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22. Oktober 2015

München. Die AfD-Kreisverbände Dachau-Fürstenfeldbruck, München-Nord, München-Ost, München-Süd und Starnberg führen ab 19.00 Uhr im Hotel „Zur Post“ in München-Pasing (Bodenseestr. 4a) eine Veranstaltung mit Björn Höcke durch.

Eingang zur AfD-Veranstaltung im Pasinger Hotel 'Zur Post'.  Foto: Robert AndreaschÜber 150 Besucher_innen drängen sich schließlich im „Post-Saal“ des Hotels, in dem in der Vergangenheit schon mehrfach rechte Veranstaltungen stattgefunden hatten, u. a. im September 2011 eine Veranstaltung mit Neonazis aus „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) und „Freiem Netz Süd“ (FNS) sowie im Juli 2011 ein Festkommers der völkischen „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ (BG).

Höcke, Sprecher der „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Thüringen und Veranstalter der rassistischen Großaufmärsche in Erfurt, soll im vollbesetzten Saal zum Thema „Das Asyl-Chaos“ referieren. Nach einer Begrüßung durch den AfD-Landesvorsitzenden Petr Bystron stellt sich Höcke an das Rednerpult, das mit den AfD-Plakaten „Einwanderung braucht klare Regeln“ dekoriert ist. In seiner Rede versucht er zunächst, sich als Fan von Bayern („Ich bin heilfroh, dass wir die Bayern haben“) und angeblich langjähriger Liebhaber der „Bayernhymne“ auszugeben, von der er schon die erste Zeile fehlerhaft zitiert (Höcke: „Gott gib‘ Dir, Du Land der Bayern“).

Seine Rede orientiert sich an den gängigen Diskursstrategien der radikalen Rechten: Zuerst inszeniert sich Höcke als Opfer von Verfolgung und Ausgrenzung. Der AfD-Politiker muss dazu seine Einladung zum Auftritt in der populären Talkshow von Günther Jauch verdrehen:  „Ich wusste ja, ich sollte medial hingerichtet werden, einer der führenden Köpfe der AfD sollte publikumswirksam vernichtet werden“.

Dann greift Höcke die Standard-Floskeln des rechtspopulistischen Diskurses der letzten Jahre auf: Von Franz Josef Strauß, der heute angesichts einer „vermerkelten Union“ wahrscheinlich „schnell in seinem Grab rotieren“ würde, kommt er zu angeblich entstandenen Parallelgesellschaften („Sie wissen das alle“), Schulklassen „in denen kein einziges deutsches Kind mehr zu finden“ seien, über Kindergärten, in denen „kein Schweinefleisch mehr ausgegeben“ würde und eine „Einwanderung“, die komplett in die Sozialversicherungssysteme „reingegangen“  sei, zu seinem Vortragsthema „Asyl“, wobei er als allererstes den rassistischen Begriff „Asyl-Orkan“ verwendet.

Auch andere gängige Diskursfiguren von ganz rechts greift Höcke auf, dessen Rede sich in diesen Momenten wie ein „best of“ rechtspopulistischer Blogs anhört, z. B. dass sich die Union einem „linksgrünen Zeitgeist ergeben“ und „Deutschland im Gefolge der Alt-68er als widerlegte Nation akzeptiert habe“. „Jede Flaggen- und Fahnenschändung in Deutschland, sei es dass man auf ihr rumtrampelt oder sei es, dass man sie zerknüllt“, sagt Höcke, müsse „mit hohen Gefängnisstrafen betraft werden, selbstverständlich!“. „Nein zur EU-Mitgliedschaft der Türkei, liebe Freunde!“ fordert Höcke genauso wie, auch das ist ein Klassiker radikal rechter und neonazistischer Publikationen, eine neue, „eigene Verfassung“ statt des Grungesetzes. Dass wir „eine neue Liebe zu uns selbst“ bräuchten, behauptet Höcke ebenso: „Es kann nicht sein, dass wir in Zukunft nur noch Lichterfeste feiern und kein anständiges Weihnachtsfest mehr, liebe Freunde!“. Höcke im O-Ton: „Wir sollten aufhören und wir müssen aufhören, wenn wir eine Zukunft haben wollen, mit gesenktem Haupt durch unser Land zu gehen und den Blick immer nur auf dem Boden zu haben“.

Deutschland, so Höcke in Anlehnung an Thilo Sarrazin, solle nämlich, das stehe fest, „abgeschafft werden“: „Fest steht, jedenfalls: Deutschland soll abgeschafft werden und die Deutschen sollen für ihre Abschaffung auch noch bezahlen! Das ist mit Verlaub pervers! [Applaus] Und es ist nicht populistisch, darüber nachzudenken: was könnte man mit diesem Geld alles machen. Und es ist nicht populistisch, das auch auszusprechen und das will ich auch gerne tun. Wissen Sie, was ich machen würde? Ich würde die Altersarmut der deutschen Rentner bekämpfen. Die dieses Land aufgebaut haben! [Applaus] Und ich würde, und Peter, Du hast es schon angesprochen, die jungen Familien fördern, damit endlich wieder mehr deutsche Kinder in Deutschland geboren werden!“.

