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27. April 1984

München. Die 20-jährige Corinna (Conny) Tartarotti verstirbt an den schweren Brandverletzungen, die ihr die Neonazis der „Gruppe Ludwig“ bei deren Münchner Attentat am 7. Januar 1984 zugefügt hatten.

Damals hatten Wolfgang Abel und Marco Furlan je einen Kanister Benzin in den Eingangsbereich der Diskothek „Liverpool“ in der Münchner Schillerstraße geleert und das Lokal in Brand gesetzt. Acht Menschen wurden verletzt.

Die Neonazis der „Gruppe Ludwig“ ermordeten zwischen 1977 und 1984 in München und in Norditalien mindestens 15 Menschen, die nicht in ihr extrem rechtes und reaktionäres Weltbild passten: Sexarbeiter*innen, Homosexuelle, Drogenabhängige, vermeintlich vom richtigen Weg abgekommene Geistliche oder Besucher*innen von Clubs wie dem „Liverpool“.

Nach dem Anschlag ermittelt die Münchner Polizei zunächst ausschließlich im sogenannten „Rotlichtmilieu“, ein rechter Anschlag kommt ihr nicht in den Sinn. Erst als sich die Täter wenige Tage nach dem Anschlag bei der Mailänder Nachrichtenagentur Ansa zum Anschlag in München bekennen, wird klar, dass die Täter aus einem neonazistischem Spektrum stammen. Sie schreiben in ihrem Bekennerschreiben „Im Liverpool wird nicht mehr gefickt“ und „Eisen und Feuer sind die Strafe des Nazismus“.

Die zwei Täter werden im März 1984 in Italien bei einem erneuten Anschlagsversuch verhaftet und später zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Beide sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß.

Vor Ort in der Schillerstraße erinnert bis heute nichts an den Anschlag und die Opfer. Seit einigen Jahren thematisieren Münchner Antifaschist*innen regelmäßig den rechten Mord, z. B. bei Demonstrationen im Bahnhofsviertel. Seit 2019 organisiert die Antisexistische Aktion München am Tag des Anschlages eine Gedenkkundgebung am ehemaligen Club „Liverpool“, um „den Blick auf die Opfer zu richten, die zum Ziel (extrem) rechter Täter*innen werden“. In einem Aufruf heißt es: „Dazu wollen wir aufzeigen, welche Ideologie zu Taten wie denen der ‚Gruppe Ludwig‘ führen kann. Und wir möchten die unsägliche Kontinuität der Pathologisierung und Entpolitisierung rechten Terrors sichtbar machen.“

Im Winter 2020 findet eine Münchner Rechtsanwältin ein Bild von Conny in alten Schulberichten des St. Anna Gymnasiums. Endlich ist es möglich, Conny ein Gesicht zu geben. Die Münchner Journalist*innen Lina Dahm und Robert Andreasch recherchieren weiter und entdecken im Frühjahr 2021 das eigentlich bereits aufgelöste, tatsächlich aber doch noch vorhandene Grab von Corinna und Karin Tartarotti auf dem Sendlinger Friedhof. Um es für die Zukunft zu erhalten, übernimmt im Winter 2021 die antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. (a.i.d.a.) die Finanzierung und Pflege des Grabes.

Weiterlesen:

Gedenken heißt Handeln. Von Lina Dahm und Robert Andreasch, erschienen bei a.i.d.a. (2022).

Longread und Interview: Aus dem Bild gefallen – Der rechte Terror der „Gruppe Ludwig“. Von Eike Sanders und Thomas Porena, erschienen bei NSU Watch (2022).

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