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Du sollst dir kein Bildnis machen

Erneut zogen am Samstag Neonazis durch die oberfränkische Stadt Gräfenberg. Die Proteste der Bürger wurden jetzt erstmals durch eine bisher ungekannte Auflage der Behörden eingeschränkt: Den Gegendemonstranten wurde untersagt, Film- und Fotoaufnahmen von der Neonazi-Demo zu machen.

Bereits seit November 2006 veranstalten Neonazis vor allem aus Mittel- und Oberfranken regelmäßig Aufmärsche in der Kleinstadt. Vorgeblich geht es ihnen um Zugang zu einem Kriegerdenkmal, doch längst geht es den rechtsextremen Aktivisten vor allem darum, den Protest gegen ihre Versammlungen zu ersticken. Der vorgebliche Anlass der Trauer um Kriegsopfer wurde schon mal durch den Ausschank von Freibier als Vorwand deutlich.

Bis Ende letzten Jahres hatten die Rechtsextremen ihre Aufmärsche als NPD-Gliederung organisiert, doch nachdem sich eine Reihe von radikalen Neonazis von der NPD abgespalten hatte, führen sie nun die Aufmärsche in Gräfenberg als „Freies Netz Süd“ weiter. Führend dabei ist weiterhin Matthias Fischer (Fürth), der erst vor wenigen Tagen zusammen mit Norman Bordin wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Als Anmelder der Nazi-Demo trat am vergangenen Wochenende Lutz Passon (Ebermannstadt) in Erscheinung, der wie Fischer bereits der 2004 vom bayerischen Innenministerium verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ angehört hatte.

Den etwa 60 Neonazis stellten sich am Samstag an die 250 Gegner unter dem Motto „Denkhilfetag für Neonazis“ entgegen. Während die Rechtsextremen in puncto Personal und Parolen nichts Neues zu bieten hatten, überraschten die Behörden mit einer bislang ungekannten Auflage für die Protestveranstaltung. Ein Film- und Fotografierverbot sollte offenbar verhindern, dass die Gegendemonstranten die Aktivitäten der Neonazis dokumentieren. Gräfenbergs Bürgermeister Werner Wolf (Freie Wähler) protestierte gegen dieses Verbot und wies laut dem Fränkischen Tag darauf hin, dass die Rechtsradikalen auf ihren Märschen durch die Straßen Gräfenbergs unablässig die Gegendemonstranten und Journalisten fotografieren und filmen.

Im Januar hatte das „Bürgerforum Gräfenberg“ angekündigt, bei einer der Neonazi-Demos statt mit einer Gegenveranstaltung mit „demokratischen Beobachtern“ vor Ort zu sein und die Aktivitäten der Neonazis in Wort und Bild sorgfältig zu dokumentieren. Anscheinend war eine solche Ankündigung den oberfränkischen Behörden Anlass genug für die jüngsten Auflagen und ihre eigenwillige Gesetzesinterpretation, denn das Kunsturhebergesetz gestattet ausdrücklich „Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben“. Nicht erlaubt sind dagegen „Bildnisse“ im Sinne von Fotos einzelner Personen und vor allem deren Veröffentlichung oder Verbreitung. Wegen solcher Fotos von Anti-Nazi-Demonstranten und der Veröffentlichung auf einer so genannten „Anti-Antfa“-Webseite hatte Sebastian Schmaus, Stadtratsmitglied der Nürnberger NPD-Liste „Bürgerinitiative Ausländerstopp“, im Februar einen Strafbefehl erhalten.

Erst im Januar hatte die Nürnberger Zeitung dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in einem Interview vorgehalten, man habe „bisweilen den Eindruck, dass den Bürgerforums-Aktivisten in Gräfenberg politisch Steine in den Weg gelegt werden“. Der Innenminister hatte das deutlich zurückgewiesen: „Mit Sicherheit nicht. Wir freuen uns darüber, wenn immer wieder deutlich wird, dass die überwältigende Mehrheit der Bürger anders denkt – dass dem Treiben der Rechtsradikalen immer wieder eine klare Alternative entgegengesetzt wird. Die Gräfenberger zeigen ihre Abneigung gegenüber Neonazis sehr deutlich.“

Dieser Artikel erschien zunächst bei redok.de. Die Veröffentlichung bei a.i.d.a. erfolgt mit freundlicher Genehmigung der AutorIn

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