Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Quo vadis Darkwave?

Image Der folgende Artikel ist im Mai/Juni 2005 in der Ausgabe #107 der antifaschistischen Zeitschrift Der Rechte Rand erschienen.

 

Quo vadis Darkwave? Ästhetische Mobilmachung revisited 

Vor fünf Jahren erschien der Sammelband »Ästhetische Mobilmachung«, der die musikalischen Genres des Dark-Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien thematisierte.

von Christian Dornbusch

Kern der Kritik an der Szene ist, dass verschiedene Musiker und Szeneprotagonisten einem rechten Kulturpessimismus Vorschub leisten und als Gegenentwürfe anti-egalitäre, anti-demokratische und anti-modernistische Dichter und Denker präsentieren. Die Vermittlung erfolgt allerdings weniger über eine intellektuelle kognitive Ebene, als vielmehr über eine (neo-)romantische, ästhetisierte Gefühlsduselei mit esoterischen, naturellen und naturreligiösen Bezügen. Die Grufti- bzw. »Schwarze Szene« reagierte seinerzeit verhalten auf das Buch: Während sich die eher kritischen »Geister« mit dem Inhalt auseinandersetzten, tat es der rechte Flügel als »Übertreibung« und »Lügengespinst« ab.

Ambivalenzen

Eine der Grundthesen des Buches war schon 2002, dass der rechte Flügel der Darkwave-Szene kein Äquivalent zur Rechts- Rock-Szene mit deren Eindeutigkeiten darstellt. Vielmehr sind die Musik bzw. die Interpreten in ihrer ganzen Ambivalenz zu betrachten. Die von Julius Evola inspirierte Kritik an der Moderne im Song »Death of the West« von »Death in June« setzt etwa nicht zwingend voraus, dass der Kopf der Band, Douglas Pearce, Antisemit und Israel-Hasser sein muss. Andersrum macht der permanente Verweis auf seine Homosexualität aus ihm noch keinen Antifaschisten (für einige eingefleischte Fans scheint Pearce im Übrigen seit seiner aktiven Rolle im australischen Schwulen-Porno »Vignettes« (2006) passé).
Ebenso kritisiert wird bei der Wiener Band »Allerseelen« um Gerhard Petak unter anderem die 1995 veröffentlichte CD »Gotos=Kalanda«, die auf Gedichten des SS-Brigadeführers und Himmler-Beraters Karl Maria Wiligut (»Weisthor«) basiert und mit Bildern von der Wewelsburg und deren »schwarzer Sonne« gestaltet wurde. Der 2006 veröffentlichten Vinyl-Fassung fügte Petak nun das »Lied der Häftlinge« bei, das ein ehemaliger Häftling des Konzentrationslagers Wewelsburg um 1944 geschrieben hat. Doch diese posthume »Ambivalenz« verliert ihre Überzeugung angesichts dessen, dass bei »Allerseelen « Marcel Petri mitspielt, der ansonsten auch bei »Von Thronstahl« und »Halgadom« involviert ist – letztere ist die Band von Frank Krämer, einem Mitglied der Nazi-Rock-Band »Stahlgewitter«.

