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Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

München/Wunsiedel. Mit Bescheid vom 9. November 2009 hat das Münchner Kreisverwaltungsreferat den für den 14. November 2009 geplanten neonazistischen „Heldengedenkmarsch“ durch München verboten. Auch der am gleichen Tag unter dem Motto „Jürgen Rieger – ewig lebt der Toten Tatenruhm“ geplante neonazistische „Gedenkmarsch“ im oberfränkischen Wunsiedel ist vom Landratsamt Wunsiedel am Montag Nachmittag verboten worden.

Das Verbot in München…

Der Münchner Neonazi Philipp Hasselbach hatte -wie im letzten Jahr – zum Volkstrauertag einen Neonaziaufmarsch durch München angemeldet. Das KVR geht davon aus, dass es sich bei dem für 250 Teilnehmende angemeldeten Aufzug eigentlich um eine „Reinszenierung des NS-Feiertags ‚Heldengedenktag‘ handle. Dafür spräche u. a., dass die Versammlung dieses Jahr in nationalsozialistischer Diktion als „Heldengedenkmarsch 2009: Ruhm und Ehre dem deutschen Soldaten“ angemeldet wurde und damit, so KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle auf einer Pressekonferenz am Montag Mittag, „den alleinigen Zweck verfolgt, den nationalsozialistischen Heldengedenkmarsch wieder aufleben zu lassen“. Damit würden, so Blume-Beyerle, die „Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt“. „Kein Zufall“, so der KVR-Chef, sei auch die ständige Herstellung von Bezügen zur Zeit des Nationalsozialismus in den Mobilisierungsmaterialien von Hasselbachs Aufmarsch. Das Mobilisierungsvideo, darauf hatten AntifaschistInnen frühzeitig hingewiesen, zeigt zum Beispiel an zentraler Stelle einen Straßenwegweiser nach Mecheln, den Ort, von dem aus mehr als 25 000 Jüdinnen und Juden von den Deutschen nach Auschwitz deportiert wurden.

…und die Reaktionen

Die Neonazis um Philipp Hasselbach gaben sich, kurz nach dem das Verbot nach Art 15 Abs. 2 Nr.2 BayVersG erlassen wurde, unbeeindruckt. „Es besteht von uns aus gar kein Zweifel, dass wir den Rechtsstreit gewinnen und am Samstag durch München marschieren werden“ verkündete das neonazistische „Münchner Gedenkkomitee zum Erhalt der Ehre unserer Soldaten“. Philipp Hasselbach & Co. erinnerten an das vergangene Jahr, als der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz das damalige Versammlungsverbot noch aufhob. Offensichtlich sind hier die Münchner Neonazis jedoch nicht korrekt informiert. Denn die diesjährige Verbotsbegründung stützt sich insbesondere auf die Geschehnisse beim letzten „Heldengedenkmarsch“, wo revisionistische Redebeiträge gehalten, Transparente wie „Heldengedenken statt Schuldkult“ gezeigt und die Parole „Nationaler Sozialismus“ skandiert wurde(n). Im Nachhinein hätten sich die damals sogar vom BayVGH geäußerten „erheblichen Zweifel (…) ob es dem Antragststeller bei der angemeldeten Versammlung tatsächlich um ein bloßes ’neutrales‘ Gefallenengedenken geht“, mehr als bestätigt. Die 2008 erlassenen Auflagen hätten eben gerade nicht sicherstellen können, eine Inszenierung als „Heldengedenkmarsch im Sinne des damaligen nationalsozialistischen Feiertages“ zu verhindern.

Mit dem Verbot der Veranstaltung schließt sich das KVR der Auffassung vieler NazigegnerInnen an, die in den letzten Tagen darauf hingewiesen hatten, dass ein Verbot des „Heldengedenkmarsches“ 2009 nicht besonders schwer fallen dürfte. Trotzdem bleiben AntifaschistInnen, die in zwei Bündnissen derzeit Gegenaktionen vorbereiten, skeptisch: „Unsere Mobilisierung geht weiter“, heißt es bei den VorbereiterInnen des angekündigten „Antifa Action Days“. Im vergangenen Jahr hätte das kurzfristig eben doch noch aufgehobene Verbot lediglich eine „demobilisierende Wirkung auf NazigegnerInnen“ gehabt und so den Neonazis in die Hände gespielt.

