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Neonazis provozieren bei der Georg-Elser-Denkmalseröffnung

Am Dienstag Abend leuchtete um 21.20 Uhr zum ersten Mal die Lichtinstallation „8. November 1939“ der Frankfurter Künstlerin Silke Wagner am Münchner Georg-Elser-Platz auf, die das Erinnern an das mutige Attentat Elsers auf Adolf Hitler kreativ transportiert.

Neonazis aus München und Oberbayern störten kurz zuvor die feierliche Eröffnung in der Maxvorstadt. Karl Richter und Philipp Hasselbach verhöhnten Georg Elser als „Massenmörder“.

Das Georg-Elser-Denkmal

70 Jahre nach der vorbildlichen Aktion Georg Elsers widmet die Stadt München dem Schreiner, der Adolf Hitler im Bürgerbräukeller in Haidhausen mit einer Bombe töten wollte, ein Kunstwerk. Über dem Georg-Elser-Platz an der Türkenstraße, in der Nähe seines Wohnorts, leuchtet nun jeden Tag von 21.20 Uhr bis 21.21 Uhr das Datum des Attentats in einer Wandinstallation auf – der 8. November.

Auf dem Georg-Elser-Platz hatten sich am Dienstag, 27. Oktober 2009, zur Eröffnung des von der Frankfurter Künstlerin Silke Wagner gestalteten Georg-Elser-Denkmals hunderte interessierte BürgerInnen eingefunden. Bevor die stlisierte „Detonation“ zum ersten Mal leuchtete, las Schauspieler Stefan Hunstein aus den Verhörprotokollen der Gestapo nach Elsers Verhaftung. Der Münchner Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers gab seiner Hoffnung Ausdruck, „dass das Kunstwerk zur lebendigen Erinnerung an Georg Elser in München wird. Vielleicht ist es auch geeignet, ein Kompass zu sein, wenn es um eigene Wertmaßstäbe oder um die eigene Zivilcourage geht.“ Und Zivilcourage war kurze Zeit später tatsächlich gefragt.

Neonazis provozieren

Etwa zwei Dutzend oberbayerische und Münchner Neonazis pferchten sich an der Ecke Schellingstraße/Türkenstraße in ein Karree aus Absperrgittern, nur wenige Meter vom Georg-Elser-Platz entfernt. Die angemeldete Kundgebung war im Vorfeld nicht öffentlich bekannt geworden.

Das derzeitige Personalproblem der Münchner Neonaziszene wurde wiedereinmal offensichtlich, denn es waren fast ausschließlich bekannte AktivistInnen der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) bzw. der Neonazikameradschaften „Freundeskreis Gilching“, „Freie Nationalisten München“ und „Nationale Solidarität Bayern“ vor Ort.  Unter ihnen die BIA-Vorstandsmitglieder Roland Wuttke (Mering), Karl Richter, Philipp Hasselbach (beide München), Ron Appelt (Gauting), Michael Hutter (Miesbach) und Stefan Wöhrle (Neubiberg). Außerdem bekannte AktivstInnen aus der Münchner rechten Szene, u. a. NPD-Kandidatin Renate Werlberger und Aufmarsch-Anmelder Sven Grams von den „Freien Nationalisten München“ (FNM) innerhalb der Gitter, bzw. BIA-Kandidatin Sigrid Damrau und Pro-München-Kandidatin Ingeborg Schmidt außerhalb der Absperrungen. Neben Pappschildern „Ein Denkmal für einen Sprengstoffmörder – Pfui Teufel!“ hielten die Neonazis in der Kundgebung ein Transparent der BIA mit der Aufschrift „Kein Denkmal für Sprengstoffmörder“ hoch.

