Bei der Wahl zum Münchner Ausländerbeirat am kommenden Sonntag stehen auch zwei Aktivisten der neonazistischen NPD und des lokalen Neonazis-Sammelbeckens „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) auf dem Stimmzettel.
Provokation als Prinzip der lokalen NPD
Es sollte wohl der ganz große Coup des stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden und BIA-Stadtrates Karl Richter (München-Bogenhausen) werden: zwei extrem rechte Aktivisten mit österreichischen Pässen konnten, von der Öffentlichkeit unbemerkt, auf einer Wahlliste für den Münchner Ausländerbeirat platziert werden: Die NPD- und BIA-Aktivisten Manfred Schiessl und Volker Knetsch stehen nun für die Wahl am 28. November 2010 bei der Liste 6 „ALK-Allgemeine Länder Kooperation“ auf den aussichtsreichen Listenplätzen eins und drei. Diese Provokation der in München lebenden Menschen mit nicht-deutschem Pass reiht sich ein in eine Serie übler rassistischer Aktivitäten der BIA, zu denen die Verteilung nachgeahmter Flugtickets an Migrant_innen genauso gehört wie die zahllosen rassistisch motivierten Anfragen Karl Richters im Münchner Stadtrat.
Manfred Schiessl
Manfred Schiessl wurde 1955 in Wien geboren. Als Ingenieur wohnte er zeitweise in lateinamerikanischen Ländern. Seit Jahrzehnten ist er in der neonazistischen Szene aktiv, so gehörte ab 1973 der (1988 verbotenen) österreichischen „Nationaldemokratischen Partei“ NDP) unter dem Bombenattentäter Norbert Burger an, danach der deutschen NPD. Für die Parteizeitung „Deutsche Stimme“ der neonazistischen NPD (Chefredakteur: Karl Richter) verfasste Manfred Schiessl in den letzten Monaten mindestens drei Artikel zu lateinamerikanischen Ländern. Bei der Kommunalwahl in München 2008 kandidierte Schiessl erfolglos auf der Liste des Neonazi-Sammelbeckens „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) auf Platz 2 hinter Karl Richter.
Volker Knetsch
Volker Knetsch nimmt seit vielen Jahren an öffentlichen Aktionen der extremen Rechten in München teil, z. B. bei der neonazistischen Kundgebung am Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess auf dem Stachus am 17. August 2007. Am 8. Mai 2010 trug er beim Neonazi-Aufmarsch in Fürstenried an zentraler Stelle im Zug theatralisch die Uniformjacke eines Wehrmachtssoldaten vor sich her. Der 1943 geborene Österreicher mit Wohnsitz in München-Fürstenried kandidierte bei der Kommunalwahl 2008 auf Listenplatz 11 der rassistischen „Bürgerinitiative Ausländerstopp“. Im Landtagswahlkampf 2009 und im Verlauf des Jahres 2010 betreute Volker Knetsch zahlreiche Infostände der NPD. Infotische führt er regelmäßig auch für die „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) durch, zuletzt am 16. November 2010 am Marienplatz in München-Pasing.
Reaktionen:
Die Liste „Allgemeine Länderkooperation“ wurde nach eigenen Angaben von der Münchner Naturkosthändlerin Raffaela de Lio gegründet. Im Gegensatz zu einigen Kandidat_innen des Wahlzusammenschlusses, die noch nie etwas von einem politischen Programm gehört haben wollen, legt de Lio wert auf eine politische Forderung: Die Liste würde für verstärkte Integrationsbemühungen eintreten – und zwar der Migrant_innen selber, nicht von Seiten der deutschen Gesellschaft. Sie sei auch davon überzeugt, sagte de Lio in einem Mediengespräch am Mittwoch Nachmittag, dass die meisten Migrant_innen „den deutschen Staat nur verarschen“ würden. Von Manfred Schiessls Neonaziaktivitäten will sie nichts mitbekommen haben und Volker Knetsch sei ihr bis heute gar nicht bekannt, da er durch Manfred Schiessl zur Liste gestoßen sei.
Pavel Samokhvalov, ebenfalls Kandidat der Liste „Allgemeine Länderkooperation“ zeigt sich auf Anfrage ebenfalls ahnungslos: Schiessl und Knetsch habe er nie getroffen, von ihrem politischen Hintergrund nichts geahnt. Angesichts der nun aufgedeckten „Kooperation“ mit Neonazis bei der „ALK“ bleibt der Diplom-Ökonom Samokhvalov jedoch unaufgeregt. Bei der Liste 6 hätten sich die Kandidat_innen eh nicht auf ein gemeinsames politisches Programm verständigt. Gefragt nach seiner eigenen Motivation zur Kandidatur fügt Samokhvalov an, er wolle mit seinem Wahlantritt ein Gegengewicht zu den“russischen Juden“ schaffen.
Ernsthaft erschüttert zeigte sich dagegen der Chorleiter und „ALK“-Kandidat Nicolas Nganzo Tutu, der als Schwarzer zu den Lieblingsfeindbildern der „Bürgerinitative Ausländerstopp“-Propaganda gehört. Am gestrigen Dienstag Abend hätte er Manfred Schiessl zum ersten Mal in einem italienischen Lokal getroffen, dieser habe ihm gegenüber eine angeblich äußerst freundliche Haltung gegenüber Migrant_innen wohl nur vorgespielt.
Cumali Naz, der Vorsitzende des amtierenden Ausländerbeirats, reagierte am Mittwoch Nachmittag mit einem Aufruf: „Wer verhindern möchte, dass der Ausländerbeirat zu einer Plattform für ausländerfeindliche Kräfte wird, muss jetzt erst recht wählen gehen. Allen Münchnern ausländischer Herkunft muss klar sein, dass sie nun von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen müssen.“