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Neonazistischer Terror in München 1945 – 2013

Vom „Kommando Omega“ zum „NSU“

Friedhelm Busse bei einem Neonaziaufmarsch in München. Foto: a.i.d.a.

Kurz nach dem Oktoberfestattentat versuchte die Führungsriege der neonazistischen Münchner Partei „Volkssozialistische Bewegung Deutschlands“ (VSBD/PdA), Waffen und Munition zu besorgen. Ihr Aktivist Frank Schuberth erschoss an Heiligabend 1980 zwei Schweizer Grenzbeamte bei einem Waffentransport. 1981 starteten fünf Parteifunktionäre  um Friedhelm Busse in München als „Kommando Omega“ zu einem Banküberfall. Auf der Fahrt zum Tatort lieferten sie sich östlich von München in der Putzbrunner Straße eine Schießerei mit Polizeibeamten, zwei Neonazis kamen dabei ums Leben.

Die Münchner Wolfgang Abel und Marco Furlan bildeten die neonazistische „Gruppe Ludwig“ und reisten in den 1980er Jahren von München aus zu zehn Mordanschlägen in Norditalien. In der Nacht auf den 7. Januar 1984 verübten sie einen Brandanschlag hier, auf das „Liverpool“ in der Schillerstraße, dabei starb Corinna Tatarotti, acht Gäste wurden verletzt. Das tödliche Attentat geriet in München schnell für viele Jahre in Vergessenheit.

Anfang der Neunziger Jahre radikalisierte sich die neonazistische Szene noch einmal deutlich. Über 500 Brandanschläge und tausende gewalttätige Attacken pro Jahr waren die Folge. Die Politik reagierte mit der Abschaffung des Asylrechts als Grundrecht und die Neonazis lernten: brutale Anschläge sind eine erfolgreiche Option. 1993 fuhren die Münchner Neonazis mit einem Reisebus vom neonazistischen AVÖ-Laden in der Herzog Heinrich Straße aus ins Elsaß, womöglich zu einem Schießtraining. Mit dabei: Tino Brandt, zumindest ab dem darauffolgenden Jahr V-Mann des Verfassungsschutzes. 1994 schickte die neonazistische “Bajuwarische Befreiungsarmee” aus Österreich eine Briefbombe an die in München lebende Fernsehmoderatorin Arabella Kiesbauer.

Spätestens ab 1995 diskutierten die Neonazis breit terroristische Konzepte. Sie lasen die terroristischen „Turner Diaries“ und die Broschüren „Eine Bewegung in Waffen“. Darin heißt es: „Der Werwolf der Zukunft ist ein Feierabend- und Wochenendterrorist“. Gefordert werden u. a. „Banküberfälle“, um „den Einsatzgruppen finanzielle Spielräume zu schaffen“. Die paramilitärischen Nachfolgestukturen der „Nationalistischen Front“ propagierten Werwolf-Aktivitäten und riefen zu einer Abrechnung auf: „Bildet kleine geheime Gruppen, greift die feindlichen Strukturen an“.

Verherrlichung der rechtsterroristischen Organisation ‚Combat 18‘ (C 18) beim Aufmarsch des ‚Freien Netz Süd‘ 2012 in Hof. Foto: Robert Andreasch

Das internationale Netzwerk von „Blood and Honour“ (das mit den Sektionen „Bayern“ und „Franken“ im Freistaat organisiert war) und dessen rechtsterroristischer Arm „Combat 18“ propagierte terroristische Strategien wie den „führerlosen Widerstand“, ab 1996 auch offen im Magazin der deutschen „B&H“-Division. Da hieß es beispielsweise, „die Patrioten“ müssten sich auf einen „Rasskrieg vorbereiten“ und dafür „geheime Strukturen schaffen und bereit sein, ihr Leben zu lassen“. Teil dieser „Blood and Honour“-Szene und ihres Umfelds waren zu dieser Zeit auch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe und Co., die später das Netzwerk des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ bildeten.

1999 legten NSU-Mitglieder eine kunstoffummantelte Rohrbombe, die wie eine Taschenlampe aussah, in der Kneipe „Sunshine Pub“ in der Nürnberger Scheuerlstraße ab.  Als ein Mitarbeiter beim Putzen die vermeintliche Lampe einschaltete, explodierte der Sprengsatz und verletzte ihn an seinen Händen. Damit begann die aus dem sogenannten Untergrund heraus begangene Attentatsserie des NSU. Den bayerischen Zeitungen war das Bombenattentat damals nur wenige Zeilen wert. Die Polizei stellte das Ermittlungsverfahren nach wenigen Wochen ein. Im bayerischen Verfassungsschutzericht für das betreffende Jahr 1999 stand: „rechtsterroristische Strukturen“ seien „nicht bekannt geworden.“ und „eine Strategiedebatte über eine gewaltsame Beseitigung des politischen und gesellschaftlichen Systems in Deutschland“ fände von rechts „derzeit nicht statt“.

Im August 2000 wurde am Haus der Familie des ehemaligen Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg eine professionell gebaute Bombe entdeckt, deren Zeitzündermechanismus bereits lief. Und im September 2000 erschossen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Nürnberg den Blumenhändler Enver Simsek. Ein halbes Jahr später stand im Verfassungsschutzbericht – wie im Vorjahr: „Rechtsterroristische Strukturen sind in Bayern nicht bekannt geworden“.

Der NSU bekennt sich in einem Bekennervideo zum Mord in München. Screenshot: Robert Andreasch

Am 29. August 2001 betraten Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt nach 10.35 Uhr den Frischmarkt von Habil Kilic in der Bad-Schachener Straße in München. Einer der Täter schoss dem 38-Jährigen Kilic mit der Pistole Ceska 83 in den Kopf. Der Überfallene versuchte noch, sich hinter dem Tresen zu ducken. Die Täter gingen herum und schossen ihm noch einmal von hinten in den Kopf. Zeuginnen wiesen auf zwei junge Männern mit Fahrrädern hin, die Polizei suchte allenfalls als potenzielle Zeugen nach ihnen. Beate Zschäpe archivierte später in Zwickau Münchner Zeitungsartikel über die Tat.

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