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Obertrubach: Ein Platz für Neonazis

Hingeschaut: Das Programm beim „Frankentag“

Der zum dritten Mal vom bayerischen Kameradschafts-Dachverband „Freies Netz Süd“ (FNS) organisierte „Frankentag“ war wieder ein Rechtsrockspektakel mit Familienprogramm. Unter anderem hatten die Neonazis für Kinder eine Wurfbude, ein Trampolin und ein Badminton-Netz aufgebaut. Doch das Event war kein harmloses Kinderfest: Die Wurfbude war mit einer Reichskriegsflagge dekoriert. Und schon die Bezeichnung als „Frankentag“ nimmt bewußt Bezug auf die nationalsozialistischen „Frankentage“, mit denen der fränkische „Gauleiter“ und „Stürmer“-Herausgeber Julius Streicher im Nationalsozialismus auf den mittelfränkischen Hesselberg mobilisierte. Den „Nationalen Sozialismus durchsetzen und verteidigen“, hieß es in diesem Jahr auf zwei am Veranstaltungsort aufgespannten Transparenten. Einige Aktivist_innen trugen das von den heutigen FNS-Kadern im Jahr 2008 noch als bayerische „Junge Nationaldemkraten“ (JN) ausgegebene rote T-Shirt „Nationaler Sozialismus“. Auf dem Rücken ist neben einem alten Wahlplakat-Motiv der NSDAP ein Zitat Adolf Hitlers aufgedruckt.

Neonazistischer Frankentag bei Obertrubach
Neonazistischer Frankentag bei Obertrubach Foto: Robert Andreasch

Wenig Aufmerksamkeit schenkten die Teilnehmenden, die 10 Euro Eintritt bezahlen mussten, den Rednerinnen und Rednern beim „Frankentag“. Das begann schon bei der Begrüßung durch FNS-Aktivist Tony Gentsch (Oberprex), der auch für eine Busfahrt aus Oberfranken zum Naziaufmarsch am 14. August im niedersächsischen Bad Nenndorf warb. „Ungarische Kameraden“ des „Nationalen Widerstands Ungarn“ ließen ein Grußwort vortragen, schwadronierten darin vom „Kampf gegen das ewige Böse“ und beschworen die „Waffenbrüderschaft“.
Kaum jemand hörte zu, als Edda Schmidt, Bundesvorsitzende des „Rings Nationaler Frauen“ (RNF) aus dem württembergischen Bisingen, „der Veranstaltung einen guten Verlauf“ wünschte. Edda Schmidt betreute beim „Frankentag“ zusammen mit ihrem Mann Hans auch den RNF-Infotisch. Ebenfalls aus Baden-Württemberg war NPD-Landesgeschäftsführer Alexander Neidlein (Crailsheim, Weikersheim) angereist und warb für die zur Landtagswahl 2011 pro Wahlkreis benötigten 150 Unterstützungsunterschriften, die jedoch nur baden-württembergische „Kameraden“ leisten durften.
„Vier Kameraden aus unserer Region“ seien zur Zeit „in Gesinnungshaft“ im „freiesten Staat für ausländische Kriminelle und Asylbetrüger“, fügte Tony Gentsch an und ließ daraufhin ein Grußwort des FNS-Führungskaders Matthias Fischer verlesen. Fischer, der schon die verbotene „Fränkische Aktionsfront“ mitangeführt hatte, sitzt u. a. wegen Volksverhetzung derzeit in der JVA Bayreuth eine 26-monatige Haftstrafe ab und wird dabei von der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG e.V.) betreut.  In seinem Gruß „aus dem Dunkel des Systemkerkers“ führte Matthias Fischer über den „Frankentag“ aus, dieser böte „Alt und Jung die Möglichkeit, ungestört von jeglicher Beeinflussung durch das BRD-System und seine kranken Auswüchse den Tag in einer nationalen Solidargemeinschaft zu verbringen“. Fischer beendete sein Grußwort mit der Parole „drinnen wie draußen – eine Front!“
Danach hielt Anti-Antifa-Aktivist und „Bürgerinitiative Ausländerstopp Nürnberg“-Stadtrat Sebastian Schmaus eine bizarre Rede über Eigenarten der fränkischen Sprache und über den Ausländeranteil in Nürnberg.

Hingehört: Jürgen Schwabs Auftritt

Viele Neonazis schienen sich schließlich bei den über einstündigen wirren Ausführungen des FNS-Kaders Jürgen Schwab (Nürnberg) offensichtlich zu langweilen. Jürgen Schwab redete „als nationaler Sozialist“ (Schwab über Schwab) über eine „nationale Volksgemeinschaft“ und für die „Wiedereinführung der deutschen D-Mark“. Dazu schweifte Schwab in viele andere Themengebiete ab und sprach u. a. über Schuldenkrise, Griechenland, „Vietnamesen in Mitteldeutschland“, Bundespräsident Christian Wulff, „Antifa-Idioten“, „Kapitalisten“, „BRD-Politiker“ („die Lakaien der israelischen Politiker“, „die vertreten die Interessen des israelischen Volkes“), den DFB, die Fußball-Nationalelf und den „Phänotyp“ der einzelnen Spieler. O-Ton Schwab: „Jeder, der die Qualifikation besitzt, ein Mensch zu sein, wird zum Deutschen erklärt“. Schwab hetzte über eine angebliche  „Ausländerkriminalität“ und gegen eine „bunte Republik“: „Vielleicht könnten wir uns mit dreihunderttausend Türken noch irgendwie arrangieren, aber drei Millionen sind natürlich eine bedenkliche Zahl“, so Schwab, der behauptete, „ausländische Gewalttäter“ schlügen „deutsche Rentner in der Münchner U-Bahn zusammen“ und „eigene Klassen für Türken und Araber“ forderte. Schwab ließ seinem Rassismus freien Lauf: „Wir wollen unsere Menschen hart, stark, unser Volk in seiner kulturellen Prägung als Abstammungsgemeinschaft erhalten (…) da sind wir halt Rassisten.“ Auch Schwabs autoritäre Vorstellungen kamen deutlich zu Vorschein: Ein „System“, in dem „Schüler Lehrer verprügeln und nicht umgekehrt“, müsse „dringend abgewickelt werden“. Besonders geschmacklos wurde Schwabs Rede nicht zuletzt bei seiner zynischen Hetze gegen „die Sozialatome“, die sich zur Loveparade in Duisburg versammelt gehabt hätten.

