Beinahe hätte die Münchner Neonaziszene in den nächsten Tagen ein eigenes „Versammlungshaus“ in München-Forstenried eröffnet. Intern hatten Kameradschaften und „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) sogar schon für die Einweihungsparty sowie eine Veranstaltung in die eigenen Räume mobilisiert. Doch der erst vor wenigen Tagen geschlossene Mietvertrag ist gestern fristlos gekündigt worden.
Der Weg zur Münchner Nazi-Immobilie
Die Geschichte des nun geplatzten neonazistischen Immobilientraums im Münchner Südwesten begann im Februar im östlich gelegenen Stadtteil Berg am Laim: Bürger_innen und Lokalpolitiker_innen wandten sich dort gegen eine jahrelange Serie von Neonaziveranstaltungen in der Gaststätte „Wirtshaus zum Glaskasten“. Auf einen Bericht auf der a.i.d.a-Website, einen darauf folgenden Artikel der BILD-Zeitung und einen Beitrag des Bayerischen Rundfunks hin reagierte der überraschte Inbev-Konzern, der den „Glaskasten“ verpachtet hat, umgehend: Der Bremer Konzern untersagte dem zunächst uneinsichtigen „Glaskasten“-Betreiber vertraglich jegliche weiteren neonazistischen Veranstaltungen.
Da zunächst keinE andere Münchner Wirt_in bereit war, den extrem Rechten Unterschlupf zu gewähren, erinnerten sich die Münchner Neonazis nach ihrem Rauswurf aus dem „Glaskasten“ an ein schon mehrfach in ihren Kreisen diskutiertes Projekt: die Anmietung eigener Räumlichkeiten. Das ging für die Münchner NPD-Liste „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) um Karl Richter, Roland Wuttke und Philipp Hasselbach jedoch nicht schnell genug. Die eigentlich für den 22. März 2010 geplante BIA-Jahreshauptversammlung musste verschoben werden. Bei der NPD griff man zu einem Trick, der die eigene Misere kaschieren sollte: In einem Artikel auf der Homepage des bayerischen NPD-Landesverbands wurde der Journalist, den die Neonazis für die Recherche und Berichterstattung über den Glaskasten verantwortlich machten, beleidigt und diffamiert. Im gleichen Artikel wurde zudem kokettiert, es gebe ja „rund 6000 Gaststätten in München“, die angeblich genutzt werden könnten.
Die Arbeit der „FIRM“ gegen rechts zeigt Erfolg
Nazigegner_innen setzten derweil die Suche nach weiteren Veranstaltungsorten der extremen Rechten fort. Zu den erfahrenen Beobachter_innen der lokalen Neonaziszene gehört Marcus Buschmueller, Leiter der „Fach- und Informationsstelle Rechtsextremismus München“ (FIRM). Im Jahr 2009 hatte der Stadtrat der Landeshauptstadt München mit einem parteiübergreifend getragenen Beschluss die FIRM-Recherchestelle beim Kulturzentrum Feierwerk eingerichtet. FIRM soll die Szene in München beobachten und eine schnelle, praxistaugliche Beratung städtischer und zivilgesellschaftlicher Akteur_innen im Kampf gegen die extreme Rechte gewährleisten. Buschmueller hatte schon im „Fall“ Berg am Laim mehrere Beratungsgespräche geführt.
Die FIRM recherchierte nun zu den neonazistischen Immobilienplänen. Gewissheit brachten nicht zuletzt Einladungen der nachgeholten „Bürgerinitiative Ausländerstopp“-Mitgliederversammlung am 26. April 2010. Stephan Wörle (Neubiberg), Aktivist der Neonazi-Kameradschaft „Nationale Solidarität Bayern“ (NSB) und bei der BIA „Interessenten- und Mitgliederbetreuer“, lud in diesem Schreiben mit Datum vom 10. April 2010 bereits in die eigenen Räumlichkeiten in München-Forstenried ein. Großspurig bezeichnete Wörle die etwa 80 Quadratmeter großen Erdgeschoßräume als „BIA-Versammlungshaus“.
Erst am Vortag, am 9. April 2010, hatte der NPD-Multifunktionär Roland Wuttke (Mering) bei der Vermieterin einen Mietvertrag für die teilweise leerstehenden Gewerberäume unterzeichnet. Von April 2010 bis Ende März 2011 wolle er die Lokalität ausschließlich als „Lagerraum“ und „Abstellfläche“ seiner „Westend-Computer GmbH“ nutzen. Marcus Buschmueller von der „Fach- und Informationsstelle Rechtsextremismus München“ (FIRM) kennt diese Methode der rechten Szene aus anderen Beispielen im ganzen Bundesgebiet: „Die Eigentümer ahnen nichts vom Hintergrund ihres Mieters/ihrer Mieterin. Sie werden von den Neonazis darüberhinaus über die wahren Anmietabsichten getäuscht. Ist der Mietvertrag erst unterschrieben, werden die überraschten Vermieter/Vermieterinnen dann dreist vor vollendete Tatsachen gestellt“.
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