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Die (Selbst-) Darstellung der Burschenschaften in den Medien

„Geschlagene Verbindungen“?

„Narben, Biersuff, braune Soße: Studentische Bünde leiden unter vielen Vorurteilen. Ihre Gegner machen keine Unterschiede – und greifen immer öfter an. Ein Plädoyer für Toleranz.“ Schon im Untertitel von Marc Felix Serraos SZ-Artikel wird klar, in welche Richtung der Beitrag abzielt: Studentenverbindungen als „Opfer“ böser, linker „Verbindungsfeinde“ zu präsentieren, die alle Korporationen in einen Topf schmeißen würden. Der Artikel gibt den Verbindunsstudenten und Burschenschaftern ausgiebig Raum, um sich als Opfer zu stilisieren, was eigentlich so gar nicht zu ihrem sonst nach außen getragenen Verständnis von „Ehre“, „Disziplin“ und „Männlichkeit“ passt.

Marc Felix Serrao, der für den Artikel zu Gast bei der Göttinger Burschenschaft „Hannovera“ (Mitglied in der DB) war, geht ausführlich auf eine Erhebung von Frank Grobe (Alter Herr der Burschenschaft „Teutonia Aachen“) im Auftrag des „Convent deutscher Akademikerverbände“ (CDA) angefertigte „Studie“ („Gewalt gegen Korporationen: Statistische Erhebung für das Jahr 2010“ ) ein. Die Rede ist darin von angeblich bundesweit 100 Übergriffen auf Korporationen, wobei die Hälfte Sachbeschädigungen darstellen sollen (12). Verwiesen wird ferner auf Parolen im Internet, wie beispielsweise von der „Jugend Antifa Göttingen“, die auf ihrer Webseite angeblich „Burschenschaften abreißen!“ fordere (13). In der Kausalkette soll dies mit anderen Beispielen, wie z. B. geschmierten Nazi-Parolen für die Klage über „linke Gewalt“ herhalten, was doch einige Fragen aufwirft. Um seine These zu belegen, dass Kritiker_innen der Studentenverbindungen nicht zwischen den verschiedenen Studentenverbindungen unterscheiden, wird zudem der Reader der Antifa TU Berlin falsch zitiert. In Bezug auf die Burschenschaften wird darin zwar von „offen antisemitisch[em], rassistisch[em], nationalistisch[em] und revisionistisch[em]“ Charakter gesprochen – die Corps, Turnerschaften und Damenschaften dagegen werden nicht, wie von Serrao behauptet, in diesen Topf geschmissen, sondern als Verbindungen mit „konservativ-reaktionären Geist“ kritisiert (14). Im weiteren Verlauf trauert Serrao dem früheren gesellschaftlichen Ansehen der Korporationen nach:

„Vergessen ist auch das 19. Jahrhundert, in dem die Aufnahme in eine Korporation von links nach rechts (…) für Akademiker selbstverständlich war. Lange vorbei sind auch die Wirtschaftswunderjahre, in denen sich Spitzenpolitiker und Industriekapitäne untereinander an ihren Renommierschmissen er- und anerkannten.“

Doch ein „letzte[r] große[r] Vertreter dieser Art“ finde sich noch: der Aufsichtsratschef der Allianz, Henning Schulte-Noelle, dessen linke Wange eine Narbe einer Mensur für das Corps „Borussia Tübingen“ trägt. In diesem Abschnitt zeigt sich ganz klar Serraos Sympathie für das Korporationswesen mit seinem elitären Geist und dem Schmiss als „ehrbares“ Erkennungsmerkmal. Doch zurück zu Serraos Besuch bei der Hannovera: Ihr Ruf sei trotz ihrer Mitgliedschaft in der DB doch „relativ liberal“ und mit „der legendär hübschen Opernsängerin Jenny Lind hatte sie im 19. Jahrhundert sogar mal eine Frau zum Mitglied.“ Alles also gar nicht so schlimm? In einer Presseinformation des „Basisdemokratischen Bündnisses“ an der Universität Göttingen heißt es dazu:

„Es wird der Eindruck vermittelt, dass studentische Verbindungen einer Hexenjagd seitens aktiver Antifaschist*innen ausgesetzt wären. Doch gerade das Beispiel der Hannovera in Göttingen zeigt das genaue Gegenteil. So fand 2009 auf dem Haus der Hannovera ein Vortrag des Geschichtsrevisionisten Karlheinz Weißmann statt. Weißmann gilt als Vordenker der Neuen Rechten und publiziert in der rechten Wochenzeitung ‚Junge Freiheit‘. (…) Im November 2004 organisierte die Burschenschaft Holzminda in Kooperation mit der Hannovera einen Vortrag des Ex-KSK-Generals Reinhard Günzel. Dieser hatte den antisemitischen Äußerungen Martin Hohmanns zugestimmt und war weiterhin durch geschichtsrevisionistische Äußerungen aufgefallen, in denen er seiner Truppe eine Disziplin ‚wie bei der Waffen-SS‘ abverlangte.“ (15)

