„Die Zelle“
Christian Fuchs und John Goetz versuchen, die Biographien der drei bis jetzt bekannten Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrund“ bis zu ihrem Untertauchen so detailgetreu wie möglich heraus zu arbeiten. Dabei geht das Buch nicht ganz so streng chronologisch vor, wie „Das Zwickauer Terror-Trio“.
So beginnt „Die Zelle“ im ersten Kapitel mit der Flucht der drei Rechtsterroristen und erst im zweiten Kapitel werden die Biographien der drei späteren Mörder genau beleuchtet. Hier werden den Leser_innen interessante Einblicke in die familiären und gesamtgesellschaftlichen Umstände, in denen die Drei groß wurden, gegeben und ihre zunehmende Radikalisierung und Einbindung in das rechtsextreme Netzwerk beschrieben.
Die Autoren arbeiten gut heraus, wie die Mörder sich in ihrem Denken und Handeln durch die offizielle Politik bestätigt fühlen konnten. Mangelhafte Strafverfolgung rechtsextremer Straftäter wird in einen Kontext gestellt mit revanchistischen Forderungen „Vertriebener“, der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und der breiten Zustimmung der Ortsansässigen zu den Pogromen in Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda.
In spannender Form wird geschildert, wie die drei Terrorist_innen sich in der Illegalität einrichten, fürsorglich umsorgt von einem gut organisierten Unterstützernetzwerk, wie sie ein Doppelleben führen, in dem sie einerseits eiskalte Killer sind, andererseits nette junge Leute, die im Urlaub Zeit mit nichtsahnenden Menschen verbringen oder zu Hause freundliche Kontakte zur Nachbarschaft unterhalten.
Die aufwendig betriebenen Recherchen gewähren auch einen Einblick in die Berichterstattung der Massenmedien und wie die Ermittlungen im Zuge der Mordserie in die völlig falsche Richtung gingen.
Die Autoren konzentrieren sich sehr stark auf das Trio und dessen Umfeld, manchmal hat man als Leser_in das Gefühl, sie wären direkt dabei gewesen, wodurch das Buch natürlich spannend zu lesen ist, manche „Fakten“ allerdings auch eher spekulativ sein dürften.
Wie der Staat bei den Ermittlungen agierte, in wie weit er rechtsterroristische Bestrebungen förderte, wird allerdings nur wenig Raum eingeräumt. Dies kann aber auch im frühen Erscheinungsdatum des Buches begründet sein, manch ein Skandal war bei Drucklegung vielleicht schlichtweg noch nicht bekannt.
Christian Fuchs / John Goetz. Die Zelle – Rechter Terror in Deutschland. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012, 272 S., 14,95 Euro, ISBN 978-3-498-02005-7