Die 2007 als "Journalistin des Jahres" ausgezeichnete Expertin Andrea Röpke legt nun mit dem empfehlenswerten Buch "Ferien im Führerbunker" eine äußerst detailreiche Studie über die neonazistische "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) vor.
Das Buch mit den darin präsentierten Sachverhalten ist damit auch eine schallende Ohrfeige für die meisten Landesämter für Verfassungsschutz (u. a. Bayern), die die HDJ in ihren Berichten mit keiner Zeile erwähnen. HDJ-Kader dürften über die Veröffentlichung ebenfalls nicht glücklich sein, wird doch erstmals das Innenleben und die Aktivitäten der äußerst konspirativ arbeitenden Organisation offengelegt. Mehrere HDJ-Kader haben Andrea Röpke und ihr Kamerateam bei den Recherchen brutal überfallen und verletzt.
Tatsächlich handelt es sich bei der HDJ um einen mehrere hundert Einzelpersonen und Familien umfassenden neonazistischen Verband, der weitgehend ungehindert und oft personenidentisch die Arbeit "neonazistischer Kindererziehung" der 1994 verbotenen "Wiking-Jugend" fortsetzt. Im Stil der Hitlerjugend und des BDM veranstaltet die HDJ vor allem Zeltlager für Kinder und Jugendliche. Spektakuläre Bilder, die das Berliner apabiz für das neue Röpke-Buch beisteuerte, zeigen Jugendliche bei militärischem Aufmarschieren und wehrsportartigen Geländespielen. Ein Bild, das die Osnabrücker Polizei bei einer Razzia beschlagnahmte, zeigt gar, wie kleine Kinder bei der HDJ mit Waffen "Scheinhinrichtungen" üben müssen.
Auch in Bayern ist die HDJ aktiv. Andrea Röpke berichtet ausführlich über die sog. "Leitstelle Süd", die die HDJ im unterfränkischen Alzenau eingerichtet hat. Als Unterstützer der HDJ wird unter anderem der Nazi-Liedermacher Frank Rennicke (Altengreuth) angeführt, der schon für die Wiking-Jugend aktiv war. Er stellte zuletzt im Jahr 2007 sein Grundstück für ein HDJ-Lager zur Verfügung. Zahlreiche Aktivisten der "Heimattreuen Deutschen Jugend" kommen aus Bayern. Im Buch enthalten ist auch ein Hinweis auf Tobias Faethe (München). Das a.i.d.a.-Archiv hatte bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass der frühere Aktivensprecher der Burschenschaft Danubia daneben auch für den neonazistischen Jugendverband aktiv ist.
Mit dem beigefügten Namensregister ist das Buch für all diejenigen interessant, die beruflich oder ehrenamtlich mit der Arbeit über und gegen die extreme Rechte beschäftigt sind. Durch zahlreiche Anmerkungen zu neonazistischer Jugendarbeit und die Weitergabe rechter Ideologie, das Verdeutlichen des Wirkens zahlreicher neonazistischer "Sippen" bzw. Familien und durch ein längeres Vorwort von Gideon Botsch zu historischen Kontinuitäten neonazistischer Kindererziehung dürfte das Buch aber auch für LeserInnnen außerhalb dieses Spektrums attraktiv sein. Dazu tragen nicht nur die enthaltenen spannenden Reportagen aus dem neonazistischen Untergrund bei, sondern auch der außerordentlich günstige Preis (5,00 Euro).
Das Buch kann z. B. über die "Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt" (ARUG) in Braunschweig bestellt werden.
Andrea Röpke: Ferien im Führerbunker – Die neonazistische Kindererziehung der "Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ)"
Bildungsvereinigung ARBEIT UND LEBEN, Braunschweig 2006/2007
ISBN 978-3-932082-31-3
Taschenbuch, 128 Seiten mit zahlreichen Abbildungen