. Ausgabe drr
Cover der 150. Ausgabe des Magazins für Antifaschist_innen ‚der rechte rand‘.

Die Texte von Robert Andreasch über Kai Dalek und Didier Magnien erschienen (in einer gekürzten Fassung) zuerst in der letzten Ausgabe des antifaschistischen Fachmagazins „der rechte rand“ (Oktober/November 2014). In der 150. Jubiläumsausgabe des Blattes beleuchten die Autorinnen und Autoren in detaillierten Porträts von 28 Nazi-Spitzeln die Verstrickungen staatlicher Behörden mit der deutschen Neonaziszene. Die Zeitschrift „der rechte rand“ kann hier abonniert werden. Ausgewählte Ausgaben finden sich hier zum kostenfreien download.

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