Gemeinsame Presseerklärung des Kreisjugendrings München-Stadt, der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) Kreisverband München, des Vereins InSight e.V. und der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. (A.I.D.A.):
Die Münchner Polizei hat sich unter Androhung polizeilicher Gewalt Zutritt zu der Veranstaltung "Im Blickpunkt: Was tun gegen Rechts?! Opfer stärken – Tätern Grenzen setzen" verschafft, um die Podiumsdiskussion von KJR, dju, Insight e.V. und A.I.D.A. zu "beobachten und zu überwachen". Die Veranstalter brechen daraufhin ihre Informationsveranstaltung unter Protest ab und kündigen juristische und politische Schritte gegen diesen massiven Angriff der Münchner Polizei auf die Meinungs- und Pressefreiheit an.
Die Münchner Polizei hat sich am vergangenen Mittwoch, 19. Juli, unter Androhung von Gewalt Zugang zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung über Rechtsextremismus und rechte Gewalt verschafft. Die Podiumsdiskussion unter dem Motto "Was tun gegen Rechts" fand vor rund 60 TeilnehmerInnen im Eine-Welt-Haus statt. Auf dem Podium wollten die Journalistin und Leiterin der "Mobilen Opferberatung
Sachsen-Anhalt", Heike Kleffner, das Vorstandsmitglied des Kreisjugendrings München-Stadt, Roland Wehrer, und der BR-Journalist und Münchner dju-Sprecher Thies Marsen über die zunehmenden Gefahren durch rechte Gewalt und Neonazis informieren und diskutieren.
Rund 20 zivile und uniformierte Polizisten des Dezernats 14 des Münchner Polizeipräsidiums verhinderten schließlich, dass die Veranstaltung wie geplant stattfinden konnte. Zuvor hatten zwei zivile Staatsschutz-Mitarbeiter (Dezernat 14) versucht, sich in die Veranstaltung einzuschleichen, um, wie beide mehrfach vor Zeugen später betonten, die Veranstaltung "zu bobachten und zu überwachen" unter Mitführung von Tonaufnahmegeräten. Da sich die beiden Beamten jedoch zuvor sonderbar benahmen, wurden sie als Polizisten erkannt, zur Rede gestellt und schließlich unter Berufung auf das Hausrecht vom Veranstalter aufgefordert, den Saal zu verlassen. Eine halbe Stunde später verschafften sich die beiden Staatsschutzbeamten dann mit Unterstützung uniformierter Kollegen und unter Androhung polizeilicher Gewalt erneut Einlass.
Die Veranstalter protestieren auf das Schärfste gegen das Vorgehen der Münchner Polizei. Auch die TeilnehmerInnen aller Altersgruppen empörten sich über die Anwesenheit und das Vorgehen der Polizei und lehnten die Überwachung entschieden ab.
Auch auf mehrmalige Nachfrage der Veranstalter nannten die Beamten weder Gründe für ihre Anwesenheit noch den Anlass ihres Auftrages der Überwachung. Statt offensiv gegen gewaltbereite Neonazis vorzugehen, nimmt die Polizei offensichtlich Bürgerinnen, Bürger, Verbände und Gewerkschaften ins Visier, die sich über Rechtsextremismus, die Unterstützung von Opfern und die gesellschaftlichen Gefahren rechter Gewalt informieren und sie diskutieren wollen.
Dazu der Sprecher der dju-München Thies Marsen: "Die Münchner Polizei überhört und reagiert nicht, wenn – wie am 9. November vergangenen Jahres geschehen – Neonazis in der Münchner Öffentlichkeit NS-Größen verherrlichen (siehe Berichte der SZ). Gewerkschafter, Journalisten und Mitarbeiter der Jugendhilfe, die sich gegen Neonazis engagieren, sollen dagegen verdeckt ausgehorcht werden. Das Polizeipräsidium München geht offensichtlich lieber gegen die Verteidiger von Demokratie und Zivilgesellschaft vor als gegen deren Feinde", so dju-Sprecher Thies Marsen. "Das ist ein Skandal erster Güte. Eine der Lehren aus dem Nationalsozialismus war es, Polizei und Geheimdienst strikt zu trennen, um eine Gesinnungspolizei für die Zukunft auszuschließen." Die Münchner Polizei missachte nun diese für ein demokratisches Gemeinwesen elementare Trennung, um ausgerechnet Bürgerinnen und Bürger auszuspionieren, die ein Wiedererstarken der Nationalsozialisten verhindern wollen.
Zugleich betonte Marsen, dass gegen einen Dialog mit den Sicherheitskräften über ein gemeinsames Vorgehen gegen Neonazis nichts einzuwenden sei. "Da liegt bei der Münchner Polizei schließlich noch einiges im Argen." Eine geheime Überwachung sei jedoch das genaue Gegenteil eines Dialogs und mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar.
Die betroffenen Verbände und Gewerkschaften kündigen hiermit juristische Schritte gegen die beiden Münchner Polizisten und die verantwortlichen Einsatzleiter an und fordern gleichzeitig die Münchner Stadtspitze, den Stadtrat und das Bayerische Innenministerium auf, politische und rechtliche Maßnahmen zu ergreifen, um die offenbar aus dem Ruder laufenden Staatsschutz-Beamten im Münchner Polizeipräsidium zu stoppen. Die Veranstalter protestieren aufs Schärfste gegen diesen massiven Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Die veranstaltenden Organisationen befürchten für die Zukunft auch die Überwachung anderer Gruppen, Vereine und Initiativen.