Das Verbot in Wunsiedel

Für den 14. November 2009 hat der NPD-Bundespressesprecher Klaus Beier beim Landratsamt Wunsiedel auch noch einen „Gedenkmarsch“ unter dem Motto „“Jürgen Rieger – ewig lebt der Toten Tatenruhm“ angemeldet, zu dem in der Neonaziszene bundesweit mobilisiert wird. BeobachterInnen rechneten auch hier in den letzten Tagen mit einem kurzfristigen Verbot. Der Wunsiedler Bürgermeister Karl-Willi Beck sagte beispielsweise bei einer Pressekonferenz am Freitag Nachmittag: „In Wunsiedel hat Rieger seine größte juristische Niederlage erlitten. Den Rechten geht es nicht um den Verstorbenen, sondern um Rudolf Heß. Dem Hitler-Stellvertreter soll an diesem Tag gehuldigt werden“. Eine derartige öffentliche Huldigung von Rudolf Heß am Ort seines Grabes kann nach dem derzeitigen juristischen Stand als eine nach  §130 StGB strafbare „Verherrlichung des Nationalsozialismus“ gewertet werden. Auch in einer dem a.i.d.a.-Archiv in München vorliegenden, nur intern weitergegebenen mail an neonazistische Kameradschaften hatte der NPD-Bundespressesprecher Klaus Beier am Wochenende davon gesprochen, dass der „Gedenkmarsch“ wohl erst vor Gericht durchgesetzt werden müsse. Am Montag Nachmittag war es dann soweit: Das Landratsamt Wunsiedel erließ nach Medieninformationen einen Verbotsbescheid. Ein Kooperationsgespräch mit dem Veranstalter, das am vergangenen Freitag stattfand, habe die Befürchtung nicht ausräumen können, dass es sich beim geplanten Marsch in Wirklichkeit um ein getarntes „Rudolf-Heß-Gedenken“ handle. Der beabsichtigte Versammlungsablauf beinhalte ebenso wie die beabsichtigte Aufzugsroute eine eindeutige Assoziation mit den Heß-Gedenkmärschen der vergangenen Jahre. Landrat Dr. Karl Döhler wies darauf hin, dass die Verherrlichung der NS-Diktatur  den Straftatbestand des § 130 Abs. 4 StGB erfülle. Eventuellen gerichtlichen Auseinandersetzungen sieht Döhler laut einem TV-Oberfranken-Bericht gelassen entgegen: „Die Begründung für das Verbot der Versammlung ist so umfassend, so lückenlos und so schlüssig, dass ich im Vertrauen auf unseren Rechtsstaat und die Gerichte fest davon ausgehe, dass sie auch einer gerichtlichen Auseinandersetzung standhalten wird.“

Die vom Kreisverwaltungsreferat in München festgestellte Absicht der Neonaziszene, „nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten“ und den „Zweck der Verherrlichung (…) der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft (zu) verfolgen“ wird bei der Münchner Polizei bisher nicht als strafbare Handlung nach §130 StGB angesehen. Strafverfahren gegen die Verantwortlichen seien ihm „noch nicht bekannt“, antwortetete Polizei-Vizepräsident Robert Kopp auf die Anfrage eines Journalisten. Eine Ordnungswidrigkeitsanzeige könnte Philipp Hasselbach & Co. vom KVR drohen: Entgegen der Stadionordnung des Stadions an der Grünwalder Straße hatten zehn Neonazis am Freitag beim Spiel der Amateure des TSV 1860 München gegen Frankfurt in der „Stehhalle“ Propagandamaterial für den Aufmarsch am 14. November verteilt.

 

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