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NS-Musik: in München Alltag

München. Am „Tag der Deutschen Einheit“ brachte das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin eine Kantate mit dem Titel „Von deutscher Seele“ in der Berliner Philharmonie zur Aufführung. Der Komponist Hans Pfitzner war ein glühender Antisemit, der noch nach 1945 den Holocaust als „unvermeidlich“ bezeichnete. In München wollen die dortigen Philharmoniker Pfitzner-Werke nun gleich in Serie spielen; dazu setzten die Philharmoniker die Musik des Judenhassers gar auf das Programm eines Konzerts im neuen jüdischen Gemeindezentrum.

Der 1869 geborene Komponist Hans Pfitzner war im Nationalsozialismus Reichskultursenator. Hitler, der sich mit Pfitzner schon 1923 zum ersten Mal getroffen hatte, hielt ihn für „gottbegnadet“. Antisemit durch und durch, gab Pfitzner 1926 von sich: „Dass und wieweit an der international-bolschewistischen Umsturzarbeit die Alljuden beteiligt sind, darüber können gelehrtere Männer als ich, Politiker und Historiker, Aufschluß geben; zu leugnen ist diese Tatsache nicht.“ Im April 1933 protestierte er gegen Thomas Manns Opus „Leiden und Größe Richard Wagners“ und 1934 unterzeichnete Pfitzner den „Aufruf der Kulturschaffenden“: „Wir glauben an diesen Führer, der unsern heißen Wunsch nach Eintracht erfüllt hat“. Sein Werk „Von deutscher Seele“ wurde am 26. Mai 1938, während der „Reichsmusiktage“ in Düsseldorf (mit der Schandschau „Entartete Musik“) aufgeführt. Im Herbst 1943 war Hans Pfitzner zu Gast beim befreundeten NS-Generalgouverneur Hans Frank („Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen.“) in Krakau. Ihm widmete Pfitzner seine Komposition „Krakauer Begrüßung“.

Nach 1945 bereute Pfitzner nichts, ganz im Gegenteil: Den Massenmord an den Juden bezeichnete er auch nach der Befreiung vom Nationalsozialismus im Jahre 1945 als „unvermeidlich“. In einer „Glosse zum II. Weltkrieg“ trumpfte Pfitzner noch nach Kriegsende auf: „Welches von den bombenschmeißenden, deutschenschindenden, Frauen vergewaltigenden, voll Mitleid für die armen, gehätschelten Juden triefenden Kulturvölkern will denn diese armen Juden aufnehmen? – Keines.“ Und dem „Polenschlächter“ genannten Hans Frank schrieb er in die Gefängniszelle.

Die Münchner Philharmoniker unter Generalmusikdirektor Christian Thielemann führen in der neuen Spielzeit 2007/2008 zahlreiche Werke von Hans Pfitzner im Gasteig auf: „Zorn“ (op. 15/2) und „Lethe“ (op. 37) am 29.11., 30.11., 1.12. und am 2.12.2007. „Symphonie cis-Moll“ (op.36a) am 14.2., 14.2. und am 17.2.2008. „Ouvertüre zu ‚Das Käthchen von Heilbronn'“ (op.17) am 10.4., 11.4. und am 13.4.2008. Bereits am 28. Oktober 2007 will ein Kammerensemble das Sextett (op.55) von Hans Pfitzner aufführen. Die komplette Ignoranz und Geschichtsblindheit der Philharmoniker zeigt sich an diesem Tag besonders deutlich, denn als Aufführungsort wollen sie den Hubert-Burda-Saal im Neuen Jüdischen Zentrum am Jakobsplatz bespielen.

 

[Der Artikel erschien erstmals am 12.10.07 auf redok.de und im blog apmuenchen.blogspot.com.Die Veröffentlichung auf aida-archiv.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors Robert Andreasch]

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