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NPD-Chef macht sich an Ahmadinedschad heran

Mainz. Bei einem schweren Fehltritt haben sich NPD-Chef Udo Voigt und sein Stellvertreter Sascha Roßmüller vor laufender Kamera erwischen lassen. Gegenüber vermeintlich freundschaftlich verbundenen iranischen Journalisten machten die beiden aus ihrem Herzen keine Mördergrube: Voigt leugnete den Massenmord an den europäischen Juden, Roßmüller träumte von iranischen Geldströmen für die NPD. Auszüge der Interviews, die für Voigt strafrechtliche Folgen haben könnten, wurden gestern im TV-Polit-Magazin Report Mainz gesendet.

Unter Freunden fühlten sich die NPD-Funktionäre offenbar, als iranische Journalisten sich zum Gespräch in der NPD-Parteizentrale einfanden und nach den Ansichten der Rechten fragten. Die Iraner überreichten Voigt zunächst artig ein gerahmtes Bild des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad als Gastgeschenk, bevor es zur Sache ging.

Angesichts solcher Freundschaftsbekundungen hielt Voigt mit seinen Aussagen nicht hinterm Berg. Zum Stichwort "multikulturelle Gesellschaft" fiel ihm ein, dass diese auf "Plänen" beruhten, "die die Alliierten nach dem Kriege beschlossen haben, um Deutschland zu zerstören". Sein Vize Roßmüller sekundierte, es handle sich um eine "Fortsetzung des Zweiten Weltkrieges nur mit anderen Mitteln". Vieles wäre "anders gelaufen", wenn nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs "mehrere Wehrwolf-Einheiten hier sich noch erfolgreicher hätten zur Wehr setzen können" – aber das sei "eben leider nicht so gewesen". Dabei ging Roßmüllers Blick, nach Zustimmung und Rückversicherung heischend, mehrfach zu dem stumm neben ihm sitzenden Arne Schimmer, Pressesprecher der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. Doch auch der im "Thor Steinar"-Pulli gekleidete Pressemann konnte das PR-Unheil nicht verhindern.

Was denn für ihn "Deutschland" bedeute, machte Voigt im Rundumschlag klar: "Pommern, Westpreußen, Ostpreußen, Schlesien" seien Gebiete, "auf die wir natürlich Anspruch erheben". Doch nicht nur Gelände "unter polnischer Verwaltung" will Voigt in Besitz nehmen, sondern auch nach Süden richtete sich sein Blick: "Es gibt ja auch Österreich, zählt ja auch zu Deutschland."

Dann sprachen die iranischen Journalisten ein Thema an, mit dem der iranische Präsident sich Ende September internationales Gespött zugezogen hatte, als er befand, dass es im Iran keine Homosexuellen gebe. Für Vogt sind Schwule "abnormale Menschen", wie er den Iranern anvertraute. Viele Menschen würden heutzutage homosexuell, "weil sie einfach glauben, es gehört dazu", obwohl sie eigentlich "gar keine Veranlagung dazu haben".

Schließlich kam das Gespräch auf ein Thema, bei dem Voigt das Mikrophon zur Seite schob und im vertraulichen Tonfall klarmachte, was ihn mit dem Holocaustleugner Ahmadinedschad verbindet:

"Die sechs Millionen kann nicht stimmen. Es kann maximal 340.000 in Auschwitz umgekommen sein. Da sagen zwar die Juden immer, auch wenn nur ein Jude umgekommen ist, weil er Jude ist, ist das ein Verbrechen. Aber es ist natürlich ein Unterschied, ob wir für sechs Millionen zahlen oder für 340.000."

Dem NPD-Chef war offensichtlich nicht bekannt, dass Entschädigungsleistungen nicht gemessen an der Zahl der getöteten Holocaust-Opfer gezahlt wurden, sondern an die Überlebenden und damit gemessen an deren Zahl – aber ihm kam es erkennbar auch in erster Linie nicht auf Fragen der Entschädigungen, sondern auf sein Zahlenspiel zur Minimierung der Holocaust-Opfer und damit auf die Rehabilitierung des Nationalsozialismus an. "Und dann ist auch irgendwann die Einmaligkeit dieses großen Verbrechens – angeblich eines großen Verbrechens – dann fällt auch die Einmaligkeit weg", so die Hoffnung des Parteivorsitzenden.

