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Rieger wieder als Hotelkäufer im Gespräch

Warmensteinach. Erneut soll NPD-Vizechef Jürgen Rieger laut Medienberichten als Käufer eines Hotels in Aktion treten. Diesmal ist ein Landgasthof im oberfränkischen Warmensteinach (Landkreis Bayreuth) im Gespräch, der für den Hamburger Neonazi vor allem den Vorteil der Nähe zu Wunsiedel bieten würde. Am kommenden Wochenende soll in der Region eine "Privatveranstaltung" zu Ehren des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß stattfinden.

 Offenbar geht in der 2.300-Einwohner-Gemeinde im Fichtelgebirge schon seit Tagen das Gerücht um, der Traditionsgasthof Puchtler stehe kurz vor dem Verkauf an den Hamburger Jürgen Rieger. Am Freitag Abend tagte der Gemeinderat in einer Sondersitzung, am heutigen Montag wollte die Bezirksregierung Oberfranken über den Fall beraten. Man prüfe derzeit, was rechtlich möglich sei, sagte eine Sprecherin der Bezirksregierung im Anschluss an die Beratung, bei der Vertreter der Gemeinde, des Landratsamtes und der Polizei beteiligt waren. Die Gemeinde will den Verkauf an Rieger jedenfalls verhindern.

Die Nürnberger Nachrichten berichten, der Besitzer des 10.000 Quadratmeter großen Anwesens sei sich bereits mit Rieger einig, schon in dieser Woche solle der Notartermin stattfinden.Seit 1896 besteht der Gasthof als Familienbetrieb. Besitzer ist ein 59-jähriger Gymnasiallehrer aus München, der laut dem Zeitungsbericht genau weiß, an wen er den Landgasthof verkaufen will. Betrieben wird das Lokal mit etwa 60 Betten, Biergarten, Saalbau und Theaterbühne von der Mutter und drei Tanten des Eigentümers Peter S.

Gut 20 Kilometer ist es bis nach Wunsiedel, wo die Neonazi-Demonstration zu Ehren von Rudolf Heß wahrscheinlich auch in diesem Jahr nicht stattfinden wird. Als Ersatz hatte Rieger eine "Privatveranstaltung" angekündigt, die "im Umkreis um 30 Kilometer von Wunsiedel" stattfinden sollte.

Angeblich soll Rieger bereit sein, 1,8 Millionen Euro für das Anwesen zu zahlen. Vor eineinhalb Jahren hatte er sich um das Restaurant "Waldlust" in Wunsiedel bemüht, wo als braune touristische Attraktion ein "Rudolf Hess Gedächtnis- und Dokumentationszentrum" eingerichtet werden sollte. Rieger ließ dort schon mal seinen Kumpanen und Handlanger Thomas Wulff auftauchen, schließlich kaufte die Stadt Wunsiedel den Gasthof für einen ungenannten Betrag.

Dafür dürfte die Gemeinde Warmensteinach auf keinen Fall genügend Mittel haben. Der Eigentümer hatte der Gemeinde bereits einmal den Gasthof zum Kauf angeboten, doch die hatte abgelehnt. Ob Rieger sich jedoch tatsächlich einen Hotelbetrieb anschaffen will, ist nicht ausgemacht. In dem für Wintersport ausgelegten Ort ist mit Tourismus und Gastwirtschaft seit der Öffnung der innerdeutschen Grenze 1989 und seit Wintern mit ausbleibendem Schneefall nicht mehr allzu viel zu verdienen.

Vor diesem Hintergrund ist das Interesse des Eigentümers nachvollziehbar, den Gasthof zu einem ordentlichen Preis loszuwerden. In punkto Verwertung von Besitztümern dürfte Peter S., der an einem Münchner Gymnasium die Fächer Wirtschaft und Recht unterrichtet, nicht weltfremd sein. Nach vorliegenden Informationen ist der Gasthof-Verkäufer an seiner Schule unter anderem als Betreuer eines Bankenplanspiels für Schüler tätig. Doch dass Rieger tatsächlich an solch einer Immobilie interessiert ist, scheint fraglich. Schließlich hat er schon mehrfach ein Kaufinteresse nur vorgespielt, wie etwa in Verden und Delmenhorst oder in Melle.

Möglicherweise ist der Hamburger Neonazi vor allem an einem Veranstaltungsort für das kommende Wochenende interessiert. Laut Medienberichten soll sich bereits jetzt in Warmensteinach ein "bekannter Münchener Rechtsextremist" aufhalten, bei dem es sich um Norman Bordin handeln dürfte. Bordin hatte in der bayerischen Landeshauptstadt in den vergangenen Jahren Kundgebungen zum Jahrestag des Heß-Todes organisiert, die er als "einzige in der BRD zugelassene Mahnwache zum Gedenken an Rudolf Heß" angepriesen hatte. Im letzten Jahr hatte die Stadt München diese Heß-Kundgebung erstmals verboten, vor wenigen Tagen hatte Bordin die Anmeldung für die diesjährige Veranstaltung zurückgezogen. Damit verdichtet sich der Verdacht, dass die von Rieger angekündigte Heß-"Privatveranstaltung" im Warmensteinacher Gasthof Puchtler stattfinden soll. Die Polizei soll bereits seit Tagen "unauffällig" das Gelände des Gasthofs und die Zufahrtsstraßen überwachen.

In Wunsiedel wird am kommenden Samstag auf jeden Fall ein "Tag der Demokratie"als Protestveranstaltung gegen die Heß-Ehrungen der Neonazis stattfinden. Die Bürgerinitiative "Wunsiedel ist bunt" hat bereits Kontakte nach Warmensteinach geknüpft, im Laufe der Woche soll über eine gemeinsame Aktion entschieden werden. Angekündigt ist von einer Warmensteinacher Initiative bereits ein Protestmarsch am Samstag durch die Gemeinde.

[Der Artikel erschien erstmals am 11.08.08 auf redok.de . Die Veröffentlichung auf aida-archiv.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors]

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