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Kai Dalek und Didier Magnien – Geschichten aus dem bayerischen Geheimdienstsumpf

Kai Dalek beim Neonaziaufmarsch gegen die sog. ‚Wehrmachtsausstellung‘ des Hamburger Instituts für Sozialforschung in München, 1. März 1997. Foto: a.i.d.a.

In den 1990er Jahren wurde Kai Dalek, seit 1987 Mitarbeiter des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, zu einem der einflussreichsten Neonazis in Süddeutschland. Didier Magnien, ebenfalls Mitarbeiter des bayerischen Verfassungsschutzes, war um die Jahrtausendwende in terroristische Aktivitäten der französischen und deutschen Neonaziszene verstrickt.

KAI DALEK – DER AUFHETZER

Der 1964 in Berlin geborene Kai Markus Dalek zog 1987 aus privaten Gründen ins oberfränkische Marktrodach-Oberrodach. In Berlin soll er für den dortigen Verfassungsschutz die linke Szene ausgespäht haben. Die dortige Behörde übergab ihren Mann nun ordnungsgemäß an die bayerischen Kolleg_innen. Wegen seiner „nationalen Einstellung“ zogen es diese vor, den Spitzel zukünftig in der rechten Szene einzusetzen. Bei Dalek dürfte es sich also nicht um einen klassischen „V-Mann“, sondern um eine Art „verdeckten Ermittler“ („VE“) des Verfassungsschutzes handeln. Der erste Weg führte den Agenten in die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) Michael Kühnens, die sich als „Arm der nationalsozialistischen Bewegung der neuen Generation in der Tradition der SA“ verstand. Bei öffentlichen oder internen Veranstaltungen der militanten Neonaziszene hatte er meistens seine Videokamera dabei und machte Aufnahmen, was ihn schnell zu einer bundesweit bekannten Figur machte. 1989 und 1990 gehörte Dalek schon zum Vorbereitungskreis der ersten Rudolf-Hess-Gedenkmärsche in Wunsiedel.

„Der Einblick“

Auch am Rande linker Demonstrationen tauchte Dalek mit seiner Kamera auf und übernahm 1990 die Leitung des „Antikommunistischen Aktionsbündnis“ (ANTIKO) in den Kreisen der GdNF. Die von Dalek und Co. propagierte Anti-Antifa-Kampagne sollte politische Gegner_innen bekämpfen und zugleich die eigene, zersplitterte Szene einigen. Hinter den Kulissen sorgte Dalek tatkräftig dafür, die Anti-Antifa-Aktivitäten der Neonazis auf ein neues Level zu heben: Der Geheimdienstler schleuste in Nürnberg eine „Nationale Block“-Aktivistin ins Umfeld des antifaschistischen Archivs Abidoz ein. Norman Kempken, Eberhard Hefendehl und Anderen half er, zum Jahreswechsel 1992/1993 die 40seitige Broschüre „Der Einblick“ zu veröffentlichen. Unter dem Titel „Organisiert die Anti-Antifa“ listeten sie 250 Antifaschist_innen und linke Einrichtungen auf, um diesen, so hieß es im Vorwort, „unruhige Nächte [zu] bescheren“. Die Herausgeber_innen des antifaschistischen Standardwerks „Drahtzieher im braunen Netz“ brachten die furchtbaren Konsequenzen der „Anti-Antifa-Kampagne“ in ihrem Buch 1996 auf den Punkt: „Gezielte Jagden und Mordversuche an aktiven Antifaschist_innen gehören in einigen Regionen bereits zum Alltag“.

„Thule-Netz“ und „Anti-Antifa“

Das „Einblick“-Strafverfahren wurde bei Dalek, im Gegensatz zu den anderen Beschuldigten, eingestellt. Dabei speiste er Anti-Antifa-Artikel und Fotos politischer Gegner_innen längst auch in das neonazistische „Thule-Netz“ ein. In dem von 1993 bis 1999 bestehenden Computernetzwerk, mit dem die Führungskader der bundesweiten Neonaziszene verschlüsselt kommunizieren konnten, war Dalek eine zentrale Figur. Über seine Thule-Mailbox „Kraftwerk BBS“, die er unter dem Pseudonym „Undertaker“ betrieb, schlug er militante Töne an, verbreitete Texte der IRA und rechtfertigte die Morde des Neonazis Kay Diesners an Polizeibeamten.

Die antifaschistische Infozeitung Rabatz aus Bayern berichtete 1995 ausführlich über die Aktivitäten Daleks bei der GdNF. Reprofoto: a.i.d.a.
Die antifaschistische Infozeitung Rabatz aus Bayern berichtete 1995 ausführlich über die Aktivitäten Daleks bei der GdNF. Reprofoto: a.i.d.a.

