„Zu viel Tumult um die Shoah“
Dabei gehören die Herren Burschenschafter, die bei solchen Gelegenheiten etwa Brno oder Teplice heimsuchen, nicht selten zu den Rechtesten unter den Rechten. Als sich zum Beispiel im Oktober 2008 einige Alte Herren der Burschenschaft Elektra Teplitz zu München während ihres gemeinsamen Aufenthalts im tschechischen Teplice fotografieren ließen, lag ein Ereignis, das ihnen überregionale Aufmerksamkeit verschafft hatte, erst wenige Jahre zurück:
Die Elektra hatte nicht nur in der Zeitschrift Nation und Europa um Mitglieder geworben, die damals eine der bedeutendsten Zeitschriften der extremen Rechten in Deutschland war. Vor allem hatte ihr Sprecher sich ein wenig zu weit aus dem Fenster gehängt. Im Gespräch mit zwei Journalisten hatte er auf die Frage, ob Juden Mitglieder in seiner Burschenschaft werden könnten, geantwortet, das sei wohl nicht möglich: „Weil sie nicht in den christlichen Kulturkreis passen.“ Um die Shoah werde, meinte er, „viel zu viel Tumult“ gemacht; schließlich seien die „Verbrennungen der Juden eine wirtschaftliche Notwendigkeit“ gewesen. Der Elektra-Aktivist ergänzte dann noch, mit dem Mord in Gaskammern habe er „keine Probleme“.
Nun gibt es durchaus historische Ereignisse, mit denen die Burschenschaft Elektra Teplitz zu München „Probleme“ hat. Vor allem die Umsiedlung der Sudetendeutschen und ihre juristische Grundlage, die Beneš-Gesetze, zählen dazu. Hinsichtlich der Umsiedlung und der Beneš-Gesetze sind sich die sudetendeutschen Burschenschaften mit sämtlichen anderen Burschenschaften einig. So heißt es etwa im Handbuch der Deutschen Burschenschaft, die „rücksichtslose Vertreibung“ der Sudetendeutschen „durch die Tschechen im Jahre 1945“ sei „wie jede andere Vertreibung bitteres Unrecht“ gewesen. Die Burschenschaftliche Gemeinschaft, der unter anderem die Elektra Teplitz angehört, vertritt den Standpunkt, „ein friedliches Zusammenwachsen der europäischen Völker auf gleicher Augenhöhe im Rahmen der Europäischen Union“ könne sich „ohne Beseitigung der Benes-Dekrete nicht entwickeln“.
Diese grundlegenden „Probleme“ wiederum teilen die Burschenschaften mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft, und so erklärt es sich ganz leicht, dass immer wieder Burschenschafter innerhalb der Landsmannschaft aktiv werden. Bekannte Beispiele sind Karl Katary von der Wiener Akademischen Burschenschaft Bruna Sudetia, der als Rechtsreferent der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich tätig ist, und Hans-Ulrich Kopp von der Burschenschaft Danubia München. Kopp ist stellvertretender Bundesvorsitzender des Witikobundes, der wiederum den rechtesten Flügel der Sudetendeutschen umfasst.
Annexion
Die Sorge der Burschenschaften um die Sudetendeutschen ist umfassend. Sie erstreckt sich nicht nur auf Gedenkveranstaltungen wie die Feierstunde im März in Bayreuth, sondern auch auf ganz trockene juristische Fragen. Etwa auf diejenige, wie das Münchner Diktat zu beurteilen sei, durch das in den frühen Morgenstunden des 30. September 1938 die Sudetengebiete zur Annexion durch das Deutsche Reich freigegeben wurden.
Annexion? Zu diesem Thema hat im Jahr 2006 die Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu Bielefeld einen Rechtsanwalt befragt, und der hat die Burschenschafter gründlich aufgeklärt. Nicht das Münchner Diktat, sondern „die Eingliederung der sudetendeutschen Volksgruppe in den tschechisch dominierten Staat“ – gemeint ist die Gründung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 – habe „den Tatbestand der Annexion erfüllt“, erläuterte der Mann den Normannen-Nibelungen. Das Münchner Diktat hingegen sei juristisch in keinster Weise zu beanstanden. Die Deutsche Burschenschaft hat den Behauptungen des Rechtsanwalts in vollster Erkenntnis ihrer Tragweite einen prominenten Platz in ihrer Öffentlichkeitsarbeit eingeräumt: Eine Zusammenfassung seiner Thesen ist auf der offiziellen Website des Dachverbandes, dem immerhin ein Bundesminister (Peter Ramsauer) und mehrere Bundestagsabgeordnete angehören, nachzulesen.
Unser Autor Jörg Kronauer hat 2010 zusammen mit Felix Krebs das Buch „Studentenverbindungen in Deutschland“ (Unrast-Verlag, Münster) herausgegeben.
Im ersten Beitrag dieser Artikelserie von firm und a.id.a. widmete sich Michael Mende der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ und ihren Positionen. Fortsetzung folgt.