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Kreuzritter gegen die Moderne

Das extrem rechte, ultrakatholische Netzwerk „Tradition, Familie, Privateigentum“ will in München eine Kundgebung durchführen.

Von Lina Dahm

Vor einigen Jahren begann eine kleine, aber sehr lautstarke Gruppe religiöser Aktivist_innen, weltweit Frauenrechte und Rechte von LGBTIQ-Personen anzugreifen. Das katholische Netzwerk „Tradition, Familie, Privateigentum“ (TFP), das nun am 15. August 2023 eine „Straßenkampagne“ in München plant, beteiligt sich an diesen antifeministischen Kampagnen. Neben den Versuchen, jegliche Reformen innerhalb der Kirche abzuwenden, geht es ihnen darum, gegen Geschlechtergerechtigkeit allgemein sowie gegen sexuelle und reproduktive Rechte zu agitieren.

Die Namensgebung, die Forderungen und das Auftreten von TFP scheinen zunächst aus der Zeit gefallen. Angesichts der aktuellen (extrem) rechten, reaktionären, antifeministischen und nationalistischen Tendenzen, die oft mit religiösen Diskursen verflochten sind, findet TFP allerdings einen fruchtbaren Boden, um den Kreuzzug weiter voranzutreiben, neue Verbündete zu gewinnen und eine größere Wirkung zu erzielen.

Was ist TFP?



Dank der Publikationen „Modern-day Crusaders in Europe“ und „Spitze des Eisbergs“ des European Parliamentary Forums (EPF) liegen bereits ausführliche Recherchen zu TFP vor. Dieser Beitrag fasst einige Erkenntnisse daraus zusammen, die vollständigen Recherchen sind auf der Webseite vom EPF (https://www.epfweb.org/publications) zu finden.

Gegenbewegung

Seinen Ursprung hat TFP in Brasilien, wo es in den 1960er Jahren vom katholischen Publizisten und Politiker Plinio Corrêa de Oliveira, einem reichen, konservativen Landbesitzer, gegründet wurde. Die Organisation, die nach und nach Niederlassung in fast allen Regionen der Welt eröffnete, verfolgte von Beginn an religiöse und gesellschaftspolitische Ziele. Liberalere Strömungen innerhalb der Kirche bekämpfte sie ebenso wie Sozialismus und Kommunismus. Nach dem Fall der Mauer richtete TFP seinen Fokus zudem auf soziale Fragen – insbesondere Abtreibung und die damit verbundenen sexuellen und reproduktiven Rechte. Nach dem Tod Oliveiras im Jahr 1995 verlagerte TFP im frühen 21. Jahrhundert seinen Schwerpunkt nach Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich und Polen. Neil Datta vom „European Parliamentary Forum“ nennt TFP ein „europäisches Problem“.

Männerbündelei

Obwohl TFP nicht viele Mitglieder hat – diese sind im Übrigen ausschließlich männlich – ist die Existenz aus demokratischer Sicht ein handfestes Problem. TFP-Gründer Oliveira beschrieb, dass er an der Spitze der Konterrevolution gegen die Reformation, Französische Revolution und die kommunistischen Revolutionen stehen wolle, um den Zustand einer, aus seiner Sicht idealen Gesellschaft, wiederherzustellen. Bei dieser „idealen Gesellschaft“ handelt es sich um eine mittelalterliche Ständegesellschaft, was auch die vielen mittelalterlichen Symbole und Bilder von TFP erklärt und die Verwendung des heraldischen Löwens, roter Schärpen und goldener Broschen bis heute zeigen sollen. Die Mitglieder bezeichnen sich selbst als „Soldatische Mönche“, bei Versammlungen tragen sie große Standarten mit dem goldenen TFP-Löwen.

Anhänger von TFP mit breiten roten Schärpen auf einer Kundgebung von Abtreibungsgegner_innen in Innsbruck.  Foto: Robert Andreasch
Anhänger von TFP mit breiten roten Schärpen auf einer Kundgebung von Abtreibungsgegner_innen in Innsbruck. Foto: Robert Andreasch

Die Reichweite ist trotz der geringen Mitgliederzahlen in einigen Ländern durchaus groß. Das liegt auch daran, dass man versucht, „Eliten“ mit entsprechendem Background anzuziehen. So sind die Ehrenplätze für Aristokraten wie bspw. Paul von Oldenburg reserviert, dem Cousin von Beatrix von Storch (AfD). Oldenburg ist Direktor der „Föderation Pro Europa Christiana“ (FPEC), dem europäischen Dachverband der TFP mit Sitz in Brüssel. Dort infiltriert man die europäische Machtzentrale und organisiert Treffen, wo konservative Kirchenmänner mit führenden Politiker*innen zusammengebracht werden. So will man Einfluss auf politische Entscheidungsfindung nehmen.

Ein Schlüsselmerkmal von TFP ist die Nähe zu extrem rechten Bewegungen, insbesondere zu alten faschistischen Traditionen in Europa und Lateinamerika. Mathias von Gersdorff, der sich in Deutschland um die Belange von TFP kümmert, gehört zum Netzwerk der Familie von Storch. Gersdorff publiziert auf der Webseite „Freie Welt“, die von Beatrix und Sven von Storch betrieben wird. Gersdorff leitet zudem die „Aktion Kinder in Gefahr“ (KiG), die wiederum der „Deutschen Vereinigung für eine Christliche Kultur“ (DVCK) angegliedert ist. In der Vergangenheit organisierte die DVCK die Kundgebungen vor der Beratungsstelle von pro familia in Frankfurt am Main. Die Verstrickungen zwischen TFP und AfD sind kein Einzelfall. Eine Schlüsselfigur der „Straßenkampagnen“ von TFP ist Florian Köhl. Der „Alte Herr“ der deutschnationalen Burschenschaft Albia Wien gründete 2021 den Dürener Stadtverband der AfD mit.

Die Kundgebung in München

„Tradition, Familie, Privateigentum“ hat für Dienstag, 15. August 2023 (10.30 – 12.00 Uhr) eine Gebetsversammlung auf dem Frauenplatz vor der Frauenkirche angemeldet.

Ziel solcher Kundgebungen sei, so TFP auf ihrer Webseite, die Bevölkerung „vor den Tricks der Abtreibungs- und Homosexualitätsbefürworter zu warnen. Diese würden versuchen, ihre Ideologien und unnatürlichen Praktiken über die Presse, Gesetzesvorlagen und Gerichtsentscheidungen durchzusetzen.“ Heroisch sieht man sich bei „Tradition, Familie, Privateigentum“ an „vorderster Front des Kulturkampfes“. Um die Welt, die aus ihrer Perspektive im Zerfall begriffen ist, zurück ins Mittelalter zu bugsieren.

Titelfoto: Das Logo von „Tradition, Familie, Privateigentum“ auf der roten Schärpe eines TFP-Anhängers. (c) Lina Dahm.

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