Lokal beteiligte sich Dalek im „Frankenrat“, dem Führungsgremium des 1990 gegründeten „Deutschen Freundeskreis Franken“ (DFF). Prompt gründete sich im DFF eine „Anti-Antifa Franken“. Zusammen mit Jürgen Sünkel (Kronach) und Jürgen Schwab (damals: Amorbach) startete Kai Dalek beim DFF 1993 das Zeitungsprojekt „Junges Franken“, das durch die Kooperation mit der neonazistischen „Berlin-Brandenburger Zeitung“ ab 1994 zu einer der ambitioniertesten Publikationen der Szene avancierte.

Ein Schwerpunkt der professionell gemachten Zeitung war wieder die Anti-Antifa-Arbeit. „Das Komm zerschlagen – Rotfront verjagen“ hieß es beispielsweise auf dem Titel der zweiten Ausgabe und auf der nächsten Seite wurde dazu aufgerufen, dem „ausländerfreundlichsten Mitbürger Frankens“ – in dieser Rubrik wurden Antifaschist_innen namentlich aufgelistet – „eine entsprechende Belohnung“ zukommen zu lassen. Auch die von Dalek bereitgestelle Infrastruktur – in Steinwiesen betrieb er ein „Computer-Grafik-Design-Studio“, in Weissenbrunn die „Sicherheitsfirma“ „Secuguard“ – nutzte der Neonaziszene. Im Jahr 2000 fiel Dalek noch einmal mit einem martialischen Projekt auf: unter dem Pseudonym Markus de Winter gab er das Buch „Personenschutz unter Vollbewaffnung“ heraus.

„Gauführer“ und „Führungskraft“

Bei der (verbotenen) „Nationalen Sammlung“ (NS) brachte es Dalek bis zum „Gauführer Franken“ (ein Verfahren gegen Dalek deswegen stellte die Staatsanwaltschaft München einst ein) und auch beim (verbotenen) „Nationalen Block“ (NB) war er zeitweise mit dabei. Dalek nahm für die Kameradschaften in Nordbayern und Südthüringen gleichermaßen eine führende Stellung ein. Der Abschlussbericht der Thüringer „Schäfer-Kommission“ bestätigt das genauso wie die Aussage Tino Brandts im NSU-Prozess: „Das war in Bayern unsere Führungskraft“. Zwei Beispiele belegen das anschaulich: 1995 führte Dalek den neonazistischen „3. Hans Münstermann-Gedenkmarsch“ im Februar im fränkischen Aschaffenburg an, im Mai war er dann Koordinator des neonazistischen „Sandro Weilkes-Trauermarsches“ der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) im thüringischen Neuhaus.

Kai Dalek und der NSU

1996 zählte Dalek, der längst bundesweit zu den einfussreichsten Neonazis gehörte, zu den Hauptinitiatoren des konspirativ vorbereiteten „Rudolf Heß-Gedenkmarsches“ in Worms, bei dem u. a. Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe teilnahmen. 1997 war Dalek führend auf dem Neonaziaufmarsch gegen die sog. „Wehrmachtsausstellung“ in München tätig, zu dem auch Uwe Mundlos und Co. anreisten. Dalek nahm zumindest einige Male an den Stammtischen des Thüringer Heimatschutzes“ in der Gaststätte „Goldener Löwe“ (Rudolstadt) und weitaus öfter an den sonstigen THS-Veranstaltungen teil. Sein terroristisches Umfeld reichte  schließlich bis zum NSU. Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelte von 1995-1997 gegen ihn und Brandt wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“, das Verfahren wurde aber „mit Hinblick auf die V-Mann-Tätigkeit Daleks“ eingestellt, wie es im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss hieß. Ein Hinweis auf ein enges Verhältnis Daleks zu Mundlos ist schriftlich erhalten: in den 1998 beim Abtauchen von Mundlos hinterlassenen Telefonlisten ist Dalek als „Kai D.“ einmal handschriftlich und einmal maschinenschriftlich eingetragen.

Ob den Neonazistrukturen der 1990er Jahre auch ohne die Hilfe bzw. ohne das Geld der Verfassungsschutzmitarbeiter und V-Personen der Sprung zur Neonazibewegung in den 2000er Jahren gelungen wäre? Kai Dalek soll dem Vernehmen nach mindestens 150 000 Euro für seine Tätigkeit bekommen haben. Wie viele Antifaschist_innen hat er in Lebensgefahr gebracht? Wie viele Menschen hat er zu gewalttätigen Aktionen aufgestachelt? Die von ihm initiierte terroristische Anti-Antifa-Arbeit hat die Aktivitäten der bayerischen Neonazis jedenfalls bis heute nachhaltig geprägt.

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