Die „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) sowie Mitglieder neonazistischer Kameradschaften führten am Samstag, 22. Oktober 2011, einen konspirativ geplanten und nicht öffentlich angekündigten „Aktionstag“ in München durch. „Ein Paukenschlag“, lobten sich die Neonazis in einem anschließend auf der BIA-Website erschienenen Artikel. Die Realität sah anders aus: a.i.d.a. hat die „zahlreichen Aktivistentrupps“ (O-Ton BIA) auf ihrem angeblichen „Erfolgskurs“ dokumentiert.
Ein „markanter Akzent“?
Die „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ habe „erneut“ mit einer „konzentrischen Verteilaktion“ einen „markanten Akzent setzen“ können, heißt es auf der Homepage der lokalen NPD-Liste über ihren sogenannten „Aktionstag“ am Samstag, 22. Oktober 2011, in München. Dank „mehrerer tausend Themenflugblätter“, so ist zu lesen, hätte sich die BIA bei der „öffentlichkeitswirksamen Aktion“ mit „aktuellen Gegenwartsthemen im Bewußtsein der Öffentlichkeit“ verankern können. Dem BIA-Eigenbericht zufolge sei der Tag, Zitat, ein „weiterer Paukenschlag“ auf dem „Erfolgskurs“ der Münchner Neonazis gewesen.
Was das von BIA-Stadtrat Karl Richter verantwortete Online-Portal im Nachhinein so euphorisch beschreibt, hatte mit dem tatsächlichen Geschehen nichts zu tun: Drei kleine Gruppen von Neonazis waren intern zu Verteilaktionen und Infoständen eingeteilt worden, wobei die Öffentlichkeit schlussendlich erfreulich wenig Notiz von der neonazistischen Propaganda nahm. Allerdings konnte sie auch nur wenig Notiz nehmen: Die Infostände der rassistischen „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ blieben weitgehend verwaist, die in einigen Straßenzügen unter die Scheibenwischer parkender PKWs gesteckten Flugblätter konnten vollständig von Nazigegner_innen wieder eingesammelt werden und die Durchführung eines BIA-Infotischs im Hasenbergl wurde gar durch antifaschistischen Protest verhindert.
Der erste „Aktivistentrupp“:
Mit dem ursprünglich von der NPD für diesen Tag bundesweit angekündigten – und dann ziemlich in der Versenkung verschwundenen – „Aktionstag ‚Raus aus dem Euro!'“ hatte das Vorhaben in Giesing offensichtlich nichts zu tun. Die neonazistischen Aktivist_innen hatten vielmehr das neue, rassistische BIA-Flugblatt „Mieten runter! … und Münchner Wohnungen für Münchner Familien!“ dabei. Damit versuchen die Münchner Neonazis einerseits, mit rassistischer Agitation an soziale Themen anzudocken, andererseits führen sie mit acht Jahren Verspätung auch eine Idee des als Rechtsterrorist verurteilten Neonazikaders Martin Wiese aus. Wiese hatte für Oktober 2003 einen solchen „Aktionstag“ der oberbayerischen Kameradschaften, NPD-Untergliederungen und des damaligen rechten Sammelbeckens „Demokratie direkt“ zum Thema „Wohnen“ geplant, aufgrund seiner Inhaftierung im September 2003 war die Kampagne jedoch ins Wasser gefallen.
Der zweite „Aktivistentrupp“:
Der dritte „Aktivistentrupp“:
Die dritte Gruppe, die von Karl Richter persönlich angeführt wurde, traf am Samstag Morgen um kurz nach acht Uhr auf dem Parkplatz am U-Bahnhof Kieferngarten ein und baute dort einen kleinen Plastiktisch auf. Es kamen jedoch kaum Passant_innen am „Infostand“ der fünf Neonazis vorbei. In der Umgebung, unter anderem in der Zwirbel- und Schlossgartenstraße, verteilten Neonazis daher Flugblätter in Hausbriefkästen. Viele davon konnten durch Anwohner_innen und Antifaschist_innen gleich wieder eingesammelt werden.
Die „Mieten runter!“-Flugblätter wurden auch in der Umgebung des Infostands in der Ungererstraße verteilt. Hierbei halfen Stefan Willy Reiche und Dominik Baumann, die führenden Aktivisten der militanten oberbayerischen Neonazikameradschaft „Jagdstaffel D.S.T.“ Die hunderten u. a. in der Stengel-, Luxemburg-, Holland- und Barbenstraße ausgetragenen Zettel konnten von Anwohner_innen und Antifaschist_innen jedoch vollständig eingesammelt werden.
Das antifaschistische Finale:
Die Neonazis aus BIA, NPD und den Münchner Kameradschaften wollten ihre Propagandaaktivitäten ab Mittag im Stadtteil Hasenbergl fortsetzen. Der angebliche „Paukenschlag“, den die BIA im Aktionsbericht beschrieben hat, war bis dahin ausgeblieben. Er sollte auch nicht mehr kommen. Beim letzten geplanten „Infostand“ vor dem „MIRA“-Einkaufszentrum an der Schleißheimer Straße sorgten dann vielmehr die spontan zusammengeströmten Antifaschistinnen und Antifaschisten für den Schlussakkord. Der heftige antifaschistische Protest am „MIRA“ machte die Fortsetzung der eigentlich bis 15.00 Uhr geplanten BIA-„Infoaktion“ unmöglich; Karl Richter und Co. packten ihre wenigen Sachen und machten sich schnell auf und davon. Wenig verwunderlich, dass diese Episode im neonazistischen „Erfolgsbericht“ auf der BIA-Homepage komplett fehlt.