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Volksverhetzender „Heimflug“

In einem Nachspiel zur bayerischen Landtagswahl des vorigen Jahres verurteilte das Landgericht Ingolstadt den NPD-Kreisvorsitzenden wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 4.200 Euro. Der Mann wurde für schuldig befunden, Wahlplakate mit dem Schriftzug „Guten Heimflug“ aufgehängt zu haben.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main erließ eine Rundverfügung, wonach das betreffende Plakat in Hessen ebenfalls als volksverhetzend zu beurteilen sei. Ein weiteres NPD-Plakat „Heimreise statt Einreise“ wird dagegen bis jetzt nicht als strafbar angesehen.

Im August 2008 ging eine Reihe von bayerischen Staatsanwaltschaften gegen das „Heimflug“-Plakat vor. Aufgehängte Plakate wurden von der Polizei entfernt; Strafanzeigen gegen verantwortliche NPD-Funktionäre folgten. Angeklagt wegen Volksverhetzung wurde unter anderen der Ingolstädter Kreisvorsitzende Philipp Kraus. Er war zunächst von der Polizei aufgefordert worden, die Plakate zu entfernen, doch nach Rücksprache mit dem NPD-Landesvorstand hatte Kraus sich geweigert, die Plakate abzunehmen. Sie seien im Vorfeld rechtlich geprüft worden und nicht zu beanstanden, ließ er verlauten. Daraufhin hatte die Ermittlungsbehörde die Plakate entfernen und sicherstellen lassen.

In erster Instanz hatte das Amtsgericht Ingolstadt den 30-Jährigen im Januar freigesprochen, weil nach Ansicht des Gerichts nicht nachzuweisen war, dass er selbst die fraglichen Plakate aufgehängt hatte. In der Berufung vor dem Landgericht Ingolstadt zweifelte der Verteidiger von Kraus, der Fürther Szene-Anwalt Frank Miksch, darüber hinaus auch noch den volksverhetzenden Charakter der Plakate an. „Die Leute sind eher ulkig und irgendwie sympathisch dargestellt“, fand der Anwalt.Doch sowohl bei der Frage der Strafbarkeit des Plakat-Motivs wie auch bei der Frage der Täterschaft setzte sich die Auffassung der Staatsanwaltschaft durch. Eine größere Gruppe von Mitbürgern werde als minderwertig charakterisiert. „Sie sprechen ihr das Recht ab, in unserer Mitte zu leben“, so der Richter nach dem Urteilsspruch. Kraus sei als Kreisvorsitzender auch Verantwortlicher für den Wahlkampf der Partei. Das Landgericht verurteilte ihn daher zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 35 Euro. Anwalt Miksch kündigte umgehend an, in Revision gehen zu wollen und nötigenfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Auch in Rheinland-Pfalz und Hessen als volksverhetzend angesehen

Das gleiche Plakat wurde in folgenden Wahlkämpfen auch in anderen Bundesländern verwendet. In Rheinland-Pfalz hatte die Staatsanwaltschaft Koblenz sogar die NPD-Landeszentrale durchsuchen und die Plakate beschlagnahmen lassen. Dabei hatte das Amtsgericht Koblenz in der Beschlagnahme-Entscheidung insbesondere auf die auf dem Plakat enthaltene Zeichnung verwiesen, die zwei offenbar als türkisch oder muslimisch dargestellte sowie eine schwarzhäutige Person auf einem fliegenden Teppich zeigt.In der Koblenzer Entscheidung hieß es: „Die abgebildeten Personen werden zeichnerisch als verachtenswert, minderwertig und unwürdig dargestellt. Sie werden zeichnerisch auf einzelne körperliche Merkmale reduziert, welche darüber hinaus auf deutlich übertriebene Weise dargestellt werden.“ Über ihre körperlichen Merkmale hinaus würden die Personen auch durch ihre Ausstattung mit ärmlicher und abgerissener Kleidung und mit in Säcke gehülltem Reisegepäck „zeichnerisch als äußerst rückständig und minderwertig dargestellt“. Die Darstellung mache klar, dass „diese nicht freiwillig heim fliegen, sondern unfreiwillig aus dem Land vertrieben werden“. Durch die Kombination der grafischen Stilmittel mit der Bildüberschrift werde „das Menschsein der dargestellten Bevölkerungsteile negiert und diese werden zu Unpersonen erklärt“, so das Koblenzer Amtsgericht.

Auf die Ingolstädter und Koblenzer Entscheidungen berief sich nun auch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main in einer Rundverfügung, in der den hessischen Staatsanwaltschaften die Rechtslage erläutert wurde. Demnach wird das „Heimflug“-Plakat im Land Hessen von den Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich als volksverhetzend bewertet. Laut der Frankfurter Behörde haben sich auch die Generalstaatsanwaltschaften Koblenz und Sachsen-Anhalt der Auffassung des Amtsgerichts Koblenz angeschlossen.

Ein ähnliches NPD-Plakat mit dem Motto „Heimreise statt Einreise“ wird dagegen bislang nicht als strafbar angesehen. Die Generalstaatsanwaltschaft München sieht offenbar keinen Handlungsbedarf, und auch in der Frankfurter Rundverfügung ist davon nicht die Rede.Dennoch sind in der vergangenen Woche im osthessischen Fulda etwa 30 „Heimreise“-Plakate über Nacht verschwunden, nachdem ein Bundestagskandidat der B90/GRÜNEN zu einer öffentlichen Abhänge-Aktion aufgerufen hatte. Am Samstag waren die Plakate bereits verschwunden; möglicherweise hatte die NPD sie bereits selbst abgehängt. Im Zusammenhang mit einer Strafanzeige durch den GRÜNE-Kandidaten holte die Polizei ein verbliebenes „Heimreise“-Plakat zur Beweissicherung vom Laternenmast.

[Dieser Beitrag erschien am 22. September 2009 zuerst bei redok.de. Die Veröffentlichung bei a.i.d.a. erfolgt mit freundlicher Genehmigung]

 

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