Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Gerichte bestätigen Verbot neonazistischer Mahnwache – antifaschistischer Stadtrundgang angekündigt!

Sowohl das Verwaltungsgericht München als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof haben das Verbot der neonazistischen Mahnwache am 9. November 2006 auf dem Münchner Marienplatz bestätigt. Sie folgten damit einer Entscheidung des Kreisverwaltungsreferats (KVR) der Stadt München vom 20. Oktober. In der vom NPD-Funktionär und Kameradschaftsführer Norman Bordin angemeldeten Kundgebung sehen das KVR und die Gerichte eine Tarnveranstaltung zum Zwecke der Verherrlichung des Nationalsozialismus. Bordin will nun das Bundesverfassungsgericht anrufen.

Münchner Antifaschistinnen und Antifaschisten kündigen unterdessen eine Gedenkkundgebung und einen antifaschistischen Stadtrundgang für den 9. November an. Beginn ist um 17 Uhr am Geschwister Scholl Platz vor der Universität (U3/U6 Uni). Wir dokumentieren nachstehend den Aufruf:

"Niemals vergessen – 68 Jahre nach der Reichspogromnacht. Aufruf zu Gedenkkundgebung und antifaschistischem Stadtrundgang am 9.11.2006 in München!

Wir wollen nicht vergessen und auch 61 Jahre nach dem Sieg über Nazideutschland den Opfern der Reichspogromnacht und des Holocaust gedenken. Diese Demonstration, deren Notwendigkeit jedes Jahr gegeben ist, soll ein Beitrag sein, gegen das Vergessen der NS-Verbrechen und gegen den Versuch einen Schlussstrich unter die jüngste deutsche Vergangenheit zu ziehen. Die Täterinnen und Täter von damals, die Deutschen, stilisieren sich nach der Befreiung immer vehementer als Opfer. Immer wieder werden dazu Ereignisse des zweiten Weltkrieges aus ihrem kausalen Zusammenhang herausgelöst und exemplarisch für das Leiden der Deutschen im Dritten Reich dargestellt. Wir wollen nicht nur erinnern, sondern auch gegen heutige Formen von Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus in diesem Land und in Europa vorgehen.

Wir wenden uns gegen den skandalösen Umgang mit der NS-Geschichte Münchens und die öffentliche Glorifizierung des Nationalsozialismus So wurde es beispielsweise Münchner Neonazis in den letzten Jahren regelmäßig erlaubt des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess, sowie am 9. November letzten Jahres der erschossenen Hitlerputschisten von 1923 zu gedenken.

Die brutalen Ausschreitungen in den Tagen um den 9. November 1938 markierten den Auftakt zur geplanten physischen Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Deutschland und Europa. Überall wurden zu jener Zeit Synagogen angezündet, jüdische Geschäfte geplündert und zerstört, Jüdinnen und Juden misshandelt, gedemütigt und getötet. Im Verlauf der Pogrome wurden auf Anweisung des Gestapo-Chefs Heinrich Müller und seines Vorgesetzen Reinhard Heydrich etwa 30.000 Männer verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt. Von dieser 'Schutzhaftaktion' waren in München etwa 1000 Männer betroffen, meist sehr bekannte, auch wohlhabende Geschäftsleute und Freiberufler.

Bayern und speziell München waren stets Vorreiter, wenn es um Angriffe gegen Jüdinnen und Juden ging. Spätestens 1920 machten die Plakate der Nationalsozialisten in München klar, daß sie Jüdinnen und Juden rigoros verfolgen würden. 1923 wurden die Fenster der Hauptsynagoge eingeworfen, und in der Nacht auf den 9. November 1923 nahmen Hitlerputschisten jüdische Menschen in Haft und hielten sie als Geiseln fest. Fast ein Drittel der Münchner Wahlberechtigten wählte schon vor der Machtübernahme die NSDAP.

Seit März 1933 kam es in München zu Bedrohungen und Misshandlungen gegenüber Jüdinnen und Juden. Am 22. März wurden die ersten jüdischen Menschen im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. In München wurde bereits in vielen Bereichen gegen Jüdinnen und Juden vorgegangen, als dies noch gar nicht angeordnet war. Der 1933 eingesetzte Oberbürgermeister Fiehler hatte, noch bevor die offiziellen Reichsrichtlinien herauskamen, Geschäftsbeziehungen der öffentlichen Hand mit Unternehmen jüdischer Eigentümer unterbunden. Die Stadtverwaltung erstellte anschließend ein Verzeichnis jüdischer Gewerbetreibender, das bei den weiteren Verfolgungen und den so genannten Arisierungen benutzt wurde.

Auch die vom Reichspropagandaamt initiierte Hetzausstellung mit dem Titel 'Der ewige Jude' fand Münchner Realisatoren und wurde zunächst hier gezeigt, bevor sie in anderen Städte gezeigt wurde. Die Münchner Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße wurde bereits am 24. Juni 1938 von den Nazis abgerissen, ausgeführt durch die Baufirma Leonhard Moll. Der Firmeninhaber gehörte zu den Profiteuren der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in München. Zehntausende KZ-Häftlinge mussten für ihn bei Landsberg am Lech schuften. 1990 benannte die Stadt München eine Straße am Hansapark nach Leonhard Moll.

In der Nacht zum 10. November wurden in München die beiden anderen Synagogen in der Reichenbachstraße und der Herzog-Rudolf-Straße angezündet sowie die Geschäftsräume der Israelitischen Kultusgemeinde verwüstet. Bei jüdischen Geschäften wurden die Schaufenster eingeschlagen und die Einrichtung demoliert, beispielsweise in der Neuhauser- und Kaufingerstraße. Jüdische Geschäfte durften in der Folgezeit nicht wieder eröffnen, noch bestehende Geschäfte mussten 'schließen', d.h. sie wurden arisiert.

Der öffentliche Protest gegen die Pogrome blieb von Seiten der deutschen Bevölkerung aus. Die Reaktionen bewegten sich zwischen Zuschauen, Wegschauen und Mitmachen. Dies war der entscheidende Schritt von der Ausgrenzung und Entrechtung der Jüdinnen und Juden hin zu ihrer Vernichtung. In zahlreichen Kleinstädten wurden die SA-Leute von bereitwilligen Ortsansässigen begrüßt, die die Gelegenheit ergriffen, mitzumachen.

Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus stellen allerdings auch heute noch eine reale Bedrohung dar. Wir werden wir es nicht zulassen, dass diese menschenverachtenden Ideologien verbreitet werden und Menschen deshalb Anfeindungen und körperlichen Angriffen ausgesetzt sind. Wir wollen mit dieser Demonstration die Täterinnen und Täter des Nationalsozialismus und ihre ideologischen Nachfahren bekämpfen und zugleich würdevoll der Opfer dieser Barbarei gedenken. Wir wollen verhindern, dass die Erinnerung an Münchens braune Vergangenheit aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt wird und sich Derartiges jemals wiederholt.

Kein Vergeben – kein Vergessen!"  

 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen