Beim Aufmarsch des bayerischen Kameradschaftsverbands „Freies Netz Süd“ (FNS) am 1. Mai 2014 liefen über 500 Neonazis mit rassistischen, antisemitischen und NS-verherrlichenden Parolen durch das südwestsächsische Plauen.
Die Neonazis des „Freien Netz Süd“ (FNS) hatten sich in diesem Jahr u. a. mit der „Revolutionären Nationalen Jugend“ (RNJ) im Vogtland zusammengetan und als „Nationales und Soziales Aktionsbündnis 1. Mai“ zu einem Aufmarsch „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche!“ in Plauen mobilisiert. Vor Ort sprachen die Organisator_innen um Anmelder Norman Kempken (Nürnberg) dann nur noch von der neuen neonazistischen Partei „Der III. Weg“ (DIIIW) als Veranstalterin.
Die Anwesenden
Über 500 Neonazis reisten an, 200 mehr als zum letztjährigen FNS-Marsch in Würzburg, das Spektrum reichte von den hessischen „Nationalen Sozialisten Main Kinzig“ („kritisch sozial national“) über die thüringischen „Vollstrecker Gera“ (VSG) und die bayerische „Kameradschaft Altmühltal“ bis zur schleswig-holsteinischen „Bruderschaft“ „Brigade 8“.
Eine kleine Trommlergruppe um Matthias Bauerfeind (Karlstadt) ging dem Aufzug mit dumpfen Schlägen voran. Dahinter liefen Neonazis mit Pappschildern des „Infoportals Niederbayern“: „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“, „Wir sind das Volk“ und „Masseneinwanderung stoppen“. Ein „Kamerad“ mit Eselsmaske hatte sich das Plakat „Ich dummer Esel glaube an das Märchen der Fachkräfte aus dem Ausland“ umgehängt.
Die vor allem bayerischen Neonazis im ersten, sogenannten „roten“, Block trugen die roten Soli-T-Shirts der vergangenen 1. Mai-Demos des FNS. Der Moderator Matthias Fischer (Fürth) hatte sich das das rote „Arbeit adelt“-T-Shirt aus den Zeiten der (seit 2004 verbotenen) „Fränkischen Aktionsfront“ (FAF) übergezogen.
Von einer „Krise“ oder irgendwelchen Auflösungserscheinungen der bayerischen Neonaziszene war an diesem Tag nichts zu sehen. Die führenden Kameradschafter_innen des FNS waren (bei vielleicht etwas geringerer Beteiligung aus der Oberpfalz) fast alle anwesend, z. B. Sebastian Schmaus, Michael Reinhardt (Nürnberg), Sascha K. (Erlangen), Roy Asmuß (Teising), Mathias H. (Freilassing), Benjamin Hager (Waging), Karl Heinz Statzberger (Markt Schwaben), Thomas Huber, Vince Herczeg, Thomas Schatt, Tirza M. und Philipp G. (München), Peter K. (Bayreuth), Karsten S. (Hof), Marcel Finzelberg (Schonungen) und Jenny B. (Mainfranken), Martin B. und Joshua W. (Weißenburg), Stefan Friedmann (Bad Wörishofen), Martin Bissinger (Laueringen), Thorsten und Marcus Meier (Kaufering/Penzing), Stella Ruff, Frank Z. und Christoph P. (Fürth), Walter Strohmeier (Oberpöring) oder Robin Siener (Waffenbrunn). Unterstützt wurden sie u. a. von Matthias Herrmann vom badischen „Aktionsbüro Rhein Neckar“ sowie Kevin Pahnke und Rico Döhler von der lokalen „RNJ“.
Im zweiten Block nach dem Lautsprecherfahrzeug des oberbayerischen FNS-Aktivisten Josef S. (Markt Schwaben) liefen überwiegend ostdeutsche Neonazis. Das große schwarz-weiß rote Transparent „Arbeit Recht Freiheit durch Nationalen Sozialismus“, hinter dem sie sich sammelten, war mit der bisher in Thüringen nicht verwendeten (und nur von der bewaffneten „Weißen Wölfe Terrorcrew“ bekannten) Abkürzung „WWT Thüringen“ unterschrieben.
Eingereiht hatten sich auch Neonazis aus Ungarn mit dem von früheren FNS-Aktionen bekannten „Német Magyar Barátság“ („Deutsch Ungarische Freundschaft“)-Banner sowie einer großen rot-weiß-gestreiften Arpad-Fahne, dem Symbol der faschistischen Pfeilkreuzler. Matthias Fischer bedankte sich bei ihnen: „Ihr kämpft genauso gegen das Aussterben Eures Volkes an. Ihr seid genauso von der Überfremdung bedroht, von dem Niedergang unserer Identität und Kultur. Das schmiedet uns zusammen“.
Der Aufmarsch
Der Aufmarsch verlief trotz der überraschend hohen Teilnehmer_innenzahl für die Neonazis zunächst eher frustrierend: der Auftakt am Oberen Bahnhof verzögerte sich, dann zerstörte ein heftiger Hagelschauer die erste Zwischenkundgebung und schließlich wurden die Neonazis noch durch eine antifaschistische Blockade lange aufgehalten.
Die Polizei ermöglichte ihnen dann ein Weitermarschieren auf einer Alternativroute. Der Aufzug entwickelte nun schnell eine Dynamik, die die Teilnehmenden letzlich offensichtlich mitriss. Die überwiegend männlichen Neonazis reckten die Fäuste hoch und brüllten hooligan-like ihre Parolen in den engen Straßenzügen: „Erster Mai, seit ’33 arbeitsfrei“, „Plauen erwache!“, „BRD heißt das System – morgen wird es untergehen“, „Kriminelle Ausländer raus!“ und immer wieder: „Nationaler Sozialismus jetzt, jetzt, jetzt!“. Journalist_innen am Rand wurden mehrfach (auch hinter der Polizeikette) angegangen und am Fotografieren gehindert.
Die Reden
Die Redner heizten die zunehmend aggressive Stimmung mit radikalen Phrasen an. Matthias Fischer nannte die Nazigegner_innen „antideutschen, amerikahörigen Dreck“. Rico Döhler legte rassistisch los: „Natürlich ist die Überfremdung [in Plauen, Anmerkung a.i.d.a.] nicht auf diesem Niveau wie ihm westlichen Teil unseres Vaterlandes. Aber man sagt ja auch immer: wehret den Anfängen. Und den Anfängen müssen wir uns auch in Mitteldeutschland entgegenstellen.“
Tony Gentsch („Stützpunktleiter ‚Der III.Weg‘ Hof-Plauen-Vogtland“, Regnitzlosau-Oberprex) rief „Auch Plauen ist eine deutsche Stadt und Plauen wird eine deutsche Stadt bleiben!“. Klaus Armstroff (Weidenthal, RLP), der DIIIW-Bundesvorsitzende, der vor Ort an Tony Gentsch fünf neue Mitgliedsausweise für den „Stützpunkt Hof-Plauen-Vogtland“ übergab, wetterte gegen „kapitalistische Unternehmer“. Diese, so Armstroff, „stellen die Deutschen auf das Abstellgleis der Langzeitarbeitslosigkeit und gieren nach frischem Ausländerblut“.
Der junge Paavo Laitinen vom finnischen „Nationalen Widerstand“, hetzte antisemitisch-verschwörungstheoretisch über „jene, die dieser elitären Loge angehören“, welche die Demokratie kontrollieren würden. „Die nordische Widerstandsbewegung“ stehe, so Laitinen, „zusammen mit ihren europäischen Brüdern und Schwestern im Kampf gegen das internationale Großkapital und die Masseneinwanderung.“
Philippe Eglin (Basel) verwies auf die jüngsten Entwicklungen in einigen europäischen Ländern: „In Frankreich setzen sich die Leute zu Wehr, weil ihre Städte langsam aussehen wie in Nigeria“. Er wehklagte über die Demographie der Bundesrepublik: „Und dann kommen auch noch paar Emanzen und Feministinnen mit ihren hohlen Parolen ‚mein Bauch gehört mir‘ und ‚ich liebe meine Vagina‘. Diesen Mannsweibern möchte man am liebsten sagen, ihr Bauch gehört nicht ihnen, sondern ihr Bauch ist die Zukunft der deutschen Kinder (…) oder soll das Volk der Dichter und Denker etwa abhängig sein von ein paar Kamelliebhabern?“
„Hitler – Ausschliesslich Hitler“
Schließlich propagierte Eglin noch mehr NS-Ideologie und Antisemitismus: „Eine kleine Clique auf der Welt regiert doch die ganze Welt. Sei es mit der Wirtschaft, mit dem Zins oder mit dem Zinseszins“. Was Eglin empfahl, deutete zumindest indirekt auf einen neuen Weltkrieg hin: „Alleine kommen wir da nicht mehr raus. Wir müssen uns mit den europäischen Waffenbrüdern vereinigen, wie wir es vor ein paar Jahrzehnten schon einmal gemacht haben, um die Probleme, die ganz Europa, die ganze Welt knechten, zu lösen“.
Manche Neonazis verwiesen mit ihren T-Shirt-Aufschriften deutlich auf ihre Ideologie („Gesunde Bräune kommt von innen!“) oder – ungehindert von der Polizei – auf ihr historisches Vorbild: „Hitler – Ausschließlich Hitler“.