Nachdem Voigt sich die Geschichte zurechtgelogen hatte, gab er sich auch schon mal dem Wunschtraum hin, als Abgeordneter "im nächsten Deutschen Bundestag" den Holocaust leugnen zu können, ohne dafür bestraft zu werden.

Beim Weg in den Bundestag stellen sich der NPD allerdings einige Hürden: so etwa die finanzielle Misere der Partei, die nicht zuletzt auf jahrelange Verstöße gegen das Gesetz und betrügerische Tricks zurückzuführen ist. Im Interview warb Roßmüller um Zusammenarbeit der iranischen Regierung mit der NPD. Das Journalisten-Stichwort von "finanzieller Hilfe" nahm er freudig auf: das wäre "auch sehr wichtig". Probleme gäbe es schon dabei, nämlich wie man solch illegale Parteienfinanzierung aus dem Ausland an den deutschen Behörden vorbeischmuggelt, aber: "Es gibt immer Wege, wenn man will". Und dann hielt er die Journalisten offenbar für Kundenberater aus Teheran: "Gibt es Möglichkeiten über iranische Banken, dass die NPD Zugang zu Konten hat?"
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses Sebastian Edathy kündigte bereits an, Strafanzeige gegen Voigt zu erstatten. Der Anspruch auf ehemals deutsche Gebiete sei "sozusagen die Aufforderung gegen geltendes Völkerrecht zu verstoßen". Insbesondere die Leugnung des Holocaust dürfte jedoch für Voigt unangenehme Folgen haben.

Völlig neu sind Bemühungen der NPD um Zusammenarbeit mit Islamisten allerdings nicht, mit denen sie weltanschaulich vor allem durch den Antisemitismus verbunden sind. Schon im Oktober 2002 hatte Voigt gemeinsam mit Horst Mahler eine Veranstaltung der Hizb ut-Tahrir in Berlin besucht. Zur sogenannten "Holocaust-Konferenz", die im Dezember 2006 in Teheran stattfand, hatten die Veranstalter auch die NPD eingeladen; die Partei zeigte sich zwar interessiert, schreckte aber vor unliebsamen Folgen zurück. Die NPD-Leute hätten wohl ihre Reisepässe abgeben müssen, wie der frühere NPD-Vorsitzende Günter Deckert und Horst Mahler: damit wurde von den deutschen Behörden die Anreise der beiden nach Teheran verhindert. Es blieb von Seiten der NPD bei der Teilnahme eines Kölner NPD-Funktionärs.

In den eigenen Reihen riefen die Interviews heute teilweise entsetztes Aufstöhnen aus. "Wie kann man sich bloß so auf's Kreuz legen lassen", hieß es da, "soviel politische Dummheit macht sprachlos".

Mit seinen Aussagen vor der Kamera hatte Voigt tatsächlich gegen die eigene Parteitaktik verstoßen, zum Holocaust keine öffentlichen Stellungnahmen abzugeben. In internen Schulungsunterlagen der NPD wird nachdrücklich festgelegt: "Auf den Themenkomplex Holocaust, Kriegsschuldfrage 1939 und Nationalsozialismus sollte sich mit dem Hinweis auf die Gegenwartsaufgaben der NPD niemand festnageln lassen." Fassungslos über das Voigt-Interview gab ein NPD-Mann zu Protokoll: "Ich kann mich noch an NPD-Schulungen in den Achzigern erinnern, wo gesagt wurde, daß man sich öffentlich nicht auf Zahlenspiele, Auschwitz, Juden und KZs einlassen solle. Der Schulungsleiter hieß übrigens Udo Voigt."

Nun könnte Udo Voigt in ganz anderer Weise als beabsichtigt die Nachfolge seines Amtsvorgängers als NPD-Vorsitzender, Günter Deckert, antreten. Deckert hatte sich Mitte der 1990er Jahre mit seinen Holocaust-leugnenden Aktivitäten zwei Jahre Haft ohne Bewährung wegen Volksverhetzung eingehandelt. In Neonazi-Internetforen wird mittlerweile schon über eine Nachfolge als Parteivorsitzender spekuliert und dem sächsischen Fraktionschef Holger Apfel unterstellt: "Apfel dürfte gestern vor Glück an die Decke gegangen sein."

[Der Artikel erschien erstmals am 11.12.07 auf redok.de. Die Veröffentlichung auf aida-archiv.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors]

 

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