Neonazistische Hetze

Studierende aus der nahegelegenen Universität, BesucherInnen der Denkmalseröffnung und AnwohnerInnen strömten jedoch schnell zusammen und schafften es, mit lauten Rufen („Nazis raus!“, „Aufhören!“ und „Haut ab!“) die mit einem Megafon verstärkte Nazi-Hetze zu übertönen. Insbesondere gelang dies bei der Rede Philipp Hasselbachs, der vor wenigen Tagen als Angeklagter vor Gericht noch eine Abkehr von einer „Krawall- und Radau-Politik“ angekündigt hatte. Jetzt hetzte Hasselbach gegen den Widerstandskämpfer Georg Elser, nannte ihn „einen Mann, der Menschen aus dem Leben gerissen hat“ und gleich mehrmals einen „verurteilten Sprengstoffmörder“. Das ist nicht nur politisch hanebüchener Unsinn, sondern schlichtweg falsch: Georg Elser wurde nie verurteilt, einen Prozess gegen ihn wollte sich das NS-Regime unbedingt für die Zeit nach dem „Endsieg“ aufbewahren. Elser wurde ohne Prozess und Urteil 1945 im Konzentrationslager Dachau ermordet. Den Protestierenden hielt Hasselbach entgegen: „München ist unsere Stadt“, aber es ging im Lärm unter.

NS-Verherrlichung pur

Wenn der Widerstandskämpfer Georg Elser straffrei ein „Massenmörder“ genannt wird und die Verbrechen des Nationalsozialismus, die Massenmorde und die Massenmörder des Nationalsozialismus nicht erwähnt werden, dann wird der Aggressor Deutschland zum Opfer gemacht, dann geht es den Neonazis aus NPD und BIA eindeutig um eine Verherrlichung des Nationalsozialismus.

Offensichtlich völlig unvorbereitet musste auch BIA-Stadtrat Karl Richter etwas sagen, und weil auch er nur „Aufhören!“-Rufe erntete, beschimpfte er nach nur wenigen Sekunden in seiner Rede diejenigen, die er gerade noch als „liebe Münchnerinnen und Münchner“ begrüßt hatte, als „Gehirnamputierte“. Richter improvisierte eine Rede vor allem aus den ständig wiederkehrenden Satzbausteinen „Sprengstoffattentäter“ und „Massenmörder“: Beispiele: „Man wird kein Land finden, wo einem Sprengstoffattentäter und Massenmörder an einer Münchner Schule ein Denkmal gesetzt wird“; „Die einzige Schule weit und breit mit einem Denkmal für einen Massenmörder“; „Sprengstoffattentäter“; „…hat mit seinem feigen Sprengstoffanschlag Unschuldige in den Tod gerissen“; „Massenmörder“; „Wer Unschuldige in die Luft sprengt, ist für uns kein Vorbild, uns schon gar nicht an einer Grundschule“; „Sprengstoffattentäter“; „Dagegen stehen wir auf, das lehnen wir ab“ bot er seinesgleichen als Alternative an: „Alle können sicher sein, wir werden mehr werden (…) Reiht Euch ein in unseren Widerstand gegen Denkmäler für Sprengstoffmassenmörder (…) und gegen moralische Verkommenheit in unserer Stadt“.

Weitere Provokationen

Nach dem Ende ihrer Kundgebung tauchten die Neonazis bei der Feier zur Denkmalseinweihung auf und stellten sich mit Kerzen und Schildern provozierend genau unter dem Detonations-Denkmal an der Wand der Grundschule am Georg-Elser-Platz auf.

Die Störaktion hätte als Beweis der Frechheit und des gesteigerten Selbstbewußtseins der Münchner Neonaziszene andernorts durchaus erfolgreich sein können. Das Gedenken der vielen EröffnungsteilnehmerInnen an die mutige Tat Georg Elsers konnte jedoch interessanterweise kaum gestört oder im neonazistischen Sinn umdefiniert werden. Das Auftauchen der Nazis bewirkte am Dienstag Abend erstaunlicherweise das Gegenteil von dem, was die NPDler und KameradschaftsaktivistInnen vermutlich bezweckt hatten: Nicht Ärger und Frustration über die Provokation dominierten die Stimmung, sondern die Notwendigkeit eines antifaschistischen Gedenkens an den Widerstandskämpfer Georg Elser in der heutigen Zeit wurde überdeutlich.

Nach einem kurzen Moment der Verblüffung stimmten viele Anwesende in ein kräftiges „Nazis raus!“ ein und bedrängten die Neonazis zunehmend. Daraufhin kam endlich auch Leben in die Reihen der Polizei, die mit einem Großaufgebot an USK und Zivilbeamten die Neonazis skandalöserweise in die antifaschistische Gedenk-Veranstaltung hineinbegleitet hatte. Nach einigen Minuten entschied sich die Einsatzleitung doch noch anders und die Neonazis mussten von der Veranstaltung, bei der sie nichts verloren hatten, abrücken.

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