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Bücher zum Thema NSU und rechter Terror

„Neue Nazis“

Toralf Staudt und Johannes Radke legen den Fokus ihres Buches nicht so sehr auf den Terrorismus des „Nationalsozialistischen Untergrund“, sondern auf die Militanz des rechten Spektrums per se. In einem tiefgreifenden Wandel, der in den letzten Jahren stattgefunden hat, änderten sich Auftreten und Erscheinungsbild der Nazis weitestgehend. Die neuen Nazis kommen zugleich bürgerlicher und militanter daher, was nur ein scheinbarer Widerspruch ist.

Am Beispiel Dortmund wird das Auftreten „Autonomer Nationalisten“ und deren Strukturen erläutert, die die altbekannten Skinhead-Strukturen ablösten und der NPD das Wasser abgraben. Diese unabhängig agierenden Gruppen zeichnen sich durch höchste Gewaltbereitschaft und strukturiertes Vorgehen gegen ihre Gegner aus und wurden lange Zeit nicht ernst genug genommen.

Eine Rückblende in die Neunziger Jahre erleichtert das Verständnis des aktuellen Rechtsextremismus. In der Zeit der Wende waren die Bedingungen für den Aufbau rechtsextremer Strukturen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ideal, das allgemein vorherrschende Klima ermöglichte Rechten jeder Couleur Fuß zu fassen. Die militantesten Nazis konnten offen agieren, sich bei Bedarf aber auch hinter den Strukturen gemäßigterer Organisationen verstecken. Es war die Zeit der Pogrome, Wahlerfolge und Waffenbeschaffung. Es war auch die Zeit der Politisierung der drei späteren Jenaer Mörder_innen.

Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund etablierten sich ab 2003 die „Autonomen  Nationalisten“ (AN). Sie rekrutierten sich aus erlebnisorientierten Jugendlichen, denen die NPD zu lasch geworden war, sie verstehen sich als Nationalsozialisten, ohne sich einer Parteistrategie unterwerfen zu wollen. Nach anfänglicher Ablehnung seitens der NPD werden sie von dieser mittlerweile akzeptiert. Die AN bescheren der NPD Aufmerksamkeit und Aktionismus – im Gegenzug nutzen sie die Parteistrukturen, wo es ihnen sinnvoll erscheint und kandidieren manchmal auch auf deren Liste. Eindrucksvoll schildern die Autoren die parteiinternen Querelen innerhalb der NPD im Umgang mit den AN und den Rechtspopulisten.

Das Auffliegen des NSU kam der NPD in dieser Phase höchst ungelegen, wurde doch durch die Ermittlungen in das Licht der Öffentlichkeit gerückt, wie vielschichtig das Verhältnis der Partei zu Gewalt und Gewalttätern in Wirklichkeit ist. Es wird von den Autoren wunderbar herausgearbeitet, dass Gewalt im NPD-Programm geradezu angelegt ist.

Auch die geistigen Brandstifter die sich in den verschiedensten rechtspopulistischen Parteien, Bürgerinitiativen, Blogs und Webseiten tummeln, oder ihre rechtsextremen Ansichten in Büchern verbreiten, finden ausreichend Erwähnung. Je nach politischer Ausrichtung hetzen sie antimuslimisch oder antisemitisch und vergiften so das Klima in Deutschland, sich verbal von Gewalttätern distanzierend und oft genug gezielt Gewalt provozierend.

Rechte Militanz gibt es nicht erst seit dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrund“. Die lange Tradition des Terrors von rechts wird von den fünfziger Jahren bis heute beleuchtet und warnend darauf verwiesen, dass sich in den Strukturen der „Autonomen Nationalisten“ längst ebenfalls terroristische Strukturen entwickelt haben können. Die Autoren weisen darauf hin, dass Neonazis in dem Jenaer Terrortrio durchaus Rollenvorbilder sehen dürften, denen nachzueifern lohnenswert erscheinen könnte.

Das Buch endet mit einem Interview mit einem Aussteiger aus der AN-Szene, das noch einmal Einblicke in die Gedankenwelt dieser Szene aus erster Hand gewährt und „Zehn Tipps für den Umgang mit Neonazis, rechten Drohungen und der NPD“.

Toralf Staud, Johannes Radke, Neue Nazis.Jenseits der NPD: Populisten, Autonome Nationalisten und der Terror von rechts. KiWi 1296, Köln 2012, Kiepenheuer & Witsch, 272 Seiten, 9,99 Euro,  ISBN: 978-3-462-04455-3

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