Hingehört: Die „Division Germania“-CD

Zwischen den Redebeiträgen lief beim „Frankentag“ unter anderem die CD „Manifest“ der Neonazi-Band „Division Germania“ (Mönchengladbach). Abgespielt wurde zum Beispiel das antisemitische Lied „Seht wer euch (ver)führt!“ Zitat aus dem Liedtext: „Die Kaste heimlicher Regenten, die Kanzler stellt und Präsidenten (…) In ihrem Hass auf alle Völker, sinnend seit ihrem Aufstieg gilt ihr Kampf dem freien Menschen – Sie führen erbittert Krieg! Die Schlange, die die Völker plagt, die an der Weltenesche nagt. Doppelzüngig gellt ihr Wort – Vergiftet Heim & Hort! Ganze Staaten Marionetten – Der Globus liegt in ihren Ketten. Der Weltenbrand wird längst geschürt – Seht wer euch verführt! Grenzen fallen, Länder sterben, Völker bluten und verderben. Ihre Order läuft nach Plan“.

Später folgten unter anderem die Songs „Löwenherz („Wenn alle feige bangen begibst du dich zur Tat. Du Heros unter Schlangen bist völkischer Soldat“) und „Die Nacht neigt sich dem Ende“, dessen Text an die Flammen- und Fackelmarsch-Ästhetik des NS erinnert: „Die Nacht neigt sich dem Ende und unsere Flamme führt zur langersehnten Wende. Drum schürt, Genossen schürt! Das Feuer es soll lodern. Ein gleißend heller Brand! Das Vaterland muss leben. Heil dir, mein deutsches Land!“

Und dann lief beim „Frankentag“ noch „Die Furcht so fern“, ebenfalls von der „Manifest“-CD des Mönchengladbacher Neonazi-Projekts „Division Germania“. Sein Text dürfte ein Fall für die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ sein. Das „Lied“ besteht allein aus der  historischen Tonaufnahme einer pathetischen Ansprache: „Wir sind eine Gemeinde der Tat geworden und so soll es bleiben. Ihr sollt dem Leben gegenübertreten als Eroberer, nicht als Verteidiger. Der Furcht so fern, dem Tod so nah, das steht auf euren Fahnen geschrieben. In harter Luft leben wir Tag um Tag, da ist es kein Zufall, wenn wir enger als sonst aneinander gekettet werden, wo Blut fließt, da finden Neid und Zwietracht verschlossene Türen, so ist es bei uns, Not und Blut ketten uns aneinander, wir können nicht mehr los voneinander, weil der eine auf den anderen angewiesen ist.“ Es ist eine Aufnahme Joseph Goebbels.

200 Neonazis beim Frankentag 2010
200 Neonazis beim Frankentag 2010 Foto:Robert Andreasch

Dass der „Frankentag“ von den Neonazis trotz selbstbewusstem Auftreten im Ort, der ungeahndeten Aggressionen gegenüber Medienvertreter_innen, trotz ungehinderter NS-Verherrlichung und letztlich als völlig ungestörte Großveranstaltung nicht ernsthaft als großer Erfolg eingeschätzt werden kann, ist leider nicht demokratischem Protest oder dem Handeln der Behörden zuzuschreiben.  Die letztlich doch durchwachsene Bilanz ist allein Ergebnis der unzureichenden Mobilisierungsfähigkeit des „Freien Netz Süd“. Kamen zum vom FNS organisierten Rechtsrockspektakel „day of friendship“ am 3. Juli 2010 in Buchhofen (Landkreis Deggendorf) vor allem Neonazis des „Freien Netz Süd“-Umfelds aus Niederbayern und der Oberpfalz (bei damals auffälliger Abwesenheit des fränkischen und schwäbischen Szene-Spektrums), fehlten diese mittel- und niederbayerischen Kräfte wiederum nun fast völlig beim „Frankentag“. So verloren sich die rund 200 Teilnehmenden regelrecht auf der großen Wiese. Stimmung konnte unter den vor allem aus Franken, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen angereisten Neonazis so kaum aufkommen. Viele von ihnen verließen das Gelände schon recht bald wieder, noch lang vor der angekündigten Rede des Berliner NPD-Landesvorsitzenden Uwe Meenen („Bund Frankenland“) und den beworbenen Auftritten der Neonazibands „12 Golden Years“, „Last Man Standing“ (beide Thüringen), „Devils Project“ (Böblingen) und „Feldherren“ (München).

FNS-Aktivist Jürgen Schwab auf der Bühne
FNS-Aktivist Jürgen Schwab auf der Bühne Foto:Robert Andreasch

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