ESLARN. Eine Gruppe von Neonazis ist am Sonntag in die Katholische Pfarrkirche der oberpfälzischen Gemeinde Eslarn gestürmt und hat dort ausliegende Unterschriftenlisten für ein Verbot der NPD gestohlen. Währenddessen tagte in dem kleinen Ort nahe der tschechischen Grenze der bayerische NPD-Landesvorstand.
In der Kirche hatte der Eslarner Pfarrer Erwin Bauer auf Bitte des SPD-Ortsvereins Unterschriftenlisten der bundesweiten Aktion "NPD jetzt verbieten" ausgelegt, die auch bereits vom Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller per Unterschrift unterstützt worden war.
Schon beim ersten Gottesdienst um 8.30 Uhr hatten zahlreiche Gläubige die Listen unterschrieben; drei Blätter seien schon gefüllt gewesen, so der Pfarrer. Noch vor der folgenden Messe um 10.30 Uhr fuhr nach Augenzeugenberichten mindestens ein Auto mit Nürnberger Kennzeichen vor. Von insgesamt fünf bis acht Personen ist die Rede; wahrscheinlich "drei kurzgeschorene Männer in Ledermänteln" stürmten in die Kirche und schnappten sich die Listen, so die Zeitung Der neue Tag. Dabei sollen sie geäußert haben, sie hätten mit dem Bürgermeister und dem Pfarrer noch ein Hühnchen zu rupfen.
Die Neonazis meinten offenbar den gescheiterten Versuch der NPD, im vergangenen Sommer in Eslarn ihren "Bayerntag" zu veranstalten. Die Partei hatte bereits einen Mietvertrag mit einem Eslarner Einwohner in der Tasche; nach Protesten am Ort kündigte der örtliche Unternehmer jedoch den Vertrag. Nach einigem Hin und Her fand der NPD-"Bayerntag" schließlich in Regensburg statt.
Bei einigen Unterzeichnern der gestohlenen Listen geht nun die Angst um. Tatsächlich gelten Neonazis aus dem Nürnberger Raum als besonders rabiate "Anti-Antifa"-Aktivisten. Schon im Rahmen der "Fränkischen Aktionsfront" (FAF), die im Januar 2004 vom bayerischen Innenminister verboten wurde, stellten Neonazis aus Mittelfranken Namenslisten von Nazi-Gegnern zusammen und veröffentlichten sie im Internet. Auch heute noch ist die "Anti-Antifa Nürnberg" mit eigenen Webseiten unter dem Motto "Den Feind erkennen – den Feind benennen" aktiv. Führende frühere FAF-Kader wie Matthias Fischer (Fürth) und Martin Paulus (Herzogenaurach) sind mittlerweile zu wichtigen regionalen NPD-Funktionären geworden.
Der Landesvorstand eben dieser NPD, geleitet von Ralf Ollert (Nürnberg), tagte nach eigenen Angaben an dem Wochenende des Überfalls in Eslarn. Zu den Vorstandsmitgliedern zählen Fischer ("Abteilungsleiter Freie Kameradschaften") und Paulus ("Abteilungsleiter Schulung").
Die Polizei ermittelt wegen Diebstahls und sucht weitere Informationen zu dem Überfall. Die Täter seien "eindeutig der rechten Szene zuzuordnen", so der Leiter der zuständigen Polizeiinspektion Waidhaus. Einschüchtern ließ sich der Pfarrer von der kriminellen Neonazi-Aktion am Rande der NPD-Vorstandssitzung jedoch nicht, wie der Neue Tag berichtet. Nach dem Diebstahl hat er neue Listen aufgelegt, in die sich bereits wieder etliche Bürger eingetragen hätten.