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Die (Selbst-) Darstellung der Burschenschaften in den Medien

Korporierte in München.  Foto: Robert AndreaschDie „Burschenschaftliche Gemeinschaft“ (BG), der am weitesten rechtsaußen stehende Zusammenschluss von Burschenschaftern überhaupt, plant, ihr 50-jähriges Bestehen mit einem „Festkommers“ am 16. Juli 2011 in München zu feiern. Die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus in München (firm) und a.i.d.a. informieren im Vorfeld mit einer Artikelserie über die „Deutsche Burschenschaft“ (DB) und die „Burschenschaftliche Gemeinschaft“ (BG). Im dritten Beitrag beschreibt Christian Schwarz an ausgewählten Beispielen, wie Burschenschaften in den Medien dargestellt werden oder sich selbst darstellen.

Studentenverbindungen in den Massenmedien

In den Massenmedien sind Studentenverbindungen nicht häufig Thema. Selbst die Auswüchse der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) und ihrer völkischen „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ (BG) finden nur selten Erwähnung in regionalen und überregionalen Medien. Meist wird die Thematik nur sehr oberflächlich angekratzt, was auch für die kritische Berichterstattung gilt, wie z. B. kürzlich zum Burschentag der DB in Eisenach (Stichwort „Ariernachweis“).

Dieser Artikel soll die mitunter verharmlosende und unreflektierte Berichterstattung aufzeigen und hinterfragen. Dazu soll zunächst kurz auf die prominente Thematisierung von „Studentenverbindungen“ im Münsteraner Tatort „Satisfaktion“ (ARD, 2007) eingegangen und die damaligen Reaktionen seitens der BILD-Zeitung sowie des Berliner Tagesspiegels analysiert werden. Als zweite Beispiel dient ein Artikel des „Süddeutsche Zeitung“ (SZ)-Redakteurs Marc Felix Serrao, der sich in einem Artikel im Januar 2011 sehr unkritisch und unreflektiert mit Studentenverbindungen befasst hatte. Er hatte in seinem Beitrag Vertreter der Göttinger Burschenschaft „Hannovera“ ausführlich zu Wort kommen lassen, um so linke Kritiker_innen als Gewalttäter_innen darzustellen. Gerade dieses Beispiel der im Allgemeinen als eher linksliberal bezeichneten SZ ist alarmierend. Es zeigt, dass es im Moment nicht einmal gelingt, die einschlägig rechten Umtriebe vieler Korporationen kritisch im gesellschaftlichen Diskurs zu verankern – geschweige denn die grundsätzlich autoritäre und antifeministische Struktur aller Studentenverbindungen.

Der Münsteraner Tatort „Satisfaktion“ und seine Resonanz

2007 präsentierte der beliebte Münsteraner Tatort um das Ermittlerduo Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) seine sonntägliche Leiche im Milieu studentischer Verbindungen (1). Im Durchschnitt 8,1 Mio. Menschen (2) sahen dabei zu, wie ein altes Skelett mit Einschussloch im Kopf gefunden wurde, sich Rechtsmediziner Boerne als Alter Herr „outet“ und sich am Ende im Kettenhemd mit dem Bruder des Verstorbenen duelliert. Der Fokus wird im Film sehr auf das Thema der Rituale (Trinkgelage und Fechten) und Seilschaften gelegt und weniger auf die politischen Inhalte. Professor Boerne tritt hier als „Verteidiger“ des Korporationswesens auf und wird von Serrao in seinem Artikel mit den saloppen Worten zitiert: „Corps, Burschenschaft, Sängerschaft, ist doch alles dieselbe braune Soße.(…) Wir sitzen da in unseren Erdhöhlen, schwenken Hakenkreuzfahnen und grölen laut das Deutschlandlied, alle 97 Strophen. Allerdings nur, wenn wir nicht gerade kleine Kinder fressen.“ (3) Als Gegenspieler wird u. a. Kommissar Thiel inszeniert, der den Seilschaften und Ritualen nichts abgewinnen kann und kompromisslos die Ermittlungen vorantreibt. Den Zuschauer_innen wird trotz der saloppen Worte Boernes insgesamt ein kritisches Bild vom Korporationswesen vermittelt. Eine negative Darstellung, die in den beiden folgenden Rezensionen kritisiert oder zumindest verharmlost wird.

