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Nach Heß-Marsch nun Rieger-Marsch

Der NPD-Bundesvorstand hat für den 14. November 2009 in Wunsiedel einen „Gedenkmarsch“ für den verstorbenen Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger angemeldet. Mit dem bundesweit beworbenen Aufmarsch soll offensichtlich an die Tradition der in den letzten Jahren verbotenen „Rudolf-Heß-Gedenkmärsche“ angeknüpft werden. In Süddeutschland häufen sich nun am Wochenende 14./15. November neonazistische „Trauermärsche“.

Trauerhype

Die „Trauer“ um den am 29. Oktober verstorbenen Neonazi-Aktivisten Jürgen Rieger (63, Hamburg) entwickelt sich in der rechten Szene zu einem regelrechten hype. Es boomen die Einträge in „online-Kondolenzbücher“ und Nachrufe mit den pathetischsten Bekundungen werden verfasst. Die Phrasen auf den Tod des Rassisten Rieger quellen über vor SS-Losungen, Hymnen an Odin und Walhall und der Beschwörung von Kameradschaft und Fortführung des „Kampfes“. Gleichzeitig tobt mittlerweile unter norddeutschen Neonazis ein bizarrer Streit um eine nichterfolgte Notarzt-Alarmierung nach Riegers Schlaganfall auf der NPD-Bundesvorstandssitzung am 24.10.2009 in Berlin.

J. Rieger am 18.07.2009 in München. Bild: Robert Andreasch

Rieger-Marsch in Wunsiedel

Weil die Kinder Jürgen Riegers, die mit der extremen Rechten nichts zu tun haben, keine Anwesenheit der „Kameraden“ bei der Bestattung wünschen, hat nun der NPD-Bundesvorstand gehandelt. Für Samstag, 14. November 2009, 14.00 Uhr hat die neofaschistische NPD nun im oberfänkischen Wunsiedel einen „Gedenkmarsch“ für Jürgen Rieger unter dem Motto „Ewig lebt der Toten Tatenruhm“ angemeldet. Die NPD ruft „alle Kameradinnen und Kameraden des nationalen Widerstandes auf, sich dem Gedenken für einen großen Deutschen anzuschließen.“

In Wunsiedel hatte Jürgen Rieger jahrelang die mittlerweile verbotenen „Rudolf-Heß-Gedenkmärsche“ angemeldet. In der Stadt führte das NPD-Vorstandsmitglied Rieger auch eine Version seiner berüchtigten „Immobilien“-Kaufinszenierungen auf. Er würde, posaunte er im Jahr 2007 zusammen mit dem NPD-Aktivisten Thomas Wulff an die Öffentlichkeit, den leerstehenden Gasthof „Waldlust“ erwerben, um dort ein „Rudolf-Heß-Zentrum“ für die regionale Neonaziszene zu errichten. Damals konnte Jürgen Rieger so die Stadt Wunsiedel zwingen, das überteuerte, ungenutzte Gebäudeensemble zu übernehmen. Im nahegelegenen Warmensteinach droht der Münchner Lehrer Peter Stiedl seit Oktober 2008, die in seinem Besitz befindlichen „Pension Puchtler“ für 1,84 Millionen an den braunen Immobilienjongleur Rieger zu verkaufen. Der sprach öffentlich wieder von einem „Rudolf-Heß-Zentrum“, einmal auch von einer „nationalen Siedlung“ mit fünf Grundstücken. Wohl um eine angebliche Kaufabsicht zu unterstreichen, trat Jürgen Rieger im September 2008 gar im Warmensteinacher Gasthof bei einer NPD-Veranstaltung auf.

Aufmarsch über Aufmarsch

Der jetzt in Wunsiedel angemeldete Aufmarsch kollidiert mit zahlreichen anderen Märschen, die Neonazis anläßlich des Volkstrauertages an diesem Wochenende durchführen woll(t)en: So findet am Samstag im brandenburgischen Halbe das vom „Freundeskreis Halbe“ vorbereitete geschichtsrevisionistische Soldatengedenken (Motto „Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten und den europäischen Freiwilligen“) statt.

Vor allem in Süddeutschland scheint eine Terminkollision unvermeidlich: Am Samstag planen Neonazis bereits, zum Volkstrauertag einen „Fackelmarsch“ durch Arnstadt (Thüringen) durchzuführen. Die „Antifaschistische Gruppe Südthüringen“ (AGST) geht zudem davon aus, dass Neonazis wie in den vergangenen Jahren einen (nicht angemeldeten) „Fackelmarsch“ in Friedrichroda veranstalten. Neonazis aus Bayern, Baden-Württemberg, dem Saarland und Rheinland-Pfalz bereiten (wie seit 1963 in jedem Jahr) für Sonntag, 15. November 2009, ein „Heldengedenken“ am „Ehrenmal Panzergraben“ im baden-württembergischen Rheinau-Memprechtshofen vor, zu dem mehrere hundert TeilnehmerInnen erwartet werden. Am Vortag (Samstag, 14. November 2009) hat der Münchner Neonazi Philipp Hasselbach, Aktivist bei den „Freien Nationalisten München“ (FNM) und in der NPD-Liste „Bürgerinitiative Ausländerstopp“, einen in nationalsozialistischer Tradition „Heldengedenkmarsch“ benannten Aufzug durch die Münchner Innenstadt angemeldet. Aufmarschmotto und Mobilisierungsmaterial drücken ziemlich unverhohlen eine (nach §130 StGB möglicherweise strafbare) „Verherrlichung des Nationalsozialismus“ aus. Der Aufruf stieß in neonazistischen Kreisen bisher nur auf geringe Resonanz.

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