Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Münchens brauner Gürtel

 

 

Inzwischen nützen die Rechten diese Freiräume und die Schwäche der örtlichen Antifa immer dreister aus: Seit Anfang 2003 haben sich Neonazis und Rechtskonservative in München zu einem Projekt zusammengetan: Unter dem Titel Demokratie direkt läuft der Versuch der regionalen Selbstorganisation rechter Gruppen über Parteigrenzen hinweg. Die Allianz reicht vom Republikaner-Stadtrat Johann Weinfurtner über Anhänger der Deutschlandbewegung Alfred Mechtersheimers bis hin zur „freien Kameradschaft“ um Martin Wiese.

Der braune Gürtel zieht sich zu. Nicht nur, dass die Kameradschaften und militanten Nazi-Skins, die bislang eher in der Provinz ihr Unwesen trieben, verstärkt in der Stadt Präsenz zeigen. Eines der vorrangigen Ziele von Demokratie direkt ist die Denunziation politischer Gegner. Und was der Verein regelmäßig auf seiner Homepage über linke Personen veröffentlicht, ist gut recherchiert. Als Ursprung mancher Infos kommen nur interne Quellen aus der linken Szene oder dem Verfassungsschutz in Frage. Die Anti-Antifa hat München erreicht.

Des Neonazi liebstes Kind aber bleibt die NS-Zeit. Dreimal schon sind die Rechten in München gegen die „Wehrmachtsausstellung“ aufmarschiert. Bei der CSU, die beim ersten Mal noch den ideologischen Schulterschluss mit den Neonazis suchte, ist man inzwischen klüger geworden. Nicht einmal Peter Gauweiler wollte noch laut an den Verbrechen deutscher Wehrmachtssoldaten zweifeln, als die Ausstellung das zweite Mal an der Isar gastierte. Denn die bayerische Staatspartei hat inzwischen die Taktik gewechselt: Früher schwieg man über die Verbrechen, ließ buchstäblich Gras über die Tatorte wachsen. So sind von den elf KZ des Kauferinger Außenlagerkomplexes, wo bis zum April 1945 15.000 Menschen ermordet wurden, nur noch ein paar Überreste eines einzigen Lagers erhalten – weil eine private Initiative den Grund aufkaufte. Seither liegt sie in endlosem Streit mit Stadt und Staat. In Dachau dauerte es zwanzig Jahre, bis die Überlebenden dort endlich eine Gedenkstätte durchgesetzt hatten, dreißig weitere, bis 1995 erstmals ein bayerischer Ministerpräsident dieser einen offiziellen Besuch abstattete.

Am 50. Jahrestag der Befreiung besuchte Stoiber Dachau, bewilligte Gelder für den Umbau und eröffnete sich so die Möglichkeit, bei der Darstellung der Vergangenheit mitzureden. Gerade wurde eine Gedenkstättenstiftung gegründet, in der Kommunalpolitiker und Staatsminister das Sagen haben, während die Organisationen der Überlebenden draußen bleiben – und, wie die VVN/BdA, als demokratiefeindlich weiter vom Verfassungsschutz überwacht werden.

In der neuen Ausstellung des KZ, die gerade eröffnet worden ist, wird darüber berichtet, wie Dachauer Firmen Geschäfte mit dem KZ machten. Der Dachauer Oberbürgermeister war darüber so erbost, dass er drohte, Ähnliches in Zukunft zu verhindern. Den Zugang durchs Haupttor hat die Stadt Dachau auch so erfolgreich blockiert – die Besucher der Gedenkstätte müssen das einstige Lager weiterhin durch einen Nebeneingang betreten.

erschienen in AIB , Nr. 60, 3/2003

 

Seiten: 1 2 3

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen