San Benedetto Val di Sambro/München. Neofaschist_innen der „Fronte Nazionale Rivoluzionario“ und des „Ordine Nero“ (ehem. „Ordine Nuovo“) verüben in der Nacht zu Sonntag ein Bombenattentat auf den Nachtschnellzug Espresso 1486 „Italicus“, der von Rom über den Brenner nach München fahren soll.
Piero Malentacchi gelingt es, im Bahnhof Firenze Santa Maria Novella unter einem Sitz im fünften Wagen des Zuges eine in einem Koffer verborgene Bombe zu verstecken. Im Sprengsatz ist ein Wecker der deutschen Marke Peter verbaut. Der Zug ist mit fast 1000 Reisenden überfüllt, am Beginn der italienischen Ferien vor allem mit Tourist_innen. Eine dreiviertel Stunde später, um 1.23 Uhr, explodiert 50 Meter hinter dem langen Appenin-Tunnel, etwa auf Höhe des Bahnhofs von San Benedetto Val di Sambro bei Bologna die Bombe. 12 Menschen sterben, 48 werden schwer verletzt. Das Massaker hätte vermutlich noch viel schlimmere Folgen gehabt, wenn der Sprengsatz innerhalb des Appennin-Tunnels explodiert wäre.
Die Ermordeten: Elena Donatini (58 Jahre), Nicola Buffi (51), Herbert Kontriner (35) Nunzio Russo (49), Marco Russo (14), Maria Santina Carraro in Russo (47), Tsugufumi Fukuda (32), Antidio Medaglia (70), Elena Celli (67), Raffaella Garosi (22), Wilhelmus J. Hanema (20) und Silver Sirotti (24). Sirotti, der junge Eisenbahnmitarbeiter, verliert sein Leben, als er versucht, die im Feuer eingeschlossenen Reisenden zu retten.
Am nächsten Tag bekennt sich die neofaschistische Terrorgruppe „Ordine Nero“ mit einem Flugblatt, das in einer Telefonzelle abgelegt ist, sowie mit einem Telefonanruf bei einer Zeitung in Bologna zu der Tat. Sie wolle damit „der Nation zeigen“, dass man „Bomben legen könne, wo wir wollen, zu jeder Zeit, an jedem Ort, wie und wann es uns gefällt“. Die Urheber_innen drohen: „wir werden die Demokratie unter einem Berg von Toten begraben.“
Das Attentat gehört zur langen Attentats-Serie von Neofaschist_innen in Zusammenarbeit mit Geheimdiensten, Militär, weiteren Sicherheitskräften und rechten Politiker_innen zwischen 1969 und 1980 (135 Tote, 650 Verletzte). Die „Strategie der Spannung“ soll im Ergebnis einen politischen Linksruck in Italien abwenden und dazu entweder auf einen faschistischen Staatsstreich hinarbeiten oder zumindest die Angst vor einem solchen Staatsstreich politisch nutzen.
Gewerkschaften und linke Parteien organisieren nach dem Attentat auf den „Italicus“-Zug in vielen Städten Italiens Kundgebungen. Als die Ermordeten am 10. August 1974 in Bologna beigesetzt werden, protestieren Hunderttausende gegen den neofaschistischen Terror. Die italienische Justiz klagt später die beiden Neofaschisten Mario Tuti und Luciano Franci (als Hauptverantwortliche für das Attentat) sowie Piero Malentacchi und Margherita Luddi an. Am 4. April 1991 werden sie in einer Berufungsinstanz freigesprochen. Am 24. März 1992 bestätigt der italienische Kassationshof die Freisprüche. Das Attentat auf den Italicus-Schnellzug bleibt damit juristisch ungesühnt.
In München wird das Attentat schnell vergessen. In San Benedetto Val di Sambro gibt es ein vom Bildhauer Walter Veronesi zur Erinnerung an das Massaker geschaffenes Denkmal.