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„Inszeniertes Durchgreifen“ gegen das „Freie Netz Süd“

Der starke Staat inszeniert sich

Fast eineinhalb Jahre, nachdem ein von der SPD-Fraktion initiierter Verbotsantrag gegen das FNS im bayerischen Landtag einstimmig verabschiedet wurde, stellte sich der Adressat der damaligen Forderung, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, nun als engagierter „Kämpfer gegen rechts“ dar.

LKA-Präsident Peter Dathe (l.) und Innenminister Joachim Herrmann (r.).  Foto. Robert Andreasch
LKA-Präsident Peter Dathe (l.) und Innenminister Joachim Herrmann (r.). Foto. Robert Andreasch
„Meine Damen und Herren, die heutige Aktion zeigt erneut, wie konsequent und entschieden wir gegen Rechtsextremismus vorgehen“, sagte Herrmann auf einer am Mittag einberufenen Pressekonferenz gegenüber den Medien, wobei er das Wort „erneut“ besonders betonte.

Schnell wurde deutlich: Herrmann will mit dem polizeilichen Großeinsatz Imagepflege betreiben, vor allem zugunsten des durch die NSU-Skandale ramponierten Ansehens des bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz. Herrmann lobte den Inlandsgeheimdienst ausdrücklich:

„Der Polizeieinsatz (…) beruht wesentlich auf Erkenntnissen und Vorarbeiten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, das das „Freie Netz Süd“ seit seinem ersten Auftreten Ende 2008 beobachtet“.

Und fügte, wohl im Hinblick auf den bevorstehenden Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses, noch hinzu: „Meine sehr geehrten Damen und Herren, der heutige Einsatz war nur wegen der engen Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei möglich. Dies zeigt, dass es um den Informationsaustausch und um die Kooperation dieser Stellen in Bayern gut bestellt ist.“

Die führenden FNS-Neonazis Thomas Schatt (l., mit Kapuze) und Lorenz Maierhofer (m., mit basecap) nehmen an der Pressekonferenz zu den Razzien im bayerischen Innenministerium teil.  Foto: Robert Andreasch
Die führenden FNS-Neonazis Thomas Schatt (l., mit Kapuze) und Lorenz Maierhofer (m., mit basecap) nehmen an der Pressekonferenz zu den Razzien im bayerischen Innenministerium teil. Foto: Robert Andreasch
„Inszeniertes Durchgreifen“ nennen die Fachjournalist_innen Torben Heine und Henrike Claus in einem im Herbst 2012 in der antifaschistischen Zeitschrift „Lotta“ erschienenen Artikel solche plötzlichen staatlichen Repressionsmaßnahmen, wie die jetztige Großrazzia gegen das FNS. Herrmann inszeniert sich als zentraler Akteur gegen rechts, will das Neonazi-Problem mit juristischen und polizeilichen Mitteln lösen. „Leitbild ist der ’starke Staat'“, wie Heine und Claus schreiben, und bei all den extremismustheoretischen und „ordnungspolitischen Deutungsmustern“ bleibt schließlich kaum Raum für gesellschaftlichen Widerstand gegen Neonazis.

Die Definitionsmacht über die Auseinandersetzung mit rechter Ideologie und rechten Strukturen soll damit ausgerechnet bei denjenigen Behörden liegen, die ansonsten immer eher als „Verharmloser“ der neonazistischen Bedrohung aufgetreten sind. Mit dem von Herrmann so gelobten „Landesamt für Verfassungsschutz“ sollen ausgerechnet diejenigen wieder die Deutungshoheit bekommen, die seit Jahren Antifaschist_innen durch die Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht zu diskreditieren versuchen. Noch im Mai 2013 hatte der bayerische Inlandsgeheimdienst auf dem von ihm betreuten „Bayern gegen Rechtsextremismus“-Portal Nazigegner_innen, die einem spontanen Aufmarsch von Neonazis des „Freien Netz Süd“ am 10. Mai 2013 in Regensburg entgegengetreten waren, als „Linksextremisten“ beleidigt.

Während der Innenminister von „konsequentem“ und „entschiedenem Vorgehen“ gegen die extreme Rechte sprach, demonstrierte sein Ministerium gleichzeitig, was es darunter zu verstehen scheint: Herrmanns Mitarbeiter_innen ließen die beiden bekannten oberbayerischen „Freies Netz Süd“-Aktivisten Thomas Schatt und Lorenz Maierhofer, die seit Jahren vor allem durch Anti-Antifa-Arbeit und aggressives Vorgehen gegen Journalist_innen auffallen, an der Pressekonferenz im Innenministerium teilnehmen.

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