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Konzert verschoben, Diskussion angekündigt

Das für den den kommenden Sonntag geplante Konzert der Münchner Philharmoniker, bei dem im Jüdischen Gemeindezentrum ein Stück des erklärten Antisemiten Hans Pfitzner gespielt werden sollte, wird verschoben. Die Philharmoniker und das Kulturreferat der Stadt München wollen erst eine Diskussionsveranstaltung anbieten.

In einer heute veröffentlichten knappen Erklärung heißt es, „aufgrund der um die Person des Komponisten Hans Pfitzner entstandenen Debatte“ wollten Kulturreferat und Philharmoniker „dem Gesprächsbedarf Rechnung tragen“ und „in absehbarer Zeit“ eine öffentliche Diskussion veranstalten. Das für den Sonntag geplante Konzert werde auf einen Zeitpunkt nach dieser Veranstaltung verschoben; Termine für die Diskussion wie auch für das Konzert wurden nicht genannt.

In der Erklärung wird Pfitzners eingefleischter Antisemitismus nicht erwähnt. Sie bezieht sich ausschließlich auf das Kammerkonzert, das am 28.10. im Hubert-Burda-Saal im Neuen Jüdischen Zentrum am Jakobsplatz stattfinden sollte; von den zahlreichen geplanten Pfitzner-Aufführungen der Konzertsaison im Gasteig ist dagegen nicht die Rede.

Aus der heutigen Erklärung geht nicht hervor, ob an der angekündigten öffentlichen Diskussion auch der Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker, Christian Thielemann, teilnehmen wird. Er hatte schon in seiner Zeit als Generalmusikdirektor in Nürnberg wegen seiner Pfitzner-Aufführungen in der Kritik gestanden. Laut Thielemann hatte sich der Antisemit Pfitzner „bei den Nazis angedient“, doch das störte den Dirigenten nicht: „Das hatte mich alles gar nicht interessiert, weil ich das Stück einfach nur schön fand“. Schön fand Thielemann in Nürnberg auch, im Silvesterkonzert „was Schmissiges“ zu spielen, wie er 1996 dem Spiegel verriet: „Warum denn keine Märsche? Den Badenweiler nicht – der steht ja auf dem Index, ich weiß gar nicht, warum.“ Offenbar war dem Dirigenten in der Stadt der Reichsparteitage nicht bekannt, dass der Badenweiler der Lieblingsmarsch Hitlers war, der per Polizeiverordnung exklusiv für Auftritte des „Führers“ reserviert war.

Der Spiegel schrieb am 01.10.2007 über den 48-jährigen Dirigenten: „Nach einem von dem Dirigenten angestrebten Prozess wegen ihm zugeschriebener antisemitischer Äußerungen steht er vor allem im Ausland im Ruf, nicht nur ein grandioser Musiker, sondern auch ein großer Rechter zu sein.“ Gemeint war ein Prozess, mit dem sich Thielemann in Berlin erfolgreich gegen das Gerücht wehren konnte, er habe den möglichen Weggang von Daniel Barenboim aus der Hauptstadt mit einem schlimmen antisemitischen Ausdruck („Juderei“) kommentiert.

In einem arte-Interview im Jahr 2004 verwahrte er sich gegen „politisch motivierte Kritiken“ und gegen die „Verbissenheit“ der „political correctness“, die als eine der „Spätfolgen der 68er“ auch in Deutschland grassiere: „jeder der dagegen ist, wird verunglimpft, in die rechtsradikale Ecke gestellt“. Zwei Jahre später sagte er in einem Interview mit dem Nordbayerischen Kurier: „Ich habe ein großes Faible für Pfitzner. Ich bin sehr für den so genannten dunklen deutschen Klang.“

Thielemann, dem der Spiegel „Deutschtümelei“ zuschreibt, will gemeinsam mit der Urenkelin Richard Wagners, Katharina Wagner (29), die Leitung der Bayreuther Festspiele übernehmen, die bislang noch in den Händen von Katharina Wagners Vater Wolfgang Wagner (88) liegt.

Die Süddeutsche Zeitung hat im Feuilleton jetzt noch einmal in Erinnerung gerufen, was der Komponist Pfitzner kurz nach dem Ende des „Dritten Reiches“ im Juni 1945 geschrieben hat – also im gleichen Jahr, in dem er sein Sextett komponierte, das die Münchner Philharmoniker im Jüdischen Gemeindezentrum aufführen wollen.

„Das Weltjudentum ist ein Problem & zwar ein Rassenproblem, aber nicht nur ein solches, & es wird noch einmal aufgegriffen werden, wobei man sich Hitlers erinnern wird & ihn anders sehen, als jetzt, wo man dem gescheiterten Belsazar nur zu gern den bekannten Eselstritt versetzt. Es war sein angeborenes Proletentum, welches ihn gegenüber dem schwierigsten aller Menschenprobleme den Standpunkt eines Kammerjägers einnehmen ließ, der zum Vertilgen einer bestimmten Insektensorte angefordert wird. Also nicht das ,Warum‘ ist ihm vorzuwerfen, nicht, ,daß er es getan‘, sondern nur das ,wie‘ er die Aufgabe angefaßt hat, die berserkerhafte Plumpheit, die ihn dann auch, im Verlauf der Ereignisse, zu den Grausamkeiten, die ihm vorgeworfen werden, führen musste.“
Hans Pfitzner: „Glosse zum II. Weltkrieg“

[Der Artikel erschien erstmals am 26.10.07 auf redok.de. Die Veröffentlichung auf aida-archiv.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors]

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