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„Plan B“ der Neonazis: Heß-Ehrung bei Wunsiedel wird privatisiert

Wunsiedel. Eine "Heß-Gedenkveranstaltung" soll auf jeden Fall in diesem Jahr im Umkreis von Wunsiedel stattfinden, kündigte heute der Hamburger Neonazi Jürgen Rieger an. Wie erwartet werden die Veranstalter des in der oberfränkischen Stadt geplanten Aufmarschs zu Ehren des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um den Aufzug doch noch legal in der Stadt abhalten zu können. Rieger kündigte heute jedoch zusätzlich einen Alternativ-Plan an: Wenn auch das Bundesverfassungsgericht die Demo nicht zulässt, soll der tote Nazi-Führer in einer nicht-öffentlichen Veranstaltung geehrt werden.

 Seit dem Jahr 2005 hatten die Neonazis wegen der Änderung des Strafgesetzbuch-Paragraphen 130 (Volksverhetzung) nicht mehr in Wunsiedel demonstrieren dürfen. Vor einer Woche hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dieses Verbot der Heß-Aufmärsche für rechtens erklärt. Doch wie bereits erwartet, wollen die Neonazis um den Hamburger Anmelder der Aufmärsche, Jürgen Rieger, auch die letzten möglichen juristischen Schritte gehen, um ihre Veranstaltung legal durchführen zu können.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, will Rieger Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe einlegen. Dort muss dann endgültig entschieden werden, ob der im Jahr 2005 in das Strafgesetz eingefügte §130 Absatz 4 verfassungskonform ist. Da eine solche Entscheidung nicht unbedingt vor dem Datum der geplanten Nazi-Veranstaltung am 16. August zu erwarten ist, will Rieger gleich noch ein Eilverfahren in Gang setzen, um auch schon vor Abschluss des eigentlichen Verfahrens per einstweiliger Anordnung marschieren zu können. Auch in den vergangenen drei Jahren hatte Rieger jeweils ein solches Eilverfahren in die Wege geleitet, hatte damit aber weder vor den bayerischen Verwaltungsgerichts-Instanzen noch beim Bundesverfassungsgericht Erfolg gehabt. Allerdings hatte das BVerfG schon im letzten Jahr signalisiert, dass ein Eilverfahren auch anders ausgehen könnte, nachdem Rieger drei Mal die gewünschte Erlaubnis zur Heß-Demo verweigert worden war.

Doch selbst wenn das Karlsruher Gericht gegen Rieger entscheiden würde, will der nun mit einem "Plan B" alle bisherigen juristischen Auseinandersetzungen unterlaufen. Es werde "eine Heß-Gedenkveranstaltung in diesem Jahr auf jeden Fall stattfinden", kündigte Rieger heute an. Bei einer abschlägigen Gerichtsentscheidung werde "diese Veranstaltung als nicht öffentliche Veranstaltung durchgeführt". Damit könne durch die Inhalte und Reden der Veranstaltung "der öffentliche Friede nicht gestört werden, so daß § 130 Abs. 4 nicht berührt ist", erklärte Rieger.

Ein Veranstaltungsort steht dafür angeblich auch schon bereit. "Im Umkreis um 30 Kilometer von Wunsiedel" soll "eine Gastwirtschaft mit Saal und mehreren Hektar Freigelände" gefunden worden sein, die sogar "noch käuflich erworben werden" soll. Selbst wenn der Erwerb bis Mitte August nicht zustande kommen sollte, habe der Eigentümer erklärt, "sich von den Behörden nicht unter Druck setzen zu lassen", und "selbst bei Androhung von Schikanen" wolle er das Gelände zur Verfügung stellen.

Damit werde "die Ehrung von Rudolf Heß" entweder in Wunsiedel oder im Umkreis von Wunsiedel "auf jeden Fall" stattfinden, verkündete Rieger. Offenbar soll nun in großem Maßstab mobilisiert werden, um möglicherweise an die Teilnehmerzahlen der Neonazi-Veranstaltungen in Wunsiedel vor dem Verbot anknüpfen zu können. Im Jahr 2004 hatten nach offiziellen Angaben um die 4.000 Neonazis teilgenommen, die Veranstalter selbst hatten von 7.000 gesprochen.

Damit gemäß der juristischen Argumentation Riegers bei einer solchen Privatveranstaltung der "öffentliche Friede nicht gestört" wird, sollen die Besucher der Heß-Ehrung genauestens gesiebt werden. Anreisende Besucher würden vom Veranstalter geprüft, "ob sie dem Anliegen der Veranstaltung gerecht werden (Linke, Systempresse usw. wird mithin nicht zugelassen)", so die Rieger-Ankündigung. So würde sichergestellt, dass bei der Privatveranstaltung niemand teilnimmt, der an den Inhalten Anstoß nehmen könnte. Die zugelassenen Besucher würden "in einen Rudolf-Heß-Gedenkverein aufgenommen", für den sie einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 2 Euro zahlen würden. Dafür bekämen sie "als Kennzeichen der Mitgliedschaft eine Plakette".

[Der Artikel erschien erstmals am 2.07.08 auf redok.de . Die Veröffentlichung auf aida-archiv.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors]

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