Eine Schlüsselperson der Hannovera, Christian Marcel Vollradt, publiziert zudem seit 1998 in der „Jungen Freiheit“ und seit 2003 bei der vom neurechten „Institut für Staatspolitik“ (IFS) herausgegebenen Zeitschrift „Sezession“ aktiv. Auch gehörte er zu den Erstunterzeichner_innen des Aufrufs „Kritische Solidarität mit Martin Hohmann“. Hohmann war wegen antisemitischen Äußerungen aus der CDU ausgeschlossen worden. Wohlwollende Berichterstattungen seitens der Göttinger NPD, z. B. zum Vortrag Günzels, legen zudem nahe, dass Veranstaltungen der Burschenschaft entweder persönlich von NPD-lern besucht werden oder die NPD zumindest aus erster Hand informiert wird. (16)

Serrao blendet diese Tatsachen jedoch aus und beschreibt die politische Ausrichtung der Burschenschaft als „relativ liberal“ in einem konservativen Dachverband. Dass sie mit ihren Veranstaltungen, Kontakten und Publikationen über das konservative Lager hinaus agiert und sie damit ausreichend Kritikpunkte für Antifaschist_innen bietet, würde natürlich dem Tenor des Artikels – traditionsreiche Korporationen auf der einen, gewalttätige Linke auf der anderen Seite – widersprechen. An der Kaffeetafel der Hannovera endet dann das SZ-Feature über Korporationen mit einer trotzigen Ansage eines Fuxmajors: „Wir haben uns nicht von Metternich unterkriegen lassen, und die Antifa wird es auch nicht schaffen.“

Dies war nicht das erste Mal, dass der SZ-Journalist mit einer reaktionären Breitseite gegenüber linken Kampagnen und Zusammenschlüssen auffiel. So kritisierte Marc felix Serrao eine Kampagne gegen den Vertrieb von rechten Zeitungen an Kiosken als „intolerant“ und sah darin ein „beklemmendes Szenario: Eine kleine Gruppe (…) sorgt für ein politisch gesäubertes Medienangebot. Das ist nicht nur grundgesetzfeindlich, das ist letztendlich totalitär“. (17)

Serrao forderte damals jedoch mehr als nur eine gefährliche Toleranz gegenüber Rechtsaußen-Blättern ein. Wie weit seine Sympathien mit den rechten Zeitschriften geht, machte er in seinem Artikel deutlich: „Wenn man sich diesen Bund der Vertreibenden [gemeint sind Linke, Anm. des Autors] anschaut, dann weiß man, was es auch nie wieder geben darf.“ – Eine kaum verhohlene Drohung und gleichzeitig eine weitere Kampfansage an emanzipatorische Aktivist_innnen.

Quellen:

(1) Titel „Satisfaktion“, Erstausstrahlung in der ARD am 28.10.2007. Siehe http://www.daserste.de/tatort/sendung.asp?datum=28.10.2007

(2) Vgl. SZ-Artikel „Studentenverbindungen in den Medien – ‚Bild‘ weiß es besser“ von Christian Fuchs, 30.10.2007, online unter  http://www.sueddeutsche.de/kultur/studentenverbindungen-in-den-medien-bild-weiss-es-besser-1.324494

(3)Vgl. SZ-Artikel „Geschlagene Verbindung“ von Marc Felix Serrao, 22/23.01.2011

(4) Vgl. http://www.bild.de/leute/2007/leute/studenten-verbindung-ritual-2793542.bild.html von M. Gärtner & C. Wüllner, 28.10.2007

(5) Im Jahre 2005/2006 als Pressesprecher, vgl. http://www.vorort-aenania.de/files/präsentation.PPT

(6) Vgl. „Die ‚Burschenschaftliche Gemeinschaft‘ und ihre Positionen“, Kapitel „Wiederaufbau in Zeiten der ‚Umerziehung'“ von M. Mende unter http://aida-archiv.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2409%3Akommers-der-extrem-rechten-qburschenschaftlichen-gemeinschaftq-in-muenchen&catid=43%3Aweitere-rechte-aktivitn&Itemid=151&showall=1

(7) Vgl. „Falsch verbunden. Reader zum Verbindungs(un)wesen in Hamburg.“ Kap. 3.3 „Die Trinkveranstaltungen: Kneipe und Kommers.“ AStA Uni Hamburg (2005)

(8) Vgl. Kurth, Alexandra 2004: Männer – Bünde – Rituale. Studentenverbindungen seit 1800. Campus, Frankfurt / New York

(9) Vgl. www.tradition-mit-zukunft.de

(10) Vgl. http://libertas-wuerzburg.de/burschenschaftliche-geschichte/bekannte-burschenschafter

(11) Vgl. http://www.tagesspiegel.de/medien/alte-verbindungen/1080300.html von Kurt Sagatz, 28.10.2007

(12) Eigenangabe der Burschenschaften

(13) Aktuell ist dies nicht belegbar

(14) Vgl. „Reader gegen studentische Verbindungen“ Editorial. Antifa TU Berlin 2005

(15) Vgl. http://linksunten.indymedia.org/node/34251

(16) Vgl. http://burschi-reader.gzehn.de/node7.html

(17) Vgl. http://www.sueddeutsche.de/medien/linke-kampagne-gegen-rechte-zeitungen-bund-der-vertreibenden-1.974726-2 von Marc Felix Serrao, 14.07.2010

Im ersten Beitrag dieser Artikelserie von firm und a.id.a. widmete sich Michael Mende der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ und ihren Positionen.  Im zweiten Artikel schrieb Jörg Kronauer über die Schnittstellen zwischen Burschenschaften und Sudetendeutschen. Fortsetzung folgt.

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