Bayerische Neonazis nutzten das vergangene Wochenende zur Verherrlichung des Nationalsozialismus. Dabei konnten sie wählen zwischen dem „Heldengedenken“ an Kriegsgräbern, Aufmärschen und einem internationalen Rechtsrockkonzert der „Hammerskin Nation“.
Gräfenberg
In Gräfenberg hielten die fränkischen Neonazis um den Fürther Matthias Fischer – trotz ihres derzeitigen Zwists mit der NPD – an ihrem Aufmarsch fest. Keine 50 Rechten folgten jedoch dem Aufruf und marschierten am Samstag in die Stadt hinauf. Über 300 BürgerInnen aus Gräfenberg und Neonazi-GegnerInnen aus Nürnberg ließen sich durch die vorangegangene polizeiliche Droh-Rhetorik und das martialische Aufgebot vor Ort nicht spalten oder abschrecken, und protestierten gemeinsam gegen den Terror von rechts in der kleinen, mittelfränkischen Gemeinde. Unbekannte hatten das kriegsverherrlichende Denkmal (das abgeriegelte, eigentliche Ziel des neonazistischen Aufmarsches) im Vorfeld mit pinker Farbe übergossen.
München
In München marschierten ca. 150 Neonazis unter dem Motto „Ruhm und Ehre dem deutschen Soldaten“ auf. Die Veranstalter um Philipp Hasselbach und ihr Anwalt Norbert Schmidt (Germering) hatten den Aufzug in zweiter Instanz vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München durchgeklagt. Mitveranstalter Mike Nwaiser wartete auf ca. 70 Neonazis am „Vorabtreffpunkt“, dem Ausgang Arnulfstrasse am Hauptbahnhof. Um 12.10 Uhr fuhren sie dann mit U-Bahnen über die Station Sendlinger Tor zum Goetheplatz. Bis zum Beginn gegen 13 Uhr trafen dort noch Neonazis vom Park&Ride-Platz in Fröttmaning kommend ein.
Beim Aufmarsch anwesend waren unter anderem der Anmelder des Aufmarschs am 13.6.08, Sven Grams, Patrick Bernstein, Björn-Christopher Balbin (BIA), Sebastian Deisl („Freie Kräfte Erding“), Robert Dietrich (NPD Freising), „Feldherren“-Schlagzeuger Aris D. sowie die „Kameradschaft München-Südost“ (KMSO). Der „Freie Nationalisten München“-Aktivist Manuel („H.Amas“) Heine trug während der ganzen Aktion einen von der Polizei unbeanstandeten „Support Hamas“-Button. Gegen Ende der Veranstaltung traf auch noch Renate Werlberger (NPD) ein.
Von auswärts reisten unter anderem Daniel Hillmann (Langenau) und Kameradschaftsaktivisten aus dem Raum Ulm an. Der Regensburger NPD-Kreisvorsitzende Willi Wiener (Wörth an der Donau) hatte sich einen schwarzen Kapuzenpullover übergezogen und führte einen kleinen Trupp KameradschaftsaktivistInnen („Autonome Nationalisten Regensburg“) an, darunter auch die aus der NPD ausgetretene, frühere stellvertretende JN-Landesvorsitzende Martina Maal. Martin A., Aktivist der militanten „Anti-Antifa Nürnberg“, fotografierte – von der Polizei unbehellig – wieder GegendemonstrantInnen und MedienvertreterInnen.
Als Redner traten Mike Nwaiser, Philipp Hasselbach, Roland Wuttke und Karl Richter auf, der ebenfalls angekündigte Julian Engels (Essen) war nicht erschienen. Ständig wurden die bewaffneten Organe des Nationalsozialismus verherrlicht, z. B. auf Transparenten und in Sprechchören wie z.B. „Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht“. Das alte nationalsozialistische Ritual, wonach am „Heldengedenktag“ die ums Leben gekommenen Soldaten der einzelnen Waffengattungen der Wehrmacht angerufen werden, wurde von Philipp Hasselbach übernommen. Die Versuche, das „Deutschlandlied“ in drei Strophen sowie „Ich hatt‘ einen Kameraden“ zu singen, blieben Versuche.
Am Vormittag hatten 500 AntifaschistInnen auf einer Kundgebung des „Bündnis gegen Naziaufmärsche“ auf dem Marienplatz mit einer Kundgebung protestiert. Im Anschluss daran riegelte die Polizei den Marienplatz vollständig ab, größere Gruppen von TeilnehmerInnen konnten den Marienplatz nicht mehr verlassen. Einige wenige entstehende Rangeleien wurden zum Anlass für größere Einkesselungen und zahlreiche Festnahmen. Die von der Polizei dabei gegenüber der Presse ursprünglich erhobenen Vorwürfe der Körperverletzung und ähnlichem werden mittlerweile nicht mehr aufrecht erhalten. Mit dem einfachen Verweis auf angeblichen „Landfriedensbruch“ oder „Vermummung bei früheren Naziaufmärschen“ wurden am Nachmittag mindestens 89 Personen in Gewahrsam genommen. Entlang der Route gab sich die Polizei größte Mühe, keine wirkungsvollen Proteste in der Nähe des Neonazi-Aufmarschs zuzulassen. Dies bedeutete faktisch eine Abriegelung großer Innenstadtbereiche. Kleine Blockaden wurden ruppig auseinandergetreten, zwei Sitzblockaden auf der Sonnenstraße umgangen.
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