Die BILD-Zeitung und ihre Sicht auf den Münsteraner Tatort

Der Artikel der BILD über den „Tatort“ (mit der Überschrift: „Gibt es wirklich diese blutigen Rituale?“ (4)) versucht die „Ehre“ der Verbindungen zu retten und tritt als Anwalt der Verbindungen auf, indem im Hinblick auf die Rituale des Fechtens und Trinkens unkritische Fragen „beantwortet“ werden. Interessantes Detail: Einer der beiden Autoren (Christoph Wüllner) war selbst Mitglied in der Verbindung „Aenania“ zu München (5). Von einem unabhängigen, distanzierten Artikel ist also schon von vorherein nicht auszugehen. In Bezug auf die Entstehung von Verbindungen folgt nach dem Hinweis auf die Revolution 1848 der Satz: „Alle Korporationen wurden unter den Nazis verboten.“ Weitere Erklärungen oder Hinweise bleiben aus, z. B. dass ein Großteil als Kameradschaften im NS-Studentenbund weiter existierte (6) und auch das 1945 tatsächlich und zwar durch die Alliierten erlassene Verbot überdauerte.

Beim Thema Alkoholkonsum wird ein Zwang negiert, was im Widerspruch zu vielen Trinkritualen der „Kneipe“ und des „Kommers“, welche im sog. „Comment“ festgelegt sind, steht (7). Zu den Aufnahmekriterien wird schlicht behauptet „Einige Korporationen nehmen auch Frauen auf, die meisten aber nur Männer.“ Alexandra Kurth, Politologin an der Uni Giessen, schreibt dazu:

„Ein genauerer Blick auf die betreffenden Verbände zeigt, dass (…) nur etwa 116 tatsächlich potentiell Frauen aufnehmen, da es fast alle Verbände den Einzelverbindungen freistellen, über die Öffnung für Studentinnen zu entscheiden, womit der tatsächliche Anteil auf zirka elf Prozent sinkt. Zwar existiert keine Statistik, in die Mitgliederzahlen nach Geschlecht aufgeschlüsselt wären, der Frauenanteil in den betreffenden Verbindungen liegt jedoch weit unter 50 Prozent, so dass der Gesamtanteil von Verbindungsstudentinnen inklusive der seit den 1970er Jahren neu gegründeten 18 Damenverbindungen bei etwa einem bis fünf Prozent liegen dürfte.“ (8)

Die BILD-Zeitung versucht hier, die Realität zu verzerren und lässt z. B. außer Acht, dass Mitgliedsbünde in der DB nur deutschstämmige Männer mit Wehrdiensterfahrung annehmen. Wäre das allein nicht schon genug Propaganda im Sinne der Studentenverbindungen, wird zudem auch gleich noch eine Begründung für eine Mitgliedschaft mitgegeben: „Hier wird das Lebensbund-Prinzip gepflegt, Freundschaften fürs Leben aufgebaut. (…) Wichtig sind gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Wertvorstellungen.“ Zu guter Letzt wird für weitere Informationen auf die Internetseite „Tradition mit Zukunft“ verwiesen, die eine Plattform für Verbindungsstudenten u. a. zur „Förderung des couleurstudentischen Austauschs“ (9) ist. Letztendlich ist eine solche Berichterstattung der BILD-Zeitung nicht überraschend, denn neben dem Co-Autor des Artikels ist auch der BILD-Chefredakteur, Kai Diekmann, kein unbeschriebenes Blatt in Sachen Korporation. Als „Alter Herr“ der „Burschenschaft Franconia“ in Münster (10) wünscht er sicher keine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik. Eine Krähe hackt da der anderen kein Auge aus…

In einer ähnlichen Weise ist die Rezension des Tagesspiegels „Alte Verbindungen“ (11) formuliert: Bedauert wird, dass der Tatort streckenweise „ins allzu Erwartbare und in die bekannten Vorurteile gegen schlagende und nichtschlagende Verbindungen [abdriftet]. Es ist schon ein arg strapaziertes Klischee, wenn sich bei der Stiftungsfeier im Verbindungshaus die halbe Korporiertenvereinigung nach reichlichem Biergenuss übergibt.“

Auch wenn diese beiden Rezensionen von ihrem Tenor her sicherlich zu einer Minderheit zu rechnen sind, so erreichen sie durch ihre Bekanntheit und Auflage ein Millionenpublikum und beeinflussen damit den Diskurs um eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik Studentenverbindungen bzw. Burschenschaften.

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