Björn Höcke kommt durch den Hinterhof zum Veranstaltungsort.  Foto: Robert AndreaschHöcke verschärft seine rassistische Rede mit der für die radikale Rechte und Neonaziszene typischen Panikmache: „Die Situation in diesem Land ist dramatisch. Und sie ist vielleicht historisch tatsächlich einmalig, das muss man wissen, ich kann’s noch nicht mal vergleichen mit irgendwelchen Hunneneinfällen oder Mongolenstürmen, die über uns hinweggegangen sind und die großes Leid gebracht haben, das tu ich nicht. Der [sic!] Ausmaß, der Herausforderung, wie man heutzutage sagt, ist so gigantisch, dass man dieses Ausmaß noch gar nicht abschätzen kann.“ Höcke dramatisiert eine Untergangs- und Krisensituation herbei, spricht mal von einer „unabwendbaren Staatskrise“, mal vom kommenden „Bürgerkriegsstaat“ und mal davon, „dass da etwas Ungeheuerliches auf uns zukommt, auf unser Land“.  „Unser“ ist ein Lieblingswort von Höcke, der von „unserem Land“ und „unserem Volk“ spricht: „Aber vielleicht ist es so, dass diese, diese Rosskur, die Deutschen einfach noch mal wachrüttelt. Vielleicht ist’s die letzte Chance für unser Volk, nochmal aufzuwachen“.

Höcke offenbart in seiner rassistischen Hetzrede schließlich pure völkische Ideologie. Er sagt z. B. wörtlich: „Denn 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in diesem Land, das sind vollendete Tatsachen. Und das ist auch eine Schuld der CSU“, wofür es großen Applaus gibt. Später setzt er noch eins drauf: „Ich erwähnte es bereits: mittlerweile leben 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund – egal ob mit oder ohne Pass – in Deutschland. Und neue, schockierende Zahlen präsentierte die BILD-Zeitung am 5. Oktober“. Dass hier Menschen mit familiärer Migrationsbiografie leben und ankommen, findet Höcke also „schockierend“ und hetzt: „Wenn jeden Tag Zehntausend über die Grenze kommen, dann haben wir Ende 2016 5,5 Millionen deutschen Männern gut 6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund gegenüberstehen.“ Es gibt Begeisterungsstürme im Saal für solche Sätze, die eine Kampfsituation zwischen „deutschen Männern“ und „Menschen mit Migrationshintergrund“ suggerieren.

Höcke legt dann gegen Asylsuchende los: „Frau Merkel sagt: ‚Das schaffen wir‘. Und ich sage mit Parteifreund Alexander Gauland: Das wollen wir gar nicht schaffen! [Applaus] Wir wollen unser Land gar nicht hergeben. Wir wollen gar nicht zu Fremden im eigenen Land werden. Wir wollen diese Menschen, die, und jede Statistik weist das aus, überwiegend männlich, jung, ungebildet und muslimisch sind, gar nicht integrieren! [Applaus]. Weil wir von der AfD noch den gesunden Menschenverstand hier oben in unserm Großhirn drin haben, sagen wir klipp und klar und mit der notwendigen Deutlichkeit: Diese Menschen sind keine Bereicherung! Sie sind eine Belastung! Wirtschaftlich, und den Zusammenhalt unseres Gemeinwesens betreffend, liebe Freunde! [Applaus]“.

Immer wieder schiebt Höcke Phrasen voller Pathos ein: „Wenn ich dann rede auf der Erfurter Demonstration, und ich spüre den Willen des Volks, ich spüre auch die Wut der Menschen, dann weiß ich, wenn wir den Willen haben, und wenn wir diesen Willen artikulieren und auf die Straße tragen auch in Westdeutschland, dann werden wir 2016 Neuwahlen erzwingen, liebe Freunde!“ Aus dem jammernden Verfolgungswahn vom Beginn der Rede ist da schon ein größenwahnsinniges Poltern geworden: „Wir wollen nicht Mehrheitsbeschafferin im einstelligen Prozentbereich werden, wir wollen die dominierende Volkspartei, ja wir wollen die Kanzlerpartei dieses Landes werden, liebe Freunde!“.

Andere Politiker_innen und Medien diffamiert Höcke: „Raus aus der Verantwortung und ab auf die Couch mit diesen Deutschland-Abschaffern, liebe Freunde!“. Der Bundeskanzlerin Angela Merkel wirft Höcke die Straftaten „Einschleusen von Ausländern“, Hochverrat“ und „Landesverrat“ vor. Im überfüllten Saal brandet bei solchen Sätzen großer Jubel auf, die Atnosphäre ist absolut aufgeheizt. Als einmal ein junger Mann kurz protestierend in die Höcke-Rede hineinruft, grölt der Mob sofort los und lässt sich nur noch schwer beruhigen.

Als Abschlusssätze wählt Höcke dann wiederum völkisch-rassistische Hetze, (wofür er am Ende zwei Minuten standing ovations bekommt): „Also, meine abschließende Feststellung: Wir, das deutsche Volk, sind genausowenig moralisch verpflichtet wie zum Beispiel die Dänen, die Tschechen oder die Polen, die Aufbau- und Lebensleistung von uns und unseren Vorfahren, bis hin zur Selbstzerstörung unseres Gemeinwesens und seiner politischen Kultur, den Hoffnungen der Migranten zu opfern. [Applaus] Wir, das deutsche Volk, sind nicht verpflichtet, unsere materielle und kulturelle Substanz und unsere auf numerischer Überlegenheit beruhende Selbstbestimmung im eigenen Land auf Dauer einer fremdstämmigen Migrantenmehrheit zu opfern. [Applaus] Und, wir, das deutsche Volk, haben nicht nur das Recht, nein, wir haben die Pflicht, unseren Kindern eine deutsche Zukunft in der Mitte Europas zu erhalten!“.

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