Status Quo

Der rechte Rand der »Schwarzen Szene« zeigt sich nach wie vor insbesondere im Industrial und Neofolk, den heute in Deutschland vor allem »Orplid« repräsentiert. Die Band um Uwe Nolte und Frank Machau aus Halle an der Saale scheint nach wie vor voller Elan. 2006 erschien auf »Auerbach Tonträger « ihr achter Tonträger mit dem Titel »Sterbender Satyr« und jüngst veröffentlichte Nolte auf seinem Label »NolteX« alte Aufnahmen der Band sowie des frühen Parallelprojekts »Rückgrat«.
Musikalisch wirkt er unter anderem bei »Sonnentau « und »Barditus« mit. Machau indes debütierte 2005 mit seinem Soloprojekt »primus inter pares« beim Dresdener Label »Eis & Licht«, nach wie vor eine der bekanntesten Adresse für Neofolk. Aus Halle stammt auch die Gruppe »Leger des Heils« von Mario Ansinn, deren Namen sich auf eine niederländische christliche Heilsarmee bezieht und deren jüngste CD »Gloria« ebenso auf dem Dresdener Label von Stephan Pockrandt erschien. Bis 2000 hatte der die Zeitschrift »Sigill« herausgegeben und bis 2003 das Folgeprojekt »Zinnober«, das dann in die Hände von Dominik Tischleder überging und nach zwei Ausgaben eingestellt wurde. Die für Neofolk-HörerInnen entstandene Lücke füllten zwischenzeitlich nur bedingt die Zeitschriften »Black« und »Ikonen«, bis im Dezember 2006 die erste Ausgabe des Magazins »Zwielicht« erschien: »Sie ist unsere Antwort auf die uns allesamt langweilenden Musikmagazine in Internet und Zeitschriftenhandel«, schreibt Pockrandt in einer »Eis & Licht«-Rundmail. Während »Sigill« offensiv strittige Symbole abgebildet hatte und sowohl »Sigill« als auch »Zinnober« zur weltanschaulichen Bildung der Szene beitrugen, präsentiert »Zwielicht« zwar wie gehabt Interviews mit teils einschlägig bekannten Bands und rezensiert die entsprechenden Platten, doch fehlen mehr oder weniger eindeutige programmatische Einlassungen.

Im Szene-Mainstream wird neofolkloristische Musik vor allem in »Zillo« gefeatured und seit vergangenem Jahr in der »Szene-Bravo«, dem »Orkus«- Magazin. Nach und nach publizierte das Magazin Interviews oder Berichte über Bands wie »Der Blutharsch«, »Death In June« oder »Allerseelen« und präsentierte sie teilweise auf der CD zum Heft. Die Industrial-Bands vom rechten Rand der Szene, die auf strittige Symbole, markige Worte, militantes Auftreten und militaristischen Gestus setzen, fehlen indes noch. Musik von »NON«, »Genocide Organ« oder »The Grey Wolves« bricht wohl doch zu sehr mit den gängigen Hörgewohnheiten der LeserInnen. Um so mehr erstaunt, dass im Shop vor allem CDs des österreichischen Labels »Steinklang« angeboten werden, darunter die polnische Band »Cold Fusion«: »45 Minuten wunderschöner symphonischer Marschmusik… «, heißt es in der Kurzbeschreibung. Ihre Musik, eine Mischung aus Neo-Klassik und Militärmusik im düsteren Arrangement wird neuerdings als »Military Pop« bezeichnet.
Ihren Vorläufer findet die Stilistik bei »Laibach«, deren militaristisches Moment bereits das Projekt »Puissance« des schwedischen Duos Fredrik Söderlund und Henry Möller Mitte der 1990er Jahre in den Mittelpunkt rückte. Unter dem Namen »Arditi« steigerten sie das Militaristische ins Absolute und vermengten es mit offensichtlich affirmativer Faszination für den Faschismus. Anleihen nehmen die heutigen Bands auch bei der französischen Formation »Les Joyaux De La Princesse« von Erik Konofal, der seine Begeisterung für die nationalistische Rechte nie sonderlich kaschierte. Als »Military Pop« gelten ferner Gruppen wie »Allerseelen«, »Triarii« (Berlin), »A Challenge Of Honour« (Niederlande) und »Dernière Volonté« (Frankreich). Letztere konnten sich auf dem jüngsten »Wave-Gotik-Treffen« (WGT) zu Pfingsten in Leipzig präsentieren. Nach wie vor tummeln sich dort rechte Fans, teilweise auch Autoren der »Junge(n) Freiheit« oder Aktivisten der NPD. Doch längst nicht jeder Besucher, der Camouflage trägt, ist auch ein Rechter oder Neonazi.

Seiten: 1 2

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen