Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Belange des Deutschtums. Die Burschenschaften und die Sudetendeutschen

„Deutschtum“-Fans

Der Auftritt der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth bei einer Gedenkveranstaltung der Sudetendeutschen Landsmannschaft ist nun nichts, was aus dem Rahmen fällt. Burschenschaften sind in vielfältiger Weise mit den Umgesiedelten verbunden; das gilt selbstverständlich auch für die Sudetendeutschen. Die Beziehungen sind ganz unterschiedlicher Art. Sie reichen von personellen Verknüpfungen und gemeinsamen öffentlichen Auftritten über identische politische Ziele bis hin zu historischen Affinitäten.

Die gemeinsame Geschichte geht dabei zurück bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals kam es in denjenigen Gebieten des Habsburgerreichs, aus denen nach dem Ersten Weltkrieg die Tschechoslowakei gebildet werden sollte, zu den ersten gravierenden Auseinandersetzungen zwischen „Deutschtums“-Fanatikerinnen und -Fanatikern einerseits und tschechisch oder slowakisch sprechenden Bürgerinnen und Bürgern andererseits. Aus dem Milieu der „Deutschtümler“ gingen dann später die politisch aktiven Kreise der Sudetendeutschen hervor.

In genau diesem „Deutschtümler“-Milieu bildeten sich im 19. Jahrhundert auch Burschenschaften heraus. Eine von ihnen war die 1896 gegründete Burschenschaft Elektra, die am Elektrotechnikum Teplitz-Schönau (heute: Teplice) ansässig war. Auch an der Hochschule in Brünn (heute: Brno) entstanden Burschenschaften, 1884 die Libertas, 1911 die Suevia. Über ihre damaligen „Deutschtums-„-Aktivitäten berichtet die Burschenschaft Libertas, die heute in Aachen ansässig ist: „Abwehrmaßnahmen gegen die fortschreitende Tschechisierung der Stadt Brünn und ihrer Umgebung blieben die Hauptaufgabe“. Weil es in den deutschsprachigen Gebieten der späteren Tschechoslowakei kaum Hochschulen gab, gingen viele junge „Deutschtums“-Kämpfer zum Studium nach Prag oder Wien, wo sie oft eigene Verbindungen gründeten – so etwa die von Brünnern gegründete und nach Brünn benannte Wiener Burschenschaft Bruna. Eine dieser Verbindungen, die von Studenten aus Olmütz (heute: Olomouc) ins Leben gerufene Burschenschaft Markomannia Wien, die heute in Passau ansässig ist, ernannte 1920 einen gewissen Rudolf Jung zu ihrem „Ehrensenior“ – für seine „Verdienste um die Deutschen im Sudetenland“. Verdienste? Jung hatte seit 1907 in der völkisch-alldeutschen Deutschen Arbeiterpartei (DAP) „Deutschtums“-Agitation betrieben und der DAP, die sich 1918 in Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) umbenannt hatte, 1919 mit seinem Buch „Der nationale Sozialismus“ eine Art Programmschrift verpasst. Das „jüdische Volk“ habe „aus einer Anzahl geradezu unmöglicher Rassenmischungen“ die „schlechtesten Eigenschaften“ mitbekommen, erklärte der „Ehrensenior“ und Nationalsozialist Jung in seinem Pamphlet.

Der Traum der Urburschenschaft

Auch nach der Gründung der Tschechoslowakei setzten Burschenschafter etwa in Brünn ihre „Deutschtums“-Aktivitäten fort – gemeinsam mit den Organisationen der „Sudetendeutschen“. So berichtet die heute in Regensburg ansässige Alte Brünner Burschenschaft Suevia, sie sei „in vielen Belangen des Deutschtums in Brünn, sowie bei Sonnwendfeiern, in Turnvereinen, beim Schaufechten und bei Erntelagern im Schönhengstgau […] aktiv“ gewesen. Die Burschenschaft Libertas Brünn zu Aachen schreibt über ihren „Volkstumskampf im tschechischen Staat“: „Die Liberten der damaligen Zeit [sahen] ihre Hauptaufgabe in der Einigung aller deutschen Studenten als Vorstufe für die Vereinigung aller Deutschen zu einem geschlossenen Staatswesen“. „Natürlich konnten die politischen Ereignisse im Deutschen Reich und später die Einigungsbestrebungen Konrad Henleins nicht ohne Auswirkungen auf das Leben in der Libertas bleiben“, erklärt die Libertas: „Mußte es doch scheinen, als wäre Hitlers Politik der richtige Weg, den Traum der Urburschenschaft, ein geeintes Deutsches Reich zu schaffen, zu verwirklichen.“

Nach der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus wurden die Sudetendeutschen umgesiedelt – und auch ihre Burschenschaften mussten ins bundesdeutsche oder ins österreichische „Exil“. Die meisten von ihnen fassten dort tatsächlich wieder Fuß: Aus der Burschenschaft Libertas zu Brünn wurde die Burschenschaft Libertas Brünn zu Aachen, aus der Burschenschaft Thessalia zu Prag die Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth, aus mehreren erkennbar sudetendeutsch geprägten Burschenschaften unterschiedlicher Herkunft entstand die Münchener Burschenschaft Sudetia. In aller Regel waren die früheren „Deutschtums“-Aktivisten als Alte Herren weiterhin präsent, und sie prägten die Orientierung der „Exil“-Burschenschaften maßgeblich mit. Bis heute hat ihr Ursprung in den Sudetengebieten für die traditionsfixierten „Exil“-Burschenschaften hohe Bedeutung. Dies drückt sich nicht nur darin aus, dass sie ihre Frühgeschichte in ihren Selbstdarstellungen umfassend würdigen. Sie unternehmen etwa auch immer wieder Fahrten in ihre Herkunftsstädte.

Seiten: